Predigt von Nuntius Eterovic am 12. Sonntag im Jahreskreis

Apostolische Nuntiatur, 25. Juni 2023

(Jer 20,10-13; Ps 69; Röm 5,12-15; Mt 10,26-33)

„Fürchtet euch nicht“ (Mt 10,28).

Liebe Schwestern und Brüder!

Die Botschaft des Wortes Gottes an diesem 12. Sonntag im Jahreskreis lässt sich mit der Ermutigung des Herrn Jesus zusammenfassen: „Fürchtet euch nicht“ (Mt 10,28). Es ist bezeichnend, dass in dem kurzen Evangelientext diese Ermunterung „fürchtet euch nicht“ dreimal vorkommt (Mt 10,26.28a.31) und einmal als Ermahnung „fürchtet euch vor“ (Mt 10,28b). Auch die erste Lesung aus dem Buch des Propheten Jeremia durchzieht die Furcht, mehr noch ein Grauen, das man im Vertrauen auf Gott besiegt (I). Das Evangelium berichtet anhand klarer Beispiele, dass sich der Gläubige vor Gott nicht fürchten soll (II). Die Ermunterung, sich nicht zu fürchten und keine Angst zu haben, ist auch in der Kirche unserer Tage sehr aktuell (III).

1. „Der Herr steht mir bei“ (Jer 20,11).

Die erste Lesung beschreibt die Erfahrung des Propheten Jeremia, der aufgrund göttlicher Inspiration dem erwählten Volk die Wahrheit zu verkünden hat, was nicht immer angenehm war. Zuweilen tadelt er deutlich das Verhalten der Leute und stößt Drohungen aus, um die Menschen aufzurütteln, damit sie sich bekehren und ihr Leben ändern. Das bedeutet auch die Abkehr von manchen Götzen und die Rückkehr zum wahren Gott, der sein Volk aus der Knechtschaft in Ägypten befreit hat und der es auch jetzt aus neuer Abhängigkeit und Sklaverei befreien will. Die Leute reagieren auf die Predigt des Jeremia feindselig, auch von Seiten falscher Freunde, die eigentlich dem Propheten nahe zu sein schienen, doch nur darauf warteten, dass er zu Fall kommt (vgl. Jer 20,10). Trotz diesem feindseligen Umfeld spürt Jeremia die Nähe Gottes, der ihm Hoffnung und Trost gibt: „Doch der Herr steht mir bei wie ein gewaltiger Held. Darum straucheln meine Verfolger und können mich nicht überwältigen. Sie werden schmählich zuschanden, da sie nichts erreichen, in ewiger, unvergesslicher Schmach“ (Jer 20,11). Der Prophet hat seine Sache in die Hände Gottes gelegt und vertraut ihm das Urteil über seine Feinde an (vgl. Jer 20,12).

2. „Fürchtet euch nicht“ (Mt 20,26).

Das griechische Wort für fürchten - φοβέω – findet sich 95mal im Neuen Testament und davon 58mal in den Evangelien. Wir bleiben bei dessen Bedeutung im heutigen Evangelium nach Matthäus. Der Herr ermahnt die Seinen, sich nicht zu fürchten vor den Verleumdungen, die über sie verbreitet werden, und verheißt, dass die Zeit kommt, wo sie offengelegt werden: „Denn nichts ist verhüllt, was nicht enthüllt wird, und nichts ist verborgen, was nicht bekannt wird“ (Mt 10,26). Deswegen soll der Jünger den Mut haben, öffentlich und furchtlos das Evangelium zu verkünden: „Was ich euch im Dunkeln sage, davon redet im Licht, und was man euch ins Ohr flüstert, das verkündet auf den Dächern“ (Mt 10,27). Außerdem soll sich ein Christ nicht vor denen fürchten, die ihm physisches Leid zufügen können oder Folter verschiedener Art, ja sogar Tod und Martyrium zu bringen vermögen. Denn im Gegensatz dazu soll man allein Gott fürchten, „der Seele und Leib in der Hölle verderben kann“ (Mt 10,28).

In diesem Zusammenhang muss man sich der Milde Gottes zum Menschen bewußt bleiben, der mehr gilt, als die Vögel am Himmel, die gleichfalls seinen Schutz genießen: „Fürchtet euch also nicht! Ihr seid mehr wert als viele Spatzen“ (Mt 10,31). Gott kennt den Menschen bis zum Innersten: „Bei euch aber sind sogar die Haare auf dem Kopf alle gezählt“ (Mt 10,30). Dieses Wissen ist auf das Wohl des Menschen gerichtet, der Vertrauen in Gott hat und zu seinem Zeugen in dem Umfeld wird, in dem er lebt und arbeitet. Der Herr hat verheißen: „Jeder, der sich vor den Menschen zu mir bekennt, zu dem werde auch ich mich vor meinem Vater im Himmel bekennen“ (Mt 10,32). Es gibt aber auch die Möglichkeit, sich gegen den Ruf Gottes zu wenden und sogar gegen Gott und gegen die Christen, Seine Zeugen, zu kämpfen. Für diese Personen hat der Herr Jesus Worte des Gerichts und der Verdammnis: „Wer mich aber vor den Menschen verleugnet, den werde auch ich vor meinem Vater im Himmel verleugnen“ (Mt 10,33).

3. „Fürchtet euch nicht – Habt keine Angst“ (Mt 10,28).

„Denn lebendig ist das Wort Gottes, wirksam und schärfer als jedes zweischneidige Schwert“ (Hebr 4,12). Das gilt auch für die Aufforderung des Herrn Jesus: „Habt keine Angst“ (Mt 10,28). Das Wort, das mit Glaube und in der Kraft des Heiligen Geistes gesprochen worden ist, dieses Wort wird zur verwandelnden Kraft der Kirche und der Welt. Das haben wir im Lauf des Pontifikates des heiligen Papstes Johannes Paul II. erfahren. Am Beginn seines Dienstes als Hirte der Universalkirche sagte er folgende Worte, die sich in die Herzen von Gläubigen und Menschen guten Willens eingeprägt haben: „Habt keine Angst! Öffnet, ja reißt die Tore weit auf für Christus! Öffnet die Grenzen der Staaten, die wirtschaftlichen und politischen Systeme, die weiten Bereiche der Kultur, der Zivilisation und des Fortschritts seiner rettenden Macht! Habt keine Angst! Christus weiß, was im Innern des Menschen ist. Er allein weiß es“ (Predigt, 22. Oktober 1978).

Sein Nachfolger, Papst Benedikt XVI., hat die Christen aufgerufen: „Betet für mich, daß ich seine Herde – Euch, die heilige Kirche, jeden einzelnen und alle zusammen immer mehr lieben lerne“ (Predigt, 24. April 2005). Im Bewußtsein, dass auch ihm wie dem Meister Jesus feindselige Menschen entgegentreten werden, fügte der Papst hinzu: „Betet für mich, daß ich nicht furchtsam vor den Wölfen fliehe“ (ebd.).

Mit Bezug auf die Ermunterung des Herrn: „Habt Vertrauen, ich bin es; fürchtet euch nicht“ (Mt 14,27) sagte der Heilige Vater Franziskus: „Wir sind vielmehr aufgerufen, die Angst zu überwinden, um uns der Begegnung zu öffnen. Und um dies zu tun, reichen rationale Rechtfertigungen oder statistische Kalkulationen nicht aus. Angesichts des Roten Meeres und mit einem bedrohlichen Feind im Rücken sagt Mose zum Volk: »Fürchtet euch nicht«, weil der Herr sein Volk nicht im Stich lässt, sondern auf geheimnisvolle Weise in der Geschichte handelt, um seinen Heilsplan zu verwirklichen. Mose spricht so, weil er ganz einfach auf Gott vertraut“ (Predigt, 15. Februar 2019).

In der Gnade des Heiligen Geistes gehe uns aufs Neue die Ermunterung Jesu zu Herzen: „Fürchtet euch nicht“ (Mt 10,28). Diese Gabe ist unverzichtbar zur Verkündigung des Evangeliums Christi in seiner ursprünglichen Kraft, wider jedes politische und soziale System, gegen jede Ideologie, die diese gute Nachricht gefangen nehmen oder auf radikale Weise verändern will, um sie an die weltliche Mentalität des herrschenden Zeitgeistes anzupassen.

Vertrauen wir unsere Überlegungen der Fürsprache der seligen Jungfrau Maria an, der Mutter Jesu und unsere Mutter, damit sie für uns und die Kirche nicht nur eine furchtlose Haltung erbitte, sondern einen Glaubensmut, der den Bekennern und Märtyrern eigen ist, welche die Geschichte der Kirche geprägt haben. Amen.

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