Grußwort von Nuntius Eterovic zum Festakt 100 Jahre Konkordat zwischen dem Heiligen Stuhl und dem Staat Bayern
München, 11. Juni 2024
Eminenz, sehr geehrter Herr Kardinal Marx!
Exzellenzen!
Verehrter Herr Ministerpräsident Söder,
sehr geehrte Damen und Herren!
Mit großem Dank schaut der Heilige Stuhl noch heute auf den Abschluss des Konkordats zwischen dem Heiligen Stuhl und dem Staat Bayern vor 100 Jahren, am 29. März 1924 zurück. Ich darf Ihnen zu diesem Anlass als sein Stellvertreter in der Bundesrepublik Deutschland die Grüße des Heiligen Vaters Papst Franziskus übermitteln, dessen kirchenpolitische und innerkirchliche Initiativen und Impulse stets das Wohl der 1,3 Milliarden Katholiken in der ganzen Welt in den Blick nimmt.
Die Bedeutung der zahlreichen Konkordate, die nach dem Ersten Weltkrieg in ganz Europa abgeschlossen worden sind, besteht vor allem darin, dass der Heilige Stuhl dazu beitrug, die politischen, wirtschaftlichen und moralischen Erschütterungen in der Bevölkerung aufzufangen. Zugleich hat der Heilige Stuhl die anstehenden Staatsumwälzungen in Europa infolge des Traumas des Ersten Weltkrieges begleitet und dazu beigetragen, dass die Kirche – auch in Deutschland – für Millionen von Katholiken trotz allem Heimat bleiben konnte und zum verlässlichen Partner der jungen demokratischen Staaten wurde. Auf diese Weise hat der Heilige Stuhl in vielen Staaten segensreich zur Konsolidierung des gesamt-gesellschaftlichen Zusammenhalts in den Jahren nach dem Großen Krieg beigetragen.
Längst werden auch die Konkordate des 20. Jahrhunderts neu bewertet. Sie sind und waren kein Instrument zu einer Privilegierung der katholischen Kirche in den jeweiligen Ländern. Vielmehr konnte die Kirche Normen setzen, die in der Folge paritätisch für andere Kirchen und Religionen gelten. Dazu zählte insbesondere die Garantie auf die freie Religionsausübung. Jede politische Initiative des Heiligen Stuhls in einem Gastland kommt auf diese Weise immer zugleich dem Wohl all seiner Bewohner zugute, und eben nicht nur des katholischen Bevölkerungsteils. Tatsächlich haben die Verhandlungen zu Konkordaten, sowohl in Bayern als auch in Preußen und in Baden dazu geführt, dass auch mit den evangelischen Landeskirchen vergleichbare Staatskirchen-verträge geschlossen wurden. Der Unterschied aber ist, dass der Heilige Stuhl ein Völkerrechtssubjekt ist, und daher Konkordate von besonderer rechtlicher Bedeutung sind.
Für das Bayerische Konkordat war es ein Glücksfall, dass in der Umbruchsphase von der Monarchie zur Republik kein geringerer als Eugenio Pacelli, der spätere Papst Pius XII., in München Nuntius war. Er hatte den teils sehr zähen Verhandlungsverlauf stets durch sein persönliches Engagement vorangetrieben und zum Abschluss geführt.
Gerne weise ich darauf hin, dass erst nach der Aufnahme der Verhandlungen Pacellis zum Bayernkonkordat Papst Benedikt XV. in seiner Allokution vom 21. November 1921 Konkordate in aller Welt empfahl, um die Freiheit der Kirche (Libertas Ecclesiae) zu bewahren und den Gläubigen die freie Religionsausübung zu gewährleisten.
Nach dem Ende der Monarchie in Deutschland war den Ländern die Kulturhoheit belassen worden. Nuntius Pacelli hatte die Initiative ergriffen, dieses Bayernkonkordat abzuschließen, das man mustergültig nennen kann. Denn das Bayerische Konkordat wurde gleichsam zum Schrittmacher für viele weitere Konkordate in und außerhalb von Europa.
Nach Abschluss des ersten Länderkonkordats in Deutschland war es naturgemäß das Interesse des Deutschen Reiches, in naher Zukunft eine Rechtseinheit zu schaffen. Der Heilige Stuhl weiß, dass angesichts der späteren Verhandlungen zum Preußenkonkordat, zum Badischen Konkordat und selbst zum Reichskonkordat von 1933 das Bayernkonkordat seinen besonderen historischen Stellenwert hat, und zwar auch für die Geschichte des Heiligen Stuhls.
Die Konkordatsverhandlungen liefen teilweise äußerst schleppend – wir werden darüber sicherlich gleich noch einiges hören. Bayern wollte nämlich an den staatlichen Einflussmöglichkeiten festhalten, welche die katholische Monarchie auf die Kirche ausübte. Dazu zählte beispielsweise die Ernennung der Bischöfe durch den Landesherrn. Aus Sicht der Kirche war dies bei einer katholischen Monarchie auch im 20. Jahrhundert noch vertretbar, jedoch nicht mehr bei einem demokratisch gewählten Ministerpräsidenten, der irgendwann vielleicht nicht mehr katholisch sein würde.
Hinter dieser Einstellung verbarg sich keine Ablehnung der Demokratie seitens des Heiligen Stuhls. Gerade Pacelli zeigte als Nuntius Verständnis für demokratische Entwicklungen. Der Heilige Stuhl lehnte aber unter dem Aspekt der Trennung von Kirche und Staat, wie sie die Weimarer Verfassung vorsah, die Ernennung von Bischöfen durch Reichs- oder Ministerpräsidenten als Einmischung in ihre inneren Angelegenheiten ab.
Am 29. März 1924 wurde das Bayerische Konkordat unterzeichnet und am 15. Januar 1925 vom Bayerischen Landtag ratifiziert. Es blieb bis 1966 unverändert.
Mein persönliches Interesse an der 2000-jährigen Geschichte von Kirche und Papsttum ist manchen von Ihnen sicherlich nicht verborgen geblieben. Deswegen freue ich mich über die folgenden Beiträge auch aus der Wissenschaft und ich wünsche uns allen einen würdigen und erkenntnisreichen Verlauf dieser Feierstunde.
Gleichwohl verfolge ich als Vertreter der Heiligen Vaters Papst Franziskus die in Deutschland geführte Diskussionen um die Staatsleistungen an die Kirchen aufmerksam. Der Heilige Stuhl hat auch die öffentliche Diskussion in Deutschland um die Kirchensteuer im Blick. Er weiß um die hohe Reputation der katholischen Kirche in Deutschland und weltweit und kennt deren Verdienste in den Bereichen von Bildung und Erziehung und der Caritas.
In diesem Sinne rufe ich Ihnen den altchristlichen Segensgruß zu: Pax et bonum. Frieden und Wohlergehen dem Freistaat Bayern und allen Menschen, die in diesem schönen Land leben.