Predigt von Nuntius Eterovic am 13. Sonntag im Jahreskreis

Apostolische Nuntiatur, 27. Juni 2021

(Weish 1,13-15; 2,23-24; Ps 30; 2 Kor 8,7.9.13-15; Mk 5,21-43)

„Mädchen, ich sage dir, steh auf!“ (Mk 5,41).

Liebe Schwestern und Brüder!

Das Wort Gottes, das verkündet worden ist, lädt uns ein, den Tod und das Leben zu bedenken, das heißt das Schicksal des Menschen im Licht der Person Jesu Christi und seines Evangeliums.

Auf diesem Weg erleuchten uns die Worte des Herrn Jesus an die Sadduzäer: „Habt ihr im Übrigen nicht gelesen, was Gott euch über die Auferstehung der Toten mit den Worten gesagt hat: Ich bin der Gott Abrahams, der Gott Isaaks und der Gott Jakobs? Er ist nicht der Gott von Toten, sondern von Lebenden“ (Mt 22,31-32). Der Gott des Lebens hat den Tod nicht gemacht (I). Jesus Christus befreit uns vom Tod und gibt uns das ewige Leben (II). Die Christen sollen Zeugen des Lebens sein und dies auch durch Werke der Liebe zeigen (III).

1. „Gott hat den Menschen zur Unvergänglichkeit erschaffen“ (Weish 2,23)

Im Buch der Weisheit finden wir das Projekt Gottes über den Menschen gut beschrieben und ebenso den Grund für seine Sterblichkeit. Es genügt beim Weisheitsbuch daran zu erinnern, dass es die letzte Schrift des Alten Testaments ist, die etwa 120-80 vor Christus im griechischen Umfeld, genauer im ägyptischen Alexandrien verfasst worden war. Der Autor des Buches wollte unter der Inspiration des Heiligen Geistes die Vorrangstellung der jüdischen Weisheit, die von Gott geoffenbart wurde und ihren Niederschlag im Gesetz findet, vor der Philosophie und dem heidnischen Leben unterstreichen. Über das Schicksal des Menschen haben wir in dem kurzen Text gehört, wo die Güte Gottes betont wird, denn „Gott hat den Tod nicht gemacht und hat keine Freude am Untergang der Lebenden“ (Weish 1,13). Im Gegenteil, „Gott hat den Menschen zur Unvergänglichkeit erschaffen und ihn zum Bild seines eigenen Wesens gemacht“ (Weish 2,23). Die Botschaft des Weisheitsbuches ist voller Optimismus und Hoffnung, wenn es festhält, „zum Dasein hat Gott alles geschaffen und heilbringend sind die Geschöpfe der Welt. Kein Gift des Verderbens ist in ihnen, das Reich der Unterwelt hat keine Macht auf der Erde; denn die Gerechtigkeit ist unsterblich“ (Weish 1,14-15). Wir alle aber kennen unsere Gebrechlichkeit, unsere Grenzen und die Wirklichkeit des Todes unserer Lieben und jeder Person. Aus diesem Grund sind wir sehr daran interessiert, welche Antwort das Wort Gottes auf diese dramatische Wirklichkeit menschlichen Lebens gibt. Für den Autor des Weisheitsbuches „kam der Tod durch den Neid des Teufels in die Welt und ihn erfahren alle, die ihm angehören“ (Weish 2,24). Diese Worte begegnen uns am Anfang der Bibel im Buch der Genesis bei der Versuchung und dem Fall unserer Stammeltern Adam und Eva (vgl. Gen 3,1-24). Bei dieser Sünde der Auflehnung gegen Gott spielte die Schlange eine wichtige Rolle, „die schlauer als alle Tiere des Feldes war“ (Gen 3,1). Das Buch der Weisheit nennt die Schlange Diabolus (διάβολος), Teufel, die griechische Bezeichnung für das hebräische Satan, was Verleumder oder Ankläger bedeutet. Mann und Frau sind offensichtlich aus freiem Willen der Versuchung des Satans erlegen und haben sich daher versündigt, was in der Tradition der Kirche Ur- oder Erbsünde genannt wird, die auf alle Menschen zusammen mit der menschlichen Natur übertragen wird. „Infolge der Erbsünde ist die menschliche Natur in ihren Kräften geschwächt, der Unwissenheit, dem Leiden und der Herrschaft des Todes unterworfen und zur Sünde geneigt. Diese Neigung heißt „Konkupiszenz"“ (Katechismus der Katholischen Kirche, 418).

2. „Mädchen, ich sage dir, steh auf“ (Mk 5,41).

Im Angesicht des Todes gibt allein Jesus eine befriedigende Antwort. Die Menschen suchen, gegen den Tod als einen furchtbaren Feind zu kämpfen, doch er bleibt stets am Horizont des Lebens. Während der Covid-19-Pandemie bekam er aufgrund von etwa 4 Millionen Toten seit dem Frühjahr 2020 weltweit besondere Aufmerksamkeit. Als Christen unterstützen wir die gewaltigen Bemühungen im Kampf gegen die Krankheiten als Hauptursachen des Todes. Wir unterstützen auch die wissenschaftliche Forschung, das menschliche Leben und seine Qualität zu verlängern, jedoch stets unter Beachtung der ethischen und moralischen Prinzipien, der Schöpfungsordnung und des Willens Gottes.

Im Abschnitt des Evangeliums erweckt der Herr Jesus die zwölfjährige Tochter des Jairus, einer der Synagogenvorsteher. In Gegenwart weniger Zeugen, nämlich Petrus, Jakobus, Johannes und der Eltern des Mädchens, tritt Jesus in das Zimmer, in dem das Mädchen war, fasst es an der Hand „und sagte zu ihm: Talita kum!, das heißt übersetzt: Mädchen, ich sage dir, steh auf!“ (Mk 5,40-41). Neben seiner außergewöhnlichen Macht, von den Toten zu erwecken, zeigte Jesus auch seine große Menschlichkeit, denn er sorgte sich auch um das materielle Wohl des Mädchen, denn er ordnete an, „man solle dem Mädchen etwas zu essen geben“ (Mk 5,42). Auch bei dieser Gelegenheit mahnt Jesus zur Verschwiegenheit über das Wunder, denn er wollte vom Volk nicht zum Wunderheiler erhoben werden, das einen Messias politischer Natur erwartete. Im Gegenteil, die Wunder Jesu haben zum Ziel, den Glauben derer zu stärken, die sich an ihn wenden. Und einer davon war der erwähnte Synagogenvorsteher Jairus. Mit großem Glauben bat er Jesus, seiner Tochter zu helfen. Der Evangelist Markus hat die Haltung des Jairus überliefert, denn „als er Jesus sah, fiel er ihm zu Füßen und flehte ihn um Hilfe an; er sagte: Meine Tochter liegt im Sterben. Komm und leg ihr die Hände auf, damit sie geheilt wird und am Leben bleibt“ (Mk 5,22-23). Auf die Nachricht hin, das Mädchen sei bereits gestorben, ermutigt der Herr den Jairus zu glauben: „Fürchte dich nicht! Glaube nur“ (Mk 5,36).

Glaube war auch der Beweggrund zur Heilung der Frau, „die schon zwölf Jahre an Blutfluss litt“ (Mk 5,25). Sie glaubte an Jesus und dachte, „wenn ich auch nur sein Gewand berühre, werde ich geheilt“ (Mk 5,28). Mit ihrem Glauben überwand sie mancherlei Hindernisse, um sich Jesus nähern zu können, sein Gewand zu berühren und sich sodann als die zu erkennen zu geben, die das getan hatte. Aufgrund dieses starken Glaubens hat sie das Lob Jesu verdient: „Meine Tochter, dein Glaube hat dich gerettet. Geh in Frieden! Du sollst von deinem Leiden geheilt sein“ (Mk 5,34).

Der Herr Jesus tut auch heute noch Wunder. Nicht alleine jene durch die Spendung der Sakramente. So werden viele, die geistlich tot sind, durch das Sakrament der Versöhnung geistlich geheilt. Es gibt auch Wunder, die von medizinischen Fachleuten begutachtet werden. So wurde am 19. Juni 2021 die Anerkennung eines Wunders bekanntgegeben, das Gott auf die Fürsprache des Dieners Gottes Johannes-Philipp Jeningen gewirkt hat, des Priesters und Jesuiten, den die Gläubigen den „guten Pater“ nannten, der am 05. Januar 1642 in Eichstätt geboren worden war und in Ellwangen am 08. Februar 1704 gestorben ist. Es handelt sich hierbei um nur ein Beispiel, denn für jede Selig- und Heiligsprechung braucht es eine Zustimmung vom Himmel her durch ein Wunder, das von einem medizinischen Gremium bei der Kongregation für die Selig- und Heiligsprechungen approbiert wird. Offensichtlich handelt es sich in diesen Fällen von Wundern um die Antwort Gottes auf den Glauben und das beständige Gebet der Gläubigen.

3. Die Kollekte für Jerusalem

In diesen Zusammenhang von Heilung und ewigem Leben fügt sich gut die Kollekte des Heiligen Paulus für die christliche Gemeinde in Jerusalem ein. Ein Jahr bevor er den zweiten Brief an die Korinther geschrieben hatte, zwischen 54 und 55 nach Christus, gab es in Jerusalem eine schwere Hungersnot, welche auch die erste christliche Gemeinde traf. Hier haben wir das praktische Motiv, um den Brüdern und Schwestern im Glauben beizustehen und zu helfen. Gleichzeitig dient diese Gelegenheit dem Völkerapostel zur theologischen Reflektion über die Verteilung der Güter im Sinne der sozialen Gerechtigkeit. Er erinnert an die Erfahrung der Juden in der Wüste, als JHWH mit Manna sein erwähltes Volk nährte: „Wer viel gesammelt hatte, hatte nicht zu viel, und wer wenig, hatte nicht zu wenig“ (2 Kor 8,15). Das stärkste Argument für den Heiligen Paulus ist das Beispiel Jesu Christi: „Er, der reich war, wurde euretwegen arm, um euch durch seine Armut reich zu machen“ (2 Kor 8,9). Daher rät er den Bewohnern von Korinth, die Güter je nach ihren Möglichkeiten mit den Hilfsbedürftigen in Jerusalem zu teilen. Zugleich stellt er Überlegungen zu einer, sagen wir, universalen Bestimmung der Güter an. „Denn es geht nicht darum, dass ihr in Not geratet, indem ihr anderen helft; es geht um einen Ausgleich. Im Augenblick soll euer Überfluss ihrem Mangel abhelfen, damit auch ihr Überfluss einmal eurem Mangel abhilft. So soll ein Ausgleich entstehen“ (2 Kor 8,14).

Die Großzügigkeit zeichnet die Christen in Deutschland bekanntermaßen aus, vor allem auch die der Katholischen Kirche. Am Beispiel der ersten Sammlung des Heiligen Paulus für die Gemeinde in Jerusalem werden auch in Deutschland jedes Jahr Kollekten gehalten, um armen Ortskirchen zu helfen und der Bevölkerung in bedürftigen Ländern beizustehen durch Projekte der Gesundheitsfürsorge, der Erziehung, Bildung und der ganzheitlichen Förderung. Es bleibt zu hoffen, dass diese Großzügigkeit nicht durch die Corona-Pandemie nachlässt, die aus humanitärer Sicht Lob verdient, doch für uns Christen viel wichtiger religiös motiviert ist. Jede Hilfe an dem Bruder und der Schwester in Not bedeutet Teilhabe an der Sendung der Heilung und des Lebens, die der Herr Jesus, „der Weg, die Wahrheit und das Leben“ (Joh 14,6), seiner Kirche anvertraut hat.

Vertrauen wir die Erfüllung dieser Überlegungen und unserer guten Vorsätze der Fürsprache der seligen Jungfrau Maria an, der Mutter der Kirche. Sie möge für uns bei Gott um einen starken Glauben flehen, damit ihr Sohn und unser Herr Jesus Christus auch in unseren Tagen in der Gnade des Heiligen Geistes sagen möge: „Mädchen, ich sage dir, steh auf!“ (Mk 5,41), um auf diese Weise die Hilfe an den Notleidenden an Leib und Seele fortzusetzen. Amen.

 

Zurück