Grußwort Seiner Exzellenz beim Empfang aus Anlass des fünften Jahrestages des Beginns des Pontifikates des Heiligen Vaters Franziskus

Berlin, Apostolische Nuntiatur, 13. März 2018

Exzellenzen,
verehrter Herr Bundespräsident a.D. Gauck,
sehr geehrte Damen und Herren,
liebe Brüder und Schwestern!

„Selig, die Frieden stiften; denn sie werden Kinder Gottes genannt werden.“ (Mt 5,9). Diese Worte Jesu Christi aus den Seligpreisungen am Anfang der Bergpredigt (vgl. Mt 5,1-12) geben der Kirche Orientierung für ihr Leben nach innen und nach außen und charakterisieren ihr Wirken in der Welt. Vom Heiligen Geist geführt, jener Gabe, die der auferstandene Herr Jesus in Fülle ausgießt (vgl. Joh 3,34), wird die Kirche nicht müde, den „Gott des Friedens“ (Röm 16,20) zu verkünden und ihrer Hoffnung Ausdruck zu verleihen, daß „der Gott des Friedens mit euch allen sei“ (Röm 15,33), das heißt mit allen Menschen.
Der Friede ist eine Gabe Gottes (vgl. Joh 14,27), die den Menschen anvertraut ist und daher ihre Mitwirkung erfordert. Aus diesem Grund tut die Katholische Kirche neben dem Gebet um den Frieden das ihr Mögliche, damit Frieden werde in unserer unruhigen Welt.
Auch der fünfte Jahrestag der Wahl von Papst Franziskus, den wir gemeinsam begehen, ist vom Einsatz für den Frieden gekennzeichnet. So war dies unter anderem das erste Thema, über das Seine Heiligkeit vor den Botschaftern der 185 beim Heiligen Stuhl akkreditierten Länder beim Neujahrsempfang am 8. Januar 2018 sprach (I). Die übrigen Themen sind mit der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte verbunden (II). Neben diesen Rechten betont der Heilige Vater die Pflichten des einzelnen gegenüber anderen und der Gemeinschaft (III).

I. Der Friede in der Welt.

Das Friedensthema ist besonders hervorzuheben, denn in diesem Jahr erinnern wir an das Ende des 1. Weltkrieges vor 100 Jahren, „eines Konflikts, der das Angesicht Europas und der ganzen Welt mit dem Entstehen neuer Staaten an der Stelle der alten Reiche neu gezeichnet hat“. Aus diesem Krieg, den Papst Benedikt XV. in seinem Appell an die Repräsentanten der kriegsführenden Nationen vom 1. August 1914 eine „furchtbare Schlächterei“ genannt hat, lassen sich zwei Warnungen ableiten. Die erste ist, „dass Siegen niemals bedeutet, den bezwungenen Gegner zu demütigen“. Die zweite Warnung meint: „Der Friede wird gefestigt, wenn sich die Nationen in einem Klima der Gleichheit gegenübertreten können“. Auf diesen Prinzipien wurden die Vereinten Nationen gegründet.
Leider haben die tragischen Erfahrungen des 1. Weltkrieges nicht verhindert, die Menschheit in einen noch verheerenderen 2. Weltkrieg zu stürzen. Außerdem hat die fortschreitende militärische Aufrüstung Papst Franziskus dazu gebracht, von einem „dritten Weltkrieg“ zu sprechen, der „stückweise“ geführt wird. In der erwähnten Ansprache hat er an folgende Krisen erinnert: auf der koreanischen Halbinsel, im Mittleren Osten, vor allem in Syrien, dem Irak und im Jemen; die Beziehungen zwischen den Israeliten und Palästinensern, auch mit Blick auf den status quo Jerusalems als „heiliger Stadt von Christen, Juden und Muslimen“; der Papst erinnerte an Afghanistan, den Süd Sudan, die demokratische Republik Kongo, Somalia, Nigeria und Zentralafrika. Erwähnt wurden auch Venezuela und die Ukraine.
Der Heilige Stuhl, das Zentralorgan der Katholischen Kirche, lädt alle Gläubigen zum Gebet für den Frieden ein, besonders am 1. Januar, dem Beginn eines neuen Jahres. Bei dieser Gelegenheit hat der Heilige Vater eine entsprechende Botschaft an die Verantwortlichen der Nationen, an die Gläubigen und alle Menschen guten Willens gerichtet. Das Thema für dieses Jahr lautete: Migranten und Flüchtlinge – Menschen auf der Suche nach Frieden. Am 23. Februar 2018 hatte Papst Franziskus außerdem zu einem Fasten- und Gebetstag für den Weltfrieden, vor allem in der demokratischen Republik Kongo und im Süd Sudan aufgerufen. Der Heilige Stuhl allgemein und Papst Franziskus mit seinem persönlichen Charisma sind bereit, sich dafür einzusetzen, damit der Friede innerhalb der einzelnen Länder und auf der Ebene der internationalen Gemeinschaft hergestellt werden kann. Als ein gelungenes Beispiel kann man auf den Friedensvertrag in Kolumbien zwischen der Regierung und den Milizen der FARC und EP (Fuerzas Armadas Revolucionarias de Colombia – Ejército del Pueblo) hinweisen. Bei seinem Apostolischen Besuch in Kolumbien vom 6. bis 11. September 2017 wollte der Heilige Vater „die Anstrengungen und den Mut dieses geliebten Volkes segnen, das sich durch seine Friedenssehnsucht nach langen Zeiten der inneren Konflikte auszeichnet“.
Auf der Ebene der internationalen Gemeinschaft und zur Förderung von Frieden und Gerechtigkeit setzt sich der Heilige Stuhl für eine Beendigung des Rüstungswettlaufes ein und ist davon überzeugt, daß „die vollständige Abrüstung und die ganzheitliche Entwicklung in einer engen Wechselbeziehung (stehen)“. Um ein gutes Beispiel zu geben, das auch andere Staaten ermutigen kann, hat der Heilige Stuhl im Jahr 2017 den Atomwaffenverbotsvertrags der Vereinten Nationen angenommen und ratifiziert. „Der Heilige Stuhl bekräftigt daher die feste Überzeugung, »dass die Streitigkeiten, die unter Umständen zwischen den Völkern entstehen, nicht durch Waffengewalt, sondern durch Verträge und Verhandlungen beizulegen sind«“.

