Predigt von Nuntius Eterovic am 1. Fastensonntag

Apostolische Nuntiatur, 18. Februar 2024

(Gen 9,8-15; Ps 25; 1 Petr 3,18-22; Mk 1,12-15)

„Kehrt um und glaubt an das Evangelium“ (Mk 1,15).

Liebe Schwestern und Brüder!

Vergangenen Mittwoch haben wir die Fastenzeit begonnen, jenen Zeitraum der 40 Tage als Vorbereitung auf das Hohe Osterfest, dem Geheimnis von Leiden, vom Tod und der Auferstehung unseres Herrn Jesus Christus. Im Abschnitt des Matthäusevangeliums, das am Aschermittwoch verkündet worden ist, nennt der Herr Jesus drei konkrete Weisen, die Gnadenzeit zu leben: das Almosengeben, das Gebet und das Fasten (vgl. Mt 6,1-6; 16-18). Das Evangelium am heutigen ersten Fastensonntag fordert dazu auf, sich auf die zentrale Botschaft unseres Glaubens zu konzentrieren. Sie wird mit jenen ersten Worten ausgedrückt, die Jesus nach dem Evangelisten Markus zu Beginn seines öffentlichen Wirkens spricht: „Die Zeit ist erfüllt, das Reich Gottes ist nahe. Kehrt um und glaubt an das Evangelium“ (Mk 1,15). Öffnen wir uns der Gnade des Heiligen Geistes, um gut zu verstehen, was Gott in dieser Zeit des Heiles von uns erwartet. Wir wollen dies über die Botschaft tun, die uns durch das Wort Gottes gegeben ist. Wir sind zunächst aufgefordert, den Sinn der Wüste zu bedenken (I); und werden sodann zur Umkehr und zum Glauben an das Evangelium Jesu Christi gerufen (II). Auch der Heilige Vater Franziskus ermahnt uns, die Fastenzeit dieses Jahres gut zu nutzen (III).

1. „Der Geist trieb Jesus in die Wüste“ (Mk 1,12).

Nach seiner Taufe im Jordanfluss „trieb der Geist Jesus sogleich in die Wüste“ (Mk 1,12). Daher ist die Wüstenerfahrung Jesu keine aus spontaner Improvisation, sondern gehört zur göttlichen Vorsehung. Und der Heilige Geist führte Jesus in die Wüste, der dort „vierzig Tage ... blieb und vom Satan in Versuchung geführt wurde“. Und der Heilige Geist begleitete ihn auch bei den Versuchungen des teuflischen Feindes (Mk 1,12-13). Aus diesem Grund wurde Jesus vom Heiligen Geist in die Wüste geführt, um den Willen Gottes, des Vaters zu erfüllen. Die Wüste ist ein abgeschiedener und unwirtlicher Ort, wo Jesus Zeit hat, sich den grundlegenden Dingen zu weihen, dem Gebet, der Reflexion und der Vorbereitung auf seine kommende Mission. Als Mensch braucht auch Jesus eine gute Vorbereitung, bevor er sein öffentliches Leben beginnt. Nach dem Bericht des Markusevangeliums besteht diese Vorbereitung im geistlichen Kampf gegen die Mächte des Bösen. Hierfür steht nicht nur der Satan selbst, sondern sie werden auch durch die „wilden Tiere“ symbolisiert (Mk 1,13). Doch bei diesem geistlichen Kampf erhält Jesu göttliche Unterstützung durch die Engel, denn „die Engel dienten ihm“ (Mk 1,13).

Liebe Brüder und Schwestern, auch wir Christen haben die Erneuerung in dieser Fastenzeit nötig, die uns symbolisch in die Wüste führt, was meint, Zeiten der Stille, der Meditation, des persönlichen und gemeinschaftlichen Gebetes zu finden, was dem Heiligen Geist ermöglicht, tiefer in unser Leben vorzudringen, um es zu verwandeln, das heißt immer mehr das zu werden, wozu wir als Kinder Gottes gerufen sind, nämlich authentische Zeugen Jesu Christi und eifrige Verkünder seines Evangeliums zu sein. Wir alle brauchen diese starke geistliche Erfahrung im Schoß der Kirche, um einerseits den Mächten des Bösen widerstehen zu können, den Versuchungen in jedem von uns, die der heilige Johannes als „die Begierde des Fleisches, die Begierde der Augen und das Prahlen mit dem Besitz“ (1 Joh 2,16) beschreibt. Andererseits müssen wir gegen das Böse in jener Welt kämpfen, in der wir leben. Es genügt, an die vielen Kriege, an die Raserei von Hass und Gewalt, an die Ungerechtigkeiten, die Intoleranz und die leicht entflammbaren Aggressionen zu erinnern. Deswegen folgen wir dem Beispiel Jesu, der in der Wüste versucht worden ist, und nutzen diese Fastenzeit, uns geistlich zu stärken, um auf der Seite Gottes gegen den Teufel und seine Versuchungen, wie auch gegen jede Form des Bösen in der Welt zu kämpfen.

2. „Kehrt um und glaubt an das Evangelium“ (Mk 1,15).

