Predigt von Nuntius Eterovic am 1. Adventssonntag - Lesejahr A
Berlin, 1. Dezember 2019
(Jes 2,1-5; Psalm 122; Röm 13,11-14; Mt 24,37-44)
„Seid also wachsam! Denn ihr wisst nicht, an welchem Tag euer Herr kommt“ (Mt 24,42).
Liebe Brüder und Schwestern!
An diesem Sonntag beginnt die Zeit des Advents, die uns auf das Weihnachtsfest vorbereitet. An den vier Adventssonntagen lädt uns die Kirche zur geistlichen Vorbereitung ein, um bereit zu sein, dem allmächtigen Gott zu begegnen, der sich uns im hilflosen Jesuskind zeigen wird. Wir leben in einer Umwelt, die durch eine Mentalität des Konsums charakterisiert ist und vornehmlich die äußeren Aspekte des Weihnachtsfestes hervorhebt. Als Christen bewerten wir all das durchaus als positiv. Wir vergessen jedoch nicht, wie wichtig es ist, unseren Geist auf das Hochfest von Weihnachten und die Begegnung mit dem Immanuel, dem Gott mit uns, vorzubereiten, persönlich und in Gemeinschaft.
Mit dem Advent beginnt das neue Kirchenjahr. Die Kirche legt in diesem Lesejahr A vor allem das Evangelium des Heiligen Matthäus zur Betrachtung vor. Wir haben so die Gelegenheit, Jesus nach dem Zeugnis des Evangelisten Matthäus zu folgen und Schritt für Schritt seine Eigenheiten, seinen Stil und seine Prioritäten zu erfassen, die er in der Nachfolge Christi zeigt. Wir beginnen daher mit seiner Aufforderung zur Wachsamkeit (I). Sie erinnert gut an eine andere und ähnliche Forderung des Heiligen Paulus in der zweiten Lesung aus dem Römerbrief (II). Der Advent ist die Periode des Wartens, nicht allein für die Christen, sondern für alle Menschen guten Willens (III).
1. Die Wachsamkeit
Der Herr Jesus fordert seine Jünger auf zu wachen: „Seid also wachsam! Denn ihr wisst nicht, an welchem Tag euer Herr kommt“ (Mt 24,42). Die Gläubigen wissen, daß der auferstandene Jesus in Herrlichkeit kommen wird, um die Lebenden und die Toten zu richten, wie wir im Credo bekennen. Er hat oft von seinem Kommen gesprochen. Es genügt an seine Worte zum Endgericht zu erinnern: „Wenn der Menschensohn in seiner Herrlichkeit kommt und alle Engel mit ihm, dann wird er sich auf den Thron seiner Herrlichkeit setzen“ (Mt 25,31) und wird sodann beginnen, die Gerechten, die mit dem Bild der Schafe charakterisiert werden, von den Sündern, die als Böcke beschrieben werden, zu trennen.
Im heutigen Evangelium benutzt Jesus verschiedene Bilder, um zur Wachsamkeit zu ermahnen. Vor allem das erste Bild scheint mir aktuell. Es bezieht sich auf die sorglosen Menschen zu Zeiten des Noach, wo sie „aßen und tranken, heirateten und sich heiraten ließen …und nichts ahnten, bis die Flut hereinbrach und alle wegraffte“ (Mt 24,38-39). Diese Menschen hatten die Zeichen der Zeit nicht erkannt. Sie lebten oberflächlich und waren mit einer regelmäßigen Wiederkehr des Alltäglichen zufrieden. Leider leben auch heute viele auf ähnliche Weise. Die Konsumgesellschaft saugt den Menschen auf diese Weise auf und umhüllt in mit einer materiellen Welt, heute vor allem in der virtuellen Welt, die keinen Raum mehr für die Transzendenz übrig lässt und wo nicht vorgesehen ist, daß der Mensch, der nach dem Bild Gottes geschaffen wurde (vgl. Gen 1,27), danach trachtet, über den Sinn des Lebens, die geistlichen Inhalte und seine Begegnung mit Gott nachzudenken, was aber das einzige ist, das ihn wahrhaft glücklich machen kann. Daher ist der Advent, liebe Brüder und Schwestern, eine große Gelegenheit, diese Haltung zu ändern, um Zeit für uns, für unsere Familien zu finden, um sich selbst in der Hektik und im nicht seltenen Taumel unseres Lebensrhythmus wiederzufinden. Lasst uns daher Räume der Stille, der Sammlung und des Gebetes schaffen, damit wir den Ruf des Herrn zur Wachsamkeit aufnehmen können und uns so auf die Begegnung mit Ihm, der kommen wird, vorzubereiten.