II. Die Menschenrechte.

In seiner Ansprache vor dem versammelten Diplomatischen Corps hat sich der Heilige Vater auf die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte konzentriert, die von der Generalversammlung der Vereinten Nationen vor 70 Jahren am 10. Dezember 1948 beschlossen wurden. In der Präambel heißt es, „die Anerkennung der angeborenen Würde und der gleichen und unveräußerlichen Rechte aller Mitglieder der Gemeinschaft der Menschen (bildet) die Grundlage von Freiheit, Gerechtigkeit und Frieden in der Welt“. Der Heilige Stuhl erkennt „eine bedeutende Beziehung zwischen der Botschaft des Evangeliums und der Anerkennung der Menschenrechte“. Von ihnen zu sprechen bedeutet, „immer wieder auf die zentrale Stellung der Würde des Menschen, der von Gott gewollt und als sein Abbild ihm ähnlich geschaffen ist, hinzuweisen“. Der Heilige Stuhl stellt bedauernd fest, daß zwischenzeitlich „neue Rechte“ gefordert werden, die nicht selten im Widerspruch zu den ursprünglichen Rechten der erwähnten Erklärung stehen, und es besteht die Gefahr, daß „moderne Formen von ideologischer Kolonisierung der Starken und Reichen zum Schaden der Armen und Schwachen entstehen“.
Papst Franziskus klagt, daß auch nach 70 Jahren viele fundamentale Menschenrechte noch immer verletzt werden. „Als erstes vor allen anderen das Recht auf Leben, auf Freiheit und Unantastbarkeit jeder menschlichen Person. Nicht nur Krieg oder Gewalt verletzen sie. In unserer Zeit gibt es subtilere Formen: Ich denke vor allem an die unschuldigen Kinder, die noch vor ihrer Geburt „weggeworfen“ werden; man will sie zuweilen nicht, nur weil sie krank oder missgebildet sind oder aufgrund des Egoismus der Erwachsenen. Ich denke an die alten Menschen, die oftmals ebenso „weggeworfen“ werden, vor allem wenn sie krank sind und als Last betrachtet werden. Ich denke an die Frauen, die oft Gewalt und Unterdrückung auch im Kreis ihrer eigenen Familien erleiden müssen. Ich denke dann an die Opfer des Menschenhandels, der das Verbot jeder Form von Sklaverei verletzt. Wie viele Menschen, insbesondere auf der Flucht vor Armut und Krieg, werden zum Gegenstand dieses von skrupellosen Leuten betriebenen schmutzigen Handels?“. Für Papst Franziskus bedeutet, „das Recht auf Leben zu verteidigen, sich aktiv für den Frieden einzusetzen, der allgemein als einer der höchsten und wichtigsten Werte angesehen wird, den es zu wahren und zu verteidigen gilt“.

