Grußwort von Nuntius Eterovic zur Eröffnung der Herbstvollversammlung der Deutschen Bischofskonferenz

Fulda, 23. September 2019

„Mir ist alle Vollmacht gegeben im Himmel und auf der Erde. Darum geht und macht alle Völker zu meinen Jüngern; tauft sie auf den Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes und lehrt sie, alles zu befolgen, was ich euch geboten habe.Und siehe, ich bin mit euch alle Tage bis zum Ende der Welt“ (Mt 28,18-20).

Eminenzen, Exzellenzen, liebe Mitbrüder im bischöflichen Dienst!

Mit diesen Worten endet das Matthäusevangelium. Der auferstandene Herr gibt seinen Jüngern vor der Auffahrt in den Himmel und zur Rechten des Vaters den Auftrag, das Evangelium allen Geschöpfen zu verkünden. Es handelt sich hierbei um eine wichtige Entscheidung und ist gleichsam das Testament Jesu Christi, das auch die anderen Evangelisten mit ähnlichen Worten überliefern (vgl. Mk 16,15-17; Lk 24,46-47; Joh 20,19-23). Die christliche Urgemeinde hat die Worte Jesu so verstanden. Die Sendung des auferstandenen Herrn war der Anstoß zur Evangelisierung, die von Jerusalem aus die ganze Erde erfasst hat. Evangelisierung ist daher die für die Kirche durch alle Jahrhunderte hin charakteristische Tätigkeit, die bis zur Parusie dauern wird.

Diese Wahrheit wird in unseren Tagen durch den Heiligen Vater Franziskus von Beginn seines Pontifikates an bekräftigt. Im Apostolischen Schreiben Evangelii gaudium, das am 24. November 2013 veröffentlicht wurde, schreibt er: „Die Evangelisierung folgt dem Missionsauftrag Jesu: »Darum geht zu allen Völkern und macht alle Menschen zu meinen Jüngern; tauft sie auf den Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes, und lehrt sie, alles zu befolgen, was ich euch geboten habe« (Mt 28,19-20). In diesen Versen ist der Moment dargestellt, in dem der Auferstandene die Seinen aussendet, das Evangelium zu jeder Zeit und an allen Orten zu verkünden, so dass der Glaube an ihn sich bis an alle Enden der Erde ausbreite“ (EG 19). Diese Aufgabe der Universalkirche gilt auch für die Teilkirchen: „Jede Teilkirche ist als Teil der katholischen Kirche unter der Leitung ihres Bischofs ebenfalls zur missionarischen Neuausrichtung aufgerufen. Sie ist der wichtigste Träger der Evangelisierung, insofern sie der konkrete Ausdruck der einen Kirche an einem Ort der Welt ist und in ihr die eine, heilige, katholische und apostolische Kirche Christi wahrhaft wirkt und gegenwärtig ist“ (EG 30).

Schreiben des Heiligen Vaters

Am Hochfest der Apostel Petrus und Paulus, dem 29. Juni 2019, hat Papst Franziskus an diese Wahrheit erinnert und ein Schreiben an das pilgernde Volk Gottes in Deutschland gerichtet. In diesem Brief zitiert der Oberste Pontifex gut 15mal das Apostolische Schreiben Evangelii gaudium. Dies ist der Schlüssel für das Verständnis des Dokumentes.

Das Schreiben des Heiligen Vaters verdient besondere Aufmerksamkeit. Es ist tatsächlich das erste Mal nach der Enzyklika Pius‘ XI. Mit brennender Sorge, daß der Papst den Gliedern der Katholischen Kirche in Deutschland ein eigenes Schreiben widmet. Der Unterschied zwischen den beiden Dokumenten ist groß, denn die Enzyklika vom 14. März 1937 prangert die unzulässigen Eingriffe des nationalsozialistischen Regimes in die Angelegenheiten der Katholischen Kirche an, während das aktuelle Schreiben innerkirchliche Themen aufgreift. Wir danken Gott dafür, daß die Beziehungen zwischen der Kirche und der Bundesrepublik Deutschland sehr gut sind und daher kein Eingreifen seitens des Heiligen Stuhls nötig ist.

Der synodale Weg

Als Vertreter des Heiligen Vaters in Deutschland freue ich mich darüber, daß der Inhalt des päpstlichen Schreibens Gegenstand des Studientages während dieser Vollversammlung sein wird. Ich zweifle nicht, daß der Brief des Papstes den sogenannten synodalen Weg positiv beeinflussen wird, der einer der Gründe für den Brief des Bischofs von Rom war. So bezieht sich der Papst zu Beginn des Schreibens auf den synodalen Weg, der nach einer Entscheidung der deutschen Bischofskonferenz gemeinsam mit dem Zentralkomitee der deutschen Katholiken (ZdK) unternommen werden soll. Auch wenn man anerkennen muss, daß noch über die konkrete Bedeutung des synodalen Wegs diskutiert wird und darüber, wie er sich entwickeln wird, so stellt der Papst fest: „Es handelt sich im Kern um einen synodos, einen gemeinsamen Weg unter der Führung des Heiligen Geistes. Das aber bedeutet, sich gemeinsam auf den Weg zu begeben mit der ganzen Kirche unter dem Licht des Heiligen Geistes, unter seiner Führung und seinem Aufrütteln, um das Hinhören zu lernen und den immer neuen Horizont zu erkennen, den er uns schenken möchte. Denn die Synodalität setzt die Einwirkung des Heiligen Geistes voraus und bedarf ihrer“ (Nr. 3).

