Predigt von Nuntius Eterovic am 12. Sonntag im Jahreskreis

Berlin, 23. Juni 2019

(Sach 12,10-11.13,1; Ps 63; Gal 3,26-29; Lk 9,18-24)

„Für wen halten mich die Leute? …Ihr aber, für wen haltet ihr mich?“ (Lk 9,18.20).

Liebe Schwestern und Brüder!

Mit diesen beiden Fragen wollte Jesus Christus die Meinung der Leute und der Personen, die ihm folgen, über ihn wissen. Die erste Frage bezieht sich auf jene, die zufällige Kontakte mit dem Herrn hatten. Die zweite bezieht sich auf die Jünger, jene Menschen, die ihn näher kannten und mit ihm lebten. Mittels des heutigen Evangeliums des Heiligen Lukas stellt der auferstandene und unter uns gegenwärtige Herr auch uns die Frage über seine Identität. Versuchen auch wir, auf die beiden Fragen zu antworten (I und II), und verweilen wir bei den Konsequenzen des Bekenntnisses zu Ihm (III).

1. „Für wen halten mich die Leute“ (Lk 9,18).

Bevor wir die Antwort der Apostel auf die Frage des Herrn bedenken, ist es wichtig festzuhalten, daß sie in einem entspannten und ruhigen Umfeld gestellt wird, als „Jesus für sich allein betete und die Jünger bei ihm waren“ (Lk 9,18). Das Klima war für ernsthafte Gespräche günstig. Die Antwort auf die erste Frage war nicht schwierig, denn die Jünger kannten die Meinungen, die ihre Landsleute über Jesus hatten. Einige betrachteten ihn als den auferstandenen Johannes den Täufer. So meinte es zum Beispiel auch König Herodes (vgl. Mk 6,16). Andere wiederum dachten, es handele sich bei ihm um Elija, der vor dem Kommen des Messias wiederkommen soll (vgl. Mt 17,10-13). Wieder andere sehen in Jesus „einen der alten Propheten, der auferstanden ist“ (Lk 9,19).

Die Antwort der Apostel an Jesus reflektiert die Meinung ihrer jüdischen Landsleute. In unserem heutigen kulturellen und sozialen Umfeld sind diese Persönlichkeiten des Alten Testament nur noch wenig bekannt, und man vergleicht Jesus wohl kaum mehr mit Johannes dem Täufer, Elija oder einem der Propheten. Sicher ist in unserer Welt Jesus Christus hinreichend bekannt, doch man betrachtet ihn mehr oder weniger als einen beispielhaften Menschen, Idealisten, als großen Humanisten, der sein Leben für das Wohl der anderen geopfert hat. Insgesamt haben viele Menschen kein Problem damit, nicht nur seine historische Existenz anzuerkennen, sondern auch seine herausragende Menschlichkeit.

2. „Ihr aber, für wen haltet ihr mich?“ (Lk 9,20).

Aus der Frage wird ersichtlich, daß Jesus mit den Bildern, die seine Mitbürger von ihm hatten, nicht zufrieden war. Er wollte also zum Vergleich die Meinung der Zwölf, die ihn besser kannten. Im Namen der Apostel antwortet Petrus: Du bist „der Christus Gottes“ (Lk 9,20). Aus dem Kontext des Evangeliums können wir schließen, daß Jesus sich über die Antwort des Petrus freute. In besonderer Weise unterstreicht das der Evangelist Matthäus, der die preisenden Worte des Herrn überliefert: „Selig bist du, Simon Barjona; denn nicht Fleisch und Blut haben dir das offenbart, sondern mein Vater im Himmel“ (Mt 16,17). Auf den Glauben des Petrus, der ihm von Gott geschenkt wurde, wollte Jesus seine Kirche gründen, indem er sprach: „Du bist Petrus und auf diesen Felsen werde ich meine Kirche bauen und die Pforten der Unterwelt werden sie nicht überwältigen. Ich werde dir die Schlüssel des Himmelreichs geben; was du auf Erden binden wirst, das wird im Himmel gebunden sein, und was du auf Erden lösen wirst, das wird im Himmel gelöst sein“ (Mt 16,18-19).

