Predigt von Nuntius Eterovic am 11. Sonntag im Jahreskreis

Apostolische Nuntiatur, 14. Juni 2020

(Ex 19,2-6; Ps 100; Röm 5,6-11; Mt 9,36-10,8)

„Die Ernte ist groß, aber es gibt nur wenig Arbeiter. Bittet also den Herrn der Ernte, Arbeiter für seine Ernte auszusenden!“ (Mt 9,37-38).

Liebe Schwestern und Brüder!

Diese Worte des Herrn Jesus betreffen alle Christen. Sie wurden vor 2.000 Jahren ausgesprochen und behalten auch heute noch ihre Aktualität. Es genügt, auf einige grundlegende Statistiken zu verweisen. Auf der ganzen Welt beträgt der Anteil der Christen an der Gesamtbevölkerung nur 32 Prozent. In Europa, wo der christliche Glaube tiefe Wurzeln hat, sind es 60 Prozent der Einwohner. Wir müssen daher das Wort Gottes bedenken, um zu erfüllen, was der Herr will: eine neue missionarische Dynamik. Es tröstet uns zu wissen, daß die Missionsbewegung vom Mitgefühl Gottes begleitet wird (I). Gott braucht bei diesem Werk die Mithilfe der Apostel (II), wie auch die aller Christen (III). Öffnen wir uns für die Gnade des Heiligen Geistes und bedenken wir gemeinsam diese Botschaft des Lebens.

1. „Als Jesus die vielen Menschen sah, hatte er Mitleid mit ihnen“ (Mt 9,36).

Der Evangelist Matthäus überliefert diese Haltung Jesu, der die Menschen und die geistlichen Umstände, unter denen sie lebten, gut kannte. Die erwähnten Worte folgen nämlich der Beschreibung des Wirkens Jesu, denn er „zog durch alle Städte und Dörfer, lehrte in ihren Synagogen, verkündete das Evangelium vom Reich und heilte alle Krankheiten und Leiden“ (Mt 9,35). Der Herr Jesus konnte persönlich den Zustand der Verlassenheit der Mitglieder seines Volkes erleben, „denn sie waren müde und erschöpft wie Schafe, die keinen Hirten haben“ (Mt 9,36). Dieser Umstand erzeugt das herzliche Mitleid Jesu, des guten Hirten (vgl. Joh 10,4). Hieraus folgt sodann das Wirken zum Wandel der Dinge. Diesbezüglich ist zu betonen, daß Jesus die Initiative ergreift, wie es schon JHWH tat, als er Israel den Bundesschluss angeboten hat. Israel war ein kleines Volk, das mit der Erwählung durch Gott zu großer Bedeutung gelangte. Seine Größe in der Religionsgeschichte der Nationen erfasst man in der Verheißung von JHWH: „Jetzt aber, wenn ihr auf meine Stimme hört und meinen Bund haltet, werdet ihr unter allen Völkern mein besonderes Eigentum sein. Mir gehört die ganze Erde“ (Ex 19,5). Der Bund, der die Verpflichtung zur Treue einfordert, ist ein Geschenk Gottes. Gott hat Israel unter allen Völkern der Erde erwählt und Israel ist gehalten, den Bund zu bewahren, indem es beständig auf die Stimme Gottes hört. Die Erwählung bringt auch eine Weihe mit sich, durch die Israel „ein Königreich von Priestern und ein heiliges Volk“ wird (Ex 19,6).

2. Jesus erwählt die zwölf Apostel

Aus dem mitfühlenden Herz Jesu erwächst sein Tun. Jesus ermuntert nicht allein zum Gebet, sondern Er selbst wählt zwölf Apostel aus, belehrt sie und schickt sie aus in die Mission. Das Wort Apostel (απόστολος) bedeutet Gesandter oder Sendbote. Jesus vertraut ihnen sodann die Botschaft an, die sie verkündigen sollen: „Geht und verkündet: Das Himmelreich ist nahe!“ (Mt 10,7). Ihre Glaubwürdigkeit wächst durch die Zeichen, die ihre Verkündigung begleiten, nämlich durch die Heilung von Kranken, die Reinigung der Aussätzigen, Auferweckung von Toten und das Austreiben der Dämonen (vgl. Mt 10,8). Es ist bezeichnend, dass Jesus in dem kurzen Text zweimal die Heilung im leiblichen und geistlichen Sinn unterstreicht, das heißt die Austreibung der unreinen Geistes, der Dämonen, um deren Bedeutung anzuzeigen. Dass die Grenzen der Mission, die den Gliedern des erwählten Volkes vorbehalten war, nicht überschritten wurden, überrascht nicht. So wirkten Jesus und auch die Apostel zunächst in Israel, um dort die Verkündigung des Evangeliums zu verwurzeln. Doch nach der Auferstehung weitet der Herr diese Mission auf alle Völker aus, auf alle Nationen (vgl. Mt 28,19). Wie die geistlichen Gaben von Gott umsonst geschenkt werden, so sollen sie den anderen umsonst gegeben werden. Aus diesem Grund gebietet Jesus: „Umsonst habt ihr empfangen, umsonst sollt ihr geben“ (Mt 10,8).