Beim Empfang der Bischöfe der Synode der ukrainischen griechisch-katholischen Kirche am 02. September 2019 hat der Heilige Vater Franziskus aus dem Stegreif eine Ansprache gehalten und den wichtigen Zusammenhang zwischen Synode, Synodalität und Heiligem Geist unterstrichen. Mit diesen Worten wird noch klarer sein Denken über die Bedeutung der Synodalität zum Ausdruck gebracht, vor allem, wenn er ausführt: „Es gibt aber eine Gefahr: zu glauben, heute, einen synodalen Weg zu machen oder eine Haltung von Synodalität zu haben würde bedeuten, eine Meinungsumfrage zu machen, was denkst du darüber, darüber, darüber, …. um dann zusammen zu kommen und einen Beschluss zu fassen. … Nein, die Synode ist kein Parlament! Man muss die Dinge beim Namen nennen und sie diskutieren, wie man es gewöhnlich tut, aber sie ist kein Parlament. Bei einer Synode einigt man sich nicht wie in der Politik: ich gebe dir das, du gibst mir jenes. Nein. Synode ist keine soziologische Erhebung, wie mancher glaubt: Wir schauen mal und lassen eine Gruppe von Laien eine Umfrage machen, ob wir das, das, das ändern müssen… Ihr müsst natürlich wissen, was eure Laien denken, aber das ist keine Befragung, es ist etwas Anderes. Wenn es den Heiligen Geist nicht gibt, gibt es keine Synode. Wenn der Heilige Geist nicht gegenwärtig ist, gibt es keine Synodalität. Mehr noch, es gibt keine Kirche, keine Identität von Kirche. Und was ist die Identität der Kirche? Der Heilige Paul VI. hat klar gesagt: Die Berufung der Kirche ist zu evangelisieren, mehr noch, ihre Identität ist es zu evangelisieren. Geht mit diesem Geist in eure Synode, mit dem Heiligen Geist. Bittet um den Geist. Streitet unter Euch über alles, was ihr wollt. … Denkt an Ephesus und wie sie gestritten haben. Aber sie waren aufrecht. … Und am Ende war es der Heilige Geist, der sie verkünden ließ: ‚Maria, Mutter Gottes‘. Das ist der wahre Weg. Es ist der Heilige Geist. Wir wollen keine kongregationalistische Kirche werden, sondern eine synodale Kirche“. Mit diesen Worten stellt der Bischof von Rom die Gottesfrage in den Mittelpunkt der synodalen Reflektionen. Es geht um den dreieinen Gott, der uns in seinem Eingeborenen Sohn die Wahrheit über Gott und den Menschen geoffenbart hat und alle, Männer und Frauen gleichermaßen, hinführen will zur allgemeinen Berufung zur Heiligkeit in der Kirche, wie das V. Kapitel der Dogmatischen Konstitution Lumen Gentium des Zweiten Vatikanischen Konzils lehrt.

Der Primat der Evangelisierung

Aus den Worten des Obersten Pontifex folgt klar und deutlich, daß die Finalität des synodalen Weges die Evangelisierung sein muss. Diese Vision wird besonders in den Nummern 6 und 7 des Päpstlichen Schreibens erarbeitet. Mit den Worten des Heiligen Vaters bedeutet das: „Pastorale Bekehrung ruft uns in Erinnerung, dass die Evangelisierung unser Leitkriterium schlechthin sein muss, unter dem wir alle Schritte erkennen können, die wir als kirchliche Gemeinschaft gerufen sind in Gang zu setzen; Evangelisieren bildet die eigentliche und wesentliche Sendung der Kirche“ (Nr. 6).