Nachdem Jesus die besondere Erfahrung der Nähe zum himmlischen Vater geistlich durchlebt hatte, beginnt er in der Liebe des Heiligen Geistes seine Mission in einer besonders tragischen Zeit des Lebens im Heiligen Land, die durch die Verhaftung Johannes des Täufers charakterisiert ist. König Herodes Antipas, der Tetrarch von Galiläa und Peräa vom 4. Jahr vor Christus bis 39 nach Christus, schreckte nicht davor zurück, den Vorläufer Johannes umzubringen. Die Botschaft des Herrn Jesus ist wesentlich und immer aktuell, denn er stellt fest: „Die Zeit ist erfüllt, das Reich Gottes ist nahe“ (Mk 1,15). Denn in der Person Jesu ist jetzt der von den Propheten angekündigte und vom Volk erwartete Messias gekommen; und mit ihm hat sich das Reich Gottes den Menschen genähert. Dem Aufruf Gottes, dass die Zeit erfüllt ist, folgt sodann: „Kehrt um und glaubt an das Evangelium“ (Mk 1,15).

Liebe Schwestern und Brüder, diese Botschaft Jesu gilt zu allen Zeiten und für alle Menschen und Völker. Auch wir müssen uns bewusst sein, dass im Herrn Jesus die Geschichte ihren Höhepunkt erreicht hat; Gott gibt keine weitere Offenbarung mehr außerhalb dessen, was er in Seinem Eingeborenen Sohn Jesus Christus offenbart hat. Die Zeit, die Gott uns gegeben hat, ist kurz und vergeht schnell. Jeder ist dafür verantwortlich und dazu aufgerufen, sie gut zu nutzen. Das können wir dem Aufruf Jesu entnehmen, uns zu bekehren und dem Evangelium zu glauben, das eine gute Nachricht auch für die Zeitgenossen und die heutige Welt ist. Durch die Menschen, vor allem durch die Christen, soll sie ein besserer Ort werden, von der Logik der Macht, von Gewalt und Krieg befreit. Dies kann durch Dialog und Verständigung geschehen, was Kompromisse einschließt, um die Konflikte zu lösen und den Frieden und die Gerechtigkeit in dieser Welt aufzurichten. Dabei handelt es sich nicht um eine Utopie. Es genügt, ganz konkret damit zu beginnen, in gutem Glauben das Internationale Recht zu respektieren, das in vielerlei Hinsicht von einer Zivilisation mit christlichen Werten geprägt ist. Vor allem nach den Tragödien zweier Weltkriege wurde es verabschiedet, um diese und ähnliche Desaster zu verhindern. Wir greifen darum den Ruf Jesu auf und erlauben dem Heiligen Geist, uns dabei zu helfen, umzukehren und ehrlichen Herzens dem Evangelium des Herrn Jesus zu glauben. Man kann das Evangelium auf das erste Gebot der Liebe zu Gott und zum Nächsten zuspitzen (vgl. Mk 12,29-31), das wir im Geist der Seligpreisungen leben sollen (vgl. Mt 5,3-23; Lk 6,20-26).

3. „Durch die Wüste führt Gott uns zur Freiheit“.

Mit diesen Worten ist die Botschaft des Heiligen Vaters Franziskus für die Fastenzeit 2024 überschrieben. Darin beschreibt der Papst unter anderem die Fastenzeit als „Zeit der Gnade, in der die Wüste wieder – wie der Prophet Hosea verkündet – zum Ort der ersten Liebe wird (vgl. Hos 2,16-17). Gott erzieht sein Volk, damit es aus seiner Versklavung herauskommt und den Übergang vom Tod zum Leben erfährt. Wie ein Bräutigam zieht er uns wieder neu an sich und flüstert uns Worte der Liebe ins Herz“. Der Bischof von Rom bemerkt, dass es in unserem Herzen einen Kampf zwischen Knechtschaft und Freiheit gibt: „Wenn auch mit der Taufe unsere Befreiung begonnen hat, so bleibt in uns doch ein unerklärliches Heimweh nach der Sklaverei. Es ist wie ein Angezogensein von der Sicherheit des bereits Gesehenen, zu Lasten der Freiheit“. Der Papst unterstreicht nachdrücklich die Initiative Gottes, der die Last der Menschen sieht, sich berühren lässt und eingreift, um sein Volk aus der Knechtschaft Ägyptens zu befreien. Daher ermahnt uns der Heilige Vater: „Gott ist unserer nicht überdrüssig. Nehmen wir die Fastenzeit an als kraftvolle Gnadenzeit, in der sein Wort wieder neu an uns ergeht: »Ich bin der Herr, dein Gott, der dich aus dem Land Ägypten geführt hat, aus dem Sklavenhaus« (Ex 20,2). Es ist eine Zeit der Umkehr, eine Zeit der Freiheit. Jesus selbst wurde vom Geist in die Wüste getrieben, um in seiner Freiheit auf die Probe gestellt zu werden, wie wir uns jedes Jahr am ersten Sonntag der Fastenzeit in Erinnerung rufen. Vierzig Tage lang wird er vor uns und bei uns sein: Er ist der menschgewordene Sohn. Anders als der Pharao will Gott keine Untergebenen, sondern Söhne und Töchter. Die Wüste ist der Raum, in dem unsere Freiheit zu einer persönlichen Entscheidung heranreifen kann, nicht wieder in die Sklaverei zu verfallen. In der Fastenzeit finden wir neue Urteilskriterien und eine Gemeinschaft, mit der wir uns auf einen noch nie zuvor beschrittenen Weg begeben können“.

Liebe Brüder und Schwestern, wir sind geistlich mit Papst Franziskus vereint und vertrauen diese Überlegungen der mächtigen Fürsprache der seligen Jungfrau Maria an, der Zuflucht der Sünder, damit sie von ihrem Sohn und Gott Jesus Christus die Gnade erflehe, seinem Ruf mit offenem Herzen zu antworten: „Die Zeit ist erfüllt, das Reich Gottes ist nahe. Kehrt um und glaubt an das Evangelium“ (Mk 1,15). Amen.

 

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