2. Aufstehen
Der Heilige Paulus wiederholt die Aufforderung Jesu Christi in seinem Brief an die Römer: „Die Stunde ist gekommen, aufzustehen vom Schlaf“ (Röm 13,11). Grund zum Aufstehen ist die nahe Ankunft des Herrn, „denn jetzt ist das Heil uns näher als zu der Zeit, da wir gläubig wurden“ (Röm 13,11). Dieser Ausdruck könnte schlicht bedeuten, daß der Christ, der in jungen Jahren getauft worden ist, mit der Zeit altert und sich daher dem Tod und dem Gericht Gottes nähert. Der Völkerapostel zeigt klar auf, wie man sich als Jünger Jesu Christi zu verhalten hat. Er soll die Waffen des Lichts anlegen und die Werke der Finsternis ablegen (vgl. Röm 13,12). Die vom Heiligen Paulus vorgestellte Auflistung bleibt auch für uns heute aktuell: „Lasst uns ehrenhaft leben wie am Tag, ohne maßloses Essen und Trinken, ohne Unzucht und Ausschweifung, ohne Streit und Eifersucht!“ (Röm 13,13). Das können wir nur dadurch vollbringen, wenn wir uns mit dem Herrn Jesus bekleiden. Der Heilige Paulus fordert in der Konsequenz ein Werk der Verneinung: „Sorgt nicht so für euren Leib, dass die Begierden erwachen“, dem eine positive Wendung folgt: „Vielmehr zieht den Herrn Jesus Christus an“ (Röm 13,14).
Der Advent ist die bevorzugte Zeit, vom Schlaf aufzustehen, nicht vom physischen, sondern vom spirituellen. Sich mit dem Herrn Jesus bekleiden bedeutet, dem Heiligen Geist, den wir in den Sakramenten von Taufe und Firmung empfangen haben, zu ermöglichen, in unseren Herz das Feuer zu entfachen, das uns zu überzeugten Christen und zu eifrigen Verkündern der guten Nachricht macht, nicht so sehr durch Worte, als vielmehr mit dem Beispiel eines Lebens, das dem Lob Gottes und dem Dienst am Nächsten geweiht ist, vor allem an denen, die unserer geistlichen und materiellen Hilfe bedürfen.
3. Das Warten
Der Advent ist die Zeit des Wartens par excellence. In dieser Zeit erleben wir nach, wie das erwählte Volk Israel gewartet hat. Seine ganze Geschichte ist ausgerichtet auf das Kommen des Messias, den der Prophet Jesaja ankündigt als: „Wunderbarer Ratgeber, Starker Gott, Vater in Ewigkeit, Fürst des Friedens“ (Jes 9,5). Für uns Christen ist diese Verheißung mit dem Christusereignis Wirklichkeit geworden.
In der ersten Lesung, die auch aus dem Buch des Propheten Jesaja entnommen ist, haben wir eine universale Botschaft gehört, die alle Völker betrifft: „Am Ende der Tage wird es geschehen: Der Berg des Hauses des HERRN steht fest gegründet als höchster der Berge; er überragt alle Hügel. Zu ihm strömen alle Nationen“ (Jes 2,2). Der Prophet fährt in diesem universalen Horizont fort: „Viele Völker gehen und sagen: Auf, wir ziehen hinauf zum Berg des HERRN und zum Haus des Gottes Jakobs. Er unterweise uns in seinen Wegen, auf seinen Pfaden wollen wir gehen“ (Jes 2,3). Die Weisung, die von Zion kommt, und das Wort aus Jerusalem (vgl. Jes 2,3) zeigen die Offenbarung an, die Gott vorher Israel und sodann der Kirche anvertraut hat, damit sie sich über die ganze Welt verbreite.
Für uns Christen ist Jesus Christus der Tempel von Jerusalem. Er ist die Fülle der Offenbarung Gottes, wodurch wir wissen, Gott will, „daß alle Menschen gerettet werden und zur Erkenntnis der Wahrheit gelangen“ (1 Tim 2,4). Von daher hat die Kirche einen drängenden Missionsauftrag: das Evangelium Jesu Christi allen zu verkünden, die Ihn noch nicht kennen oder nicht gut kennen. Bei diesem Werk der Evangelisierung ist von größter Bedeutung das Warten der Menschen und Völker auf einen Erlöser, was in verschiedenen Religionen und Kulturen der Fall ist, wie es mündliche Überlieferungen, Schriften oder Malereien bezeugen. Danken wir Gott für dieses Bedürfnis, daß er in das Herz eines jeden Menschen eingepflanzt hat. Bemühen wir uns, daß es durch die missionarische Tätigkeit der Kirche Christi in der Begegnung mit dem Herrn Jesus vollkommen verwirklicht werden kann.
Die selige Jungfrau Maria ist eine der Personen, der wir unausweichlich auf dem Weg des Advents begegnen. Durch das Wirken des Heiligen Geistes wird die Mutter Jesu auch zur Mutter der Kirche. Vertrauen wir unsere Reflexionen ihrer machtvollen Fürsprache an, damit wir durch die vier Sonntage des Advents persönlich und als Glieder der kirchlichen Gemeinschaft gut vorbereitet werden auf das Hohe Weihnachtsfest, indem wir die Aufforderung Jesu umsetzen: „Seid also wachsam! Denn ihr wisst nicht, an welchem Tag euer Herr kommt“ (Mt 24,42). Amen.