Für die Wirksamkeit der Evangelisierung ist die Einheit zwischen Universalkirche und Teilkirchen wesentlich. Es ist besonders in diesen Zeiten „starker Fragmentierung und Polarisierung sicherzustellen, dass der Sensus Ecclesiae auch tatsächlich in jeder Entscheidung lebt, die wir treffen, und der alle Ebenen nährt und durchdringt. Es geht um das Leben und das Empfinden mit der Kirche und in der Kirche, das uns in nicht wenigen Situationen auch Leiden in der Kirche und an der Kirche verursachen wird. Die Weltkirche lebt in und aus den Teilkirchen, so wie die Teilkirchen in und aus der Weltkirche leben und erblühen; falls sie von der Weltkirche getrennt wären, würden sie sich schwächen, verderben und sterben. Daraus ergibt sich die Notwendigkeit, die Gemeinschaft mit dem ganzen Leib der Kirche immer lebendig und wirksam zu erhalten. Das hilft uns, die Angst zu überwinden, die uns in uns selbst und in unseren Besonderheiten isoliert, damit wir demjenigen in die Augen schauen und zuhören oder damit wir auf Bedürfnisse verzichten können und so denjenigen zu begleiten vermögen, der am Straßenrand liegen geblieben ist“ (Nr. 9).

Mit dem Päpstlichen Schreiben will der Heilige Vater vor den immer gegenwärtigen Versuchungen einer erstickenden Weltlichkeit (vgl. Nr. 5 Anmerkung 13), eines neuen Pelagianismus (vgl. Nr. 5) und eines neuen Gnostizismus (vgl. Nr. 9) warnen. In den Worten des Heiligen Vaters kann man das Nachdenken über die Ermahnungen des Heiligen Paulus an die Römer heraushören: „Ich ermahne euch also, Brüder und Schwestern, kraft der Barmherzigkeit Gottes, eure Leiber als lebendiges, heiliges und Gott wohlgefälliges Opfer darzubringen - als euren geistigen Gottesdienst. Und gleicht euch nicht dieser Welt an, sondern lasst euch verwandeln durch die Erneuerung des Denkens, damit ihr prüfen und erkennen könnt, was der Wille Gottes ist: das Gute, Wohlgefällige und Vollkommene“ (Röm 12,1-2). Die Kirche ist auch in unseren Tagen gerufen, die Radikalität des Evangeliums, der guten Nachricht, dem Menschen von heute zu verkünden und in der Kraft des Heiligen Geistes die Weisung des Herrn Jesus vorzutragenn: „Wenn einer hinter mir hergehen will, verleugne er sich selbst, nehme sein Kreuz auf sich und folge mir nach“ (Mk 8,34). Der Heilige Vater erinnert uns daran, daß wir uns in Zeiten des Wandels befinden: „Wir sind uns alle bewusst, dass wir nicht nur in einer Zeit der Veränderungen leben, sondern vielmehr in einer Zeitenwende, die neue und alte Fragen aufwirft, angesichts derer eine Auseinandersetzung berechtigt und notwendig ist“ (Einleitung). Allerdings kann die in dieser Zeit geforderte Evangelisierung nicht auf das reduziert werden, was Dietrich Bonhoeffer (1906-1945) „billige Gnade“ nennt, sondern braucht, um in seinen Worten zu bleiben, die er durch sein heroisches Zeugnis beglaubigt hat, die Suche nach der „teuren Gnade“. Im Jahr 1937 zum Beispiel schrieb Bonhoeffer: „Billige Gnade ist der Todfeind unserer Kirche. Unser Kampf geht heute um die teure Gnade“ (Dietrich Bonhoeffer, Nachfolge, Kapitel 1). Mit Blick auf die Notwendigkeit der christlichen Botschaft stellt Papst Franziskus fest: „Voll Bewunderung steht man vor den Möglichkeiten, die der Herr eingesetzt hat, um mit seinem Volk ins Gespräch zu kommen, um sein Geheimnis allen zu offenbaren, um die Leute mit so erhabenen und so anspruchsvollen Lehren zu faszinieren“ (EG 141).

Die christliche Hoffnung

Wir kehren abschließend noch einmal zum Schreiben des Heiligen Vaters zurück und halten fest, daß der Papst dazu ermuntert, Mut zur christlichen Hoffnung zu haben, weil es notwendig ist, „den Primat der Evangelisierung zurückzugewinnen, um die Zukunft mit Vertrauen und Hoffnung in den Blick zu nehmen, denn die Kirche, Trägerin der Evangelisierung, beginnt damit, sich selbst zu evangelisieren. Als Gemeinschaft von Gläubigen, als Gemeinschaft gelebter und gepredigter Hoffnung, als Gemeinschaft brüderlicher Liebe muss die Kirche unablässig selbst vernehmen, was sie glauben muss, welches die Gründe ihrer Hoffnung sind und was das neue Gebot der Liebe ist“ (Nr. 7).

Der auferstandene Herr erfüllt die Herzen seiner Gläubigen auch inmitten von Schwierigkeiten und Verfolgungen mit Vertrauen. Er steht uns zur Seite und ist bereit, uns zu helfen, wenn wir ihn rufen: „In der Welt seid ihr in Bedrängnis; aber habt Mut: Ich habe die Welt besiegt“ (Joh 16,33). Das sind Worte dessen, der uns zusichert: „Und siehe, ich bin mit euch alle Tage bis zum Ende der Welt“ (Mt 28,20).

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