Der Heilige Vater erinnert außerdem an das Recht auf Religionsfreiheit, was die Freiheit einschließt, die Religion zu wechseln, wie auch das Recht auf Arbeit, das vor allem die jungen Menschen betrifft. Er ruft auch in Erinnerung, daß „das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit zu verteidigen auch bedeutet, das Recht auf die Gesundheit der Person und ihrer Familienangehörigen zu schützen“. Indem er sich auf die oben erwähnte Erklärung bezieht, hebt der Heilige Vater besonders die Rechte hervor, eine Familie zu gründen und sich frei zu bewegen, was auch das Recht auf Migration einschließt.

1. Das Recht eine Familie zu gründen.
Dies wird in der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte anerkannt (vgl. Art. 16). Die Familie, „der natürliche und grundlegende Kern der Gesellschaft“, hat das Recht, von der Gesellschaft und vom Staat geschützt zu werden. Diesbezüglich klagt der Heilige Vater, daß „die Familie besonders im Westen als eine veraltete Institution betrachtet wird. Der Stabilität eines endgültigen Projektes zieht man heute flüchtige Bindungen vor“. Er bringt in Erinnerung, daß sich die Familie auf die Verbindung von Mann und Frau gründet, die auf Nachkommenschaft hin offen ist. „Dieser Felsen ist die Gemeinschaft der treuen und unauflöslichen Liebe, die Mann und Frau eint. Eine Gemeinschaft von schlichter, einfacher Schönheit mit heiligem und unzerstörbaren Charakter und mit einer naturgegebenen Aufgabe für die Gesellschaftsordnung“. Die Anerkennung der Familie zieht Verpflichtungen des Staates nach sich. „Ich halte es deshalb für dringlich, wirkliche politische Fördermaßnahmen zugunsten der Familie, von der unter anderem die Zukunft und der Fortschritt der Staaten abhängt, zu ergreifen. Ohne die Familie wird es keine Gesellschaft geben, die den Herausforderungen der Zukunft gewachsen ist. Die Vernachlässigung der Familie hat eine weitere dramatische Konsequenz, die in einigen Gegenden besonders ausgeprägt ist: das Sinken der Geburtenraten. Wir leben in einem wahren demographischen Winter! Das ist das Kennzeichen einer Gesellschaft, die die Herausforderungen der Gegenwart nur mit Mühe angeht und deshalb immer mehr die Zukunft fürchtet und sich dann in sich selbst verschließt“. Nachdem er die Konzeption von Familie nach dem Plan Gottes bekräftigt hat, fügt der Heilige Vater hinzu: „Gleichzeitig dürfen wir die Familien nicht vergessen, die aufgrund von Armut, Krieg und Migration zerrissen sind. Viel zu häufig sehen wir das Drama von Kindern, die alleine die Grenzen von Süd nach Nord überschreiten, oft als Opfer des Menschenhandels“.

2. Die Migranten und Flüchtlinge.
Nach der genannten Erklärung hat „jeder .. das Recht, sich innerhalb eines Staates frei zu bewegen und seinen Aufenthaltsort frei zu wählen“ (Art. 13). In seiner Botschaft zum Weltfriedenstag 2018 hat Papst Franziskus daran erinnert, daß es aktuell „mehr als 250 Millionen Migranten in der Welt (gibt), von denen 22,5 Millionen Flüchtlinge sind“ (Nr. 1). Dabei hat er eine Handlungsstrategie im Umgang mit diesen Menschen gegeben und diese mit vier Verben ausgedrückt: „aufnehmen, schützen, fördern und integrieren“.
Auch wenn man nicht allen Migranten und Flüchtlingen stets gute Absichten unterstellen kann, schreibt der Römische Pontifex: „Man darf nicht vergessen, „dass der Großteil der Migranten lieber im eigenen Land bleiben würde. Sie sind jedoch »aufgrund von Diskriminierung, Verfolgung, Armut und Umweltzerstörung gezwungen […] ihr Land zu verlassen“. Darum wollte er „den Verantwortlichen jener Staaten danken, die sich in diesen Jahren bemüht haben, den zahlreichen Flüchtlingen an ihren Grenzen Unterstützung zu gewähren. Ich denke vor allem an nicht wenige Länder in Asien, Afrika und in Amerika, die viele Menschen aufnehmen und unterstützen“. Der Bischof von Rom erwähnte ausdrücklich Bangladesch, Italien, Griechenland und Deutschland. Mit Blick auf die Nachbarländer Syriens wie Jordanien, Libanon und Türkei, die sehr viele Flüchtlinge aufgenommen haben, sagte er: „Der Einsatz dieser Länder und ihre Anstrengungen in dieser schwierigen Situation verdienen die Anerkennung und die Unterstützung der ganzen internationalen Gemeinschaft. Diese ist zugleich aufgerufen, sich darum zu bemühen, die Voraussetzungen für die Heimkehr der aus Syrien stammenden Flüchtlinge zu schaffen. Diese Verpflichtung muss sie konkret auf sich nehmen, beginnend vom Libanon, damit dieses werte Land weiterhin eine „Botschaft“ des Respekts und des Zusammenlebens bleibt wie auch ein für die gesamte Region und die ganze Welt nachzuahmendes Beispiel“.
Der Heilige Stuhl unterstützt die Vorbereitung von zwei internationalen Pakten (Global Compacts), wobei einer den Flüchtlingen und ein anderer die sichere, geordnete und reguläre Migration im Blick hat. Beide Pakte wurden von den Vereinten Nation im Anschluss an die Erklärung von New York zu Flüchtlingen und Migranten 2016 auf den Weg gebracht. Die Abteilung für Migranten und Flüchtlinge des Dikasteriums für den Dienst zugunsten der ganzheitlichen Entwicklung des Menschen der Römischen Kurie hat der Vereinten Nationen ein Dokument unter dem Titel Auf die Herausforderungen von Migration und Flucht antworten: 20 Handlungsschwerpunkte vorgelegt. Damit ergreift der Heilige Stuhl die einzigartige Gelegenheit, „um eine Antwort zu geben, die sich durch internationale Zusammenarbeit und geteilte Verantwortung ausdrückt“, wenn es um die wichtige und aktuelle Frage von Migration und der Flüchtlinge geht, die eine globale Antwort erfordert, weil es ein globales Phänomen ist.

III. Die Menschenpflichten.

Der Heilige Vater erinnert daran, daß in der Allgemeinen Erklärung neben den Rechten auch von den Pflichten des einzelnen gegenüber der Gemeinschaft die Rede ist, „den gerechten Anforderungen der Moral, der öffentlichen Ordnung und des allgemeinen Wohles in einer demokratischen Gesellschaft zu genügen“ (Art. 29). Der Römische Pontifex erwähnt die Pflicht, sich um das Schicksal der Erde zu sorgen. „Eine besonders dringende Pflicht ist heute die Sorge um unsere Erde. Wir wissen, dass die Natur auch von sich aus grausam sein kann, ohne dass der Mensch dafür verantwortlich ist. Das haben wir im vergangenen Jahr bei den Erdbeben gesehen, die verschiedene Regionen der Welt getroffen haben, insbesondere in den letzten Monaten in Mexiko und im Iran mit zahlreichen Opfern; oder auch bei der Gewalt der Wirbelstürme, die verschiedene Länder der Karibik heimgesucht haben und bis an die US-amerikanische Küste gelangt sind oder die erst vor kurzem über die Philippinen hinweggezogen sind. Aber wir dürfen nicht vergessen, dass es auch eine hauptsächliche Verantwortung des Menschen im Zusammenspiel mit der Natur gibt. Der Klimawandel mit dem globalen Temperaturanstieg und die damit verbundenen zerstörerischen Auswirkungen sind auch Folgen des menschlichen Handelns. Wir müssen daher gemeinsam die Verantwortung dafür übernehmen, den kommenden Generationen eine schönere und lebenswertere Welt zu hinterlassen. Dafür müssen wir daran arbeiten, im Licht der 2015 in Paris getroffenen Verpflichtungen die Abgasemissionen, die für die Atmosphäre schädlich sind als auch der menschlichen Gesundheit schaden, zu reduzieren“.

Exzellenzen, meine sehr geehrten Damen und Herren, wir danken dem dreieinen und guten Gott, daß Er der Kirche und der Welt den Heiligen Vater Franziskus, den Bischof von Rom und Hirten der Universalkirche geschenkt hat. Wir beten für seine wichtige Sendung in der Katholischen Kirche und für die Beziehungen zu den anderen Kirchen und kirchlichen Gemeinschaften, für den Dialog mit den nichtchristlichen Religionen, wie auch mit allen Menschen guten Willens, damit seine Bemühungen um eine gerechtere und solidarischere Welt in Respekt vor der menschlichen Person und mit Blick auf die im materiellen und spirituellen Sinne Armen erfolgreich sein mögen für das Wohl aller Bewohner der Erde, unserem „gemeinsamen Haus“ (Laudato si‘ 1). Wir beten und streben, jeder nach seiner Verantwortung, vor allem nach dem Frieden in der Welt, um den segensvollen Worten des Herrn Jesus würdig zu sein: Selig, ihr Friedensstifter, denn ihr werdet Kinder Gottes genannt werden (vgl. Mt 5,9).
Trinken wir gemeinsam auf das Wohl von Papst Franziskus. Mögen ihm ein langes Leben geschenkt werden. Ad multos annos!

Und so bleibt mir nur, Ihnen allen mit Freude zu sagen: Das Buffet ist eröffnet. Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

 

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