Predigt von Nuntius Eterovic am 14. Sonntag im Jahreskreis

Apostolische Nuntiatur, 3. Juli 2022

(Jes 66,10-14; Ps 66; Kol 6,14-18; Lk 10,1-12.17-30)

14. Sonntag im Jahreskreis – LJ C

„Friede diesem Haus “ (Lk 10,5).

Liebe Schwestern und Brüder