3. Wir sind alle gerufen

Das Zweite Vatikanische Konzil hat die Lehre verstärkt: „Die pilgernde Kirche ist ihrem Wesen nach missionarisch“ (AG 2). In dieser kirchlichen Gemeinschaft hat jeder Christ seinen Platz, jeder Getaufte wird ein Missionar. Der Heilige Vater Franziskus unterstreicht: „Es ist ein Auftrag, der uns direkt angeht: Ich bin immer eine Mission; du bist immer eine Mission; jede Getaufte und jeder Getaufte ist eine Mission. Wer liebt, setzt sich in Bewegung, es treibt ihn von sich selbst hinaus, er wird angezogen und zieht an, er schenkt sich dem anderen und knüpft Beziehungen, die Leben spenden. Niemand ist unnütz und unbedeutend für die Liebe Gottes. Jeder von uns ist eine Mission in der Welt, weil er Frucht der Liebe Gottes ist“ (Botschaft zum Sonntag der Weltmission 2019). Der Herr Jesus zeigt uns, wie wir missionarisch sein sollen. In erster Linie soll der Christ ein Zeuge Jesu Christi in seinem persönlichen, familiären und sozialen Umfeld sein. Indem er eine Aussage von Benedikt XVI. aufgreift, wiederholt Papst Franziskus oft: „Die Kirche wächst nicht durch Proselytismus, sondern durch Anziehung“ (EG 14). Dies ist wesentlich, dass das christliche Zeugnis authentisch auf andere anziehend wirkt und sie in die Nähe Jesu Christi bringt. Im missionarischen Wirken jedes Christen ist das Gebet sodann von vitaler Bedeutung. Jesus selbst ermuntert uns, nachdem er festgestellt hatte: „Die Ernste ist groß, aber es gibt nur wenig Arbeiter“, zum Gebet: „Bittet also den Herrn der Ernte, Arbeiter für seine Ernte auszusenden!“ (Mt 9,37-38). Die ursprüngliche Mission entspringt dem mitfühlenden Herzen Gottes. Auch die Missionsergebnisse gehören dem Vater. Deswegen lädt uns Jesus dazu ein, den Herrn der Ernte zu bitten, welcher der Vater ist, damit er Arbeiter in Seine Ernte aussende. Die Initiative liegt bei Gott: er schickt uns in die Mission, aber auch das Ergebnis der Mission gehört Ihm, weil es sich um Seine Ernte handelt, bei der wir lediglich unnütze Knechte sind, die ihre Pflicht getan haben (vgl. Lk 17.10).

Die Christen sind darüber hinaus angehalten, die Missionen auch finanziell zu unterstützen. Auf diese Weise nehmen sich nicht nur teil am Aufbau von Kirchengebäuden, dies vor allem in den Ländern der ersten Evangelisierung, sondern sie unterstützen auch die ganzheitliche Förderung von Menschen. Missionarisches Wirken besteht in der Verkündigung des Evangeliums, der guten Nachricht, die immer begleitet wird von Werken der Förderung, so in Schulen, Apotheken, Krankenhäusern, Leprastationen. Auf diese Weise setzt die Kirche fort, den Auftrag des Herrn Jesus zu erfüllen, vor allem im Heilen der Kranken und unter Lepra Leidenden (vgl. Mt 10,1).

Inmitten der Christen wählt der Herr Menschen aus, die gerufen sind, in besonderer Weise das Werk der zwölf Apostel fortzuführen. Die Bischöfe sind Nachfolger der Apostel, wie auch die Priester, die Mitarbeiter der Bischöfe im Missionswerk der Kirche. Allein sie können die Eucharistie feiern und das Sakrament der Versöhnung spenden, wodurch auch heute noch Dämonen ausgetrieben, jene unreinen Geister (vgl. Mt 10,1), und die Männer und Frauen freie Söhne und Töchter Gottes werden.

Auf die Fürsprache der seligen Jungfrau Maria, der Mutter der Missionen, bitten wir den dreieinen Gott, seiner Kirche zahlreiche heilige Missionspriester zu schenken, die in der Lage sind, die vielen Christen in den zahlreichen Aufgaben und in ihren unterschiedlichen Charismen zu einem erneuerten Missionswerk zu führen, das unsere Kirche so sehr nötig hat. Der Wille Gottes bleibt für alle Zeit gültig. Erlauben wir Ihm, ihn durch unsere großherzige Antwort in die Tat umzusetzen, damit sich heute mehr noch als gestern seine Heilsworte erfüllen: „Die Ernste ist groß, aber es gibt nur wenig Arbeiter. Bittet also den Herrn der Ernte, Arbeiter in seine Ernte auszusenden!“ (Mt 9,37-38).

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