Grußwort von Nuntius Eterovic bei der Buchvorstellung von Prof. Dr. Stefan Samerski "Deutschland und der Heilige Stuhl. Diplomatische Beziehungen 1920-1945

Berlin in der Bibliothek des Außenministeriums, 3. Dezember 2019

Sehr geehrte Damen und Herren!

„Man möge auch nicht sagen dass der ungeheure Streit nicht ohne Waffengewalt beigelegt werden kann. Man möge von vornherein einsehen, dass die Nationen nicht sterben und daher absehen von dem gegenseitigen Vorsatz sich zu vernichten: die Nationen erniedrigt und gedemütigt, ertragen mit Widerwillen das aufgezwungene, bereiten sich aber vor auf Widereroberung und verbreiten von Geschlecht zu Geschlecht Hass und Rache. Warum nicht von nun ab mit Gerechtigkeit die Rechte und gerechten Aspirationen der Völker prüfen und abwägen?

Warum nicht mit frischem Mute einen direkten oder indirekten Meinungsaustausch herbeiführen zum Zwecke der Prüfung dieser Rechte oder Aspirationen, um so dem ungeheueren Kriege ein Ende zu bereiten, so wie man es auch tat in anderen ähnlichen Umständen?“ So schreibt Papst Benedikt XV. am 28. Juli 1915 in seinem Apostolischen Brief Allorché fummo chiamati an die Kriegstreiber und wirbt darum, den Frieden zu bewahren.

Leider hörten die beteiligten Kriegsparteien im Ersten Weltkrieg nicht auf den Ruf von Benedikt XV. (1914-1922) und so ging das „sinnlose Schlachten“, wie er es in seinem Friedensappel als Apostolisches Schreiben Dès le début vom 01. August 1917 genannt hatte, trotz des päpstlichen Appells vom Sommer 1915 noch über drei Jahre weiter. In dem genannten Dokument hat Benedikt XV. aber ein bedeutendes Prinzip des Heiligen Stuhls und seiner Diplomatie hinsichtlich der Völker und Nationen dargelegt. Es gründet einerseits in der geschichtlichen Erfahrung, daß Nationen nicht einfach untergehen, und anderseits auf einer ethisch-moralischen Betrachtung. Anstatt die Nationen zu demütigen, auch jene nicht, die im Krieg unterlegen waren, war es angezeigt, die friedlichen und gerechten Beziehungen wieder aufzurichten und zu einer gegenseitigen Zusammenarbeit zu kommen.

Dieses Prinzip hat den Heiligen Stuhl auch Deutschland gegenüber geleitet, vor allem nach den beiden Weltkonflikten des Ersten und des Zweiten Weltkrieges. In seinem Buch Deutschland und der Heilige Stuhl. Diplomatische Beziehungen 1920-1945 hat der Historiker Stefan Samerski insbesondere das Wirken des ersten Apostolischen Nuntius im Deutschen Reich, Eugenio Pacelli, dargelegt, der zuvor schon am 20. April 1917 von Papst Benedikt XV. zum Apostolischen Nuntius in München ernannt worden war und am 13. Mai von ihm zum Erzbischof geweiht wurde. Am 22. Juni 1920 wurde er dann zum Apostolischen Nuntius im Deutschen Reich ernannt und wurde Doyen des Diplomatischen Corps.

Die Aufnahme von diplomatischen Beziehungen zwischen Rom und Berlin ereignete sich in einer schweren internationalen Krisenzeit: In den Jahren nach dem Ersten Weltkrieg. Und gleich in den Anfangsjahren der Berliner Nuntiatur galt es, europäische Konflikte zu bewältigen und Deutschland einen neuen Platz in der Völkergemeinschaft zu verschaffen. Das Buch von Stefan Samerski arbeitet deutlich heraus, daß sich der Hl. Stuhl als verlässlicher und verdienstvoller Partner Deutschlands erwiesen hatte. Auch dank seiner internationalen diplomatischen Aktivität gelang es, manche Härten der Nachkriegszeit zu mildern und damit die junge Weimarer Republik zu stabilisieren. Man denke etwa an den Einsatz des Papstes zugunsten einer Milderung der Vertragsbedingungen von Versailles, der Ruhrkrise und des desaströsen Reparationsproblems. Der erste Nuntius, Eugenio Pacelli, der spätere Papst Pius XII., konnte in seinen 12 Jahren in Deutschland außerdem erreichen, dass das Verhältnis von Kirche und Staat auf nachhaltige und solide Beine gestellt wurde: Die von ihm ausgehandelten Konkordate mit den Ländern gelten noch heute! Pacelli hatte sich gewissermaßen in Deutschland die Sporen verdient für sein späteres Amt als Kardinalstaatssekretär und Papst. Den Nationalsozialismus hatte er in Deutschland nicht mehr kennen gelernt, wohl aber das andere totalitäre Regime: den Kommunismus. Berlin bot Nuntius Pacelli die Bühne für direkte Verhandlungen mit dem Roten Kreml und führenden Sowjetvertretern, um der Kirchenverfolgung in Russland Einhalt zu gebieten. Samerski arbeitet deutlich heraus, wie die päpstliche Diplomatie aus ihren Erfahrungen mit dem sowjetischen Totalitarismus Prinzipien entwickelte, die später auf andere totalitäre Regime angewandt wurden.

Erzbischof Cesare Orsenigo (1873-1946) war der zweite Apostolische Nuntius in Deutschland, wo er seine diplomatische Mission in den 15 Jahren von 1930 bis 1945 versah, bevor er am 01. April 1946 in Eichstätt starb. Diese Zeit wurde besonders durch den Nationalsozialismus und den Zweiten Weltkrieg geprägt. In diesem Zusammenhang hörte der Heilige Stuhl nicht damit auf, die Nationen zu achten, vor allem jene, die vom Dritten Reich besetzt worden waren, denn man war sich bewußt, sie würden nicht sterben, sondern nach der Zeit der Demütigung einen Tag der Befreiung und der Wiedererlangung ihrer verlorenen Souveränität erleben. Daher ist die Tatsache bezeichnend, daß der Heilige Stuhl sich der Aufforderung der Autoritäten des Naziregimes verweigerte, der Apostolische Nuntius in Berlin solle auch in den vom Dritten Reich besetzten Ländern die diplomatische Mission erfüllen.

Wir danken dem Autor für die umfassende Darstellung des Zeitraums von 1920 bis 1945. Wir warten auf noch weitere Studien über die dem Zweiten Weltkrieg nachfolgenden Perioden, in denen sich aufs Neue die Aktualität jenes Prinzips bewahrheitete, nach dem Heilige Stuhl handelt, was in jedem Fall durch das vorliegende Buch schon bestätigt wird. Die bilateralen diplomatischen Beziehungen zwischen Rom und Berlin erbrachten also gerade in ihren Anfängen beiden Seiten großen Gewinn. Sie stellten das gesamte Verhältnis von Deutschland und dem Heiligen Stuhl auf ein neues und solides Fundament, das bis heute von Freundschaft, Vertrauen und gegenseitiger Wertschätzung geprägt ist. Das bevorstehende Jubiläum im Juni 2020 – 100 Jahre deutsch-vatikanische Beziehungen – ist ein willkommenes Datum, sich an dieses Erfolgsmodell internationaler Außenpolitik zu erinnern.

Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.

Zurück