Auf die Frage, die Jesus auch heute seinen Jüngern vorlegt, antwortet kraft seines Amtes und im Namen der Kirche, das heißt in unser aller Namen, der Nachfolger des Heiligen Petrus, der Bischof von Rom und Hirte der Universalkirche, Papst Franziskus: Du bist „der Christus Gottes“. Es genügt nicht, in Jesus eine herausragende Persönlichkeit der Geschichte zu sehen, der einen bedeutenden Einfluss auf die Humanität hatte und hat. Hierbei handelt es sich allein um die horizontale Dimension der Person und des Lebens Jesu Christi. Dieser Wahrheit ist der zweite Teil anzufügen, die vertikale Dimension. Man muss anerkennen, daß Jesus der Messias ist, der Gesalbte Gottes, daß er Gott ist, der Herr, Kyrios. Das Fundament des christlichen Glaubens ist das Bekenntnis des Glaubens an Gott, den Vater, Sohn und Heiligen Geist, an den einen Gott in drei Personen. Dieses Bekenntnis lässt sich nur in der Gnade des Heiligen Geistes ablegen. Hierzu schreibt der Heilige Paulus: „Keiner, der aus dem Geist Gottes redet, sagt: Jesus sei verflucht! Und keiner kann sagen: Jesus ist der Herr!, wenn er nicht aus dem Heiligen Geist redet“ (1 Kor 12,3). Jesus Christus ist wirklich das Zeichen, dem widersprochen wird, denn „so sollen die Gedanken vieler Herzen offenbar werden“ (Lk 2,35). Bitten wir den guten und barmherzigen Gott, er möge vielen Menschen guten Willens bei der Suche nach der Wahrheit die Gabe des Heiligen Geistes gewähren, damit auch sie zu bekennen in der Lage sind, daß Jesus Christus wahrer Gott und wahrer Mensch ist.

3. Der Messias „muss viel leiden“ (Lk 9,22).

Im Lukasevangelium gebietet Jesus den Jüngern sogleich nach dem Bekenntnis des Petrus, seine Identität als Messias nicht zu enthüllen. Der Grund liegt in der falschen Erwartung an die Natur des Messias, die es im Volk gab. Jesus weiß, daß er kein politischer Messias sein und keine gewaltsame Revolution gegen die römische Besatzungsmacht anführen wird. Im Gegenteil, Jesu Sein als Messias drückt sich über das Kreuz aus, das Symbol großen Leidens, und den Tod, über den er in die Herrlichkeit der Auferstehung gelangen wird. Er selbst hat gesagt: „Der Menschensohn muss vieles erleiden und von den Ältesten, den Hohepriestern und den Schriftgelehrten verworfen werden; er muss getötet und am dritten Tage auferweckt werden“ (Lk 9,22).

Die Jünger sollen nicht nur die wahre Natur des Messias erkennen, sondern ihm in seinem Lebensstil folgen. Dies ist die Logik Jesu und seines Evangeliums, denn er sagt selbst: „Der Sklave ist nicht größer als sein Herr. Wenn sie mich verfolgt haben, werden sie auch euch verfolgen“ (Joh 15,20). Der Jünger Jesu ist gerufen, seinem Meister auch auf dem Kreuzweg zu folgen: „Wenn einer hinter mir hergehen will, verleugne er sich selbst, nehme täglich sein Kreuz auf sich und folge mir nach“ (Lk 9,23). Diese Logik des Evangeliums ist jener Logik der Welt entgegengesetzt, die auch für Christen nicht selten verlockend ist. Daher ist es gut, über das Wort des Herrn Jesus nachzudenken: „Wer sein Leben retten will, wird es verlieren; wer aber sein Leben um meinetwillen verliert, der wird es retten“ (Lk 9,24).

Liebe Brüder und Schwestern, Jesus zu folgen und täglich das Kreuz auf sich zu nehmen, das ist nicht leicht. Bitten wir daher Gott, den Vater, die Kraft des Heiligen Geistes zu schicken, um unsere christliche Berufung gut zu erfüllen. Vertrauen wir uns auch der Fürsprache der seligen Jungfrau Maria an, der Mutter Jesu und Mutter der Kirche. Sie war Zeugin des Todes ihres Sohnes am Kreuz und erlebte die Freude seiner Auferstehung. Sie, die voller Gnade ist (vgl. Lk 2,28), möge uns mit ihrer mütterlichen Liebe auf unserem irdischen Pilgerweg zur himmlischen Heimat begleiten. Amen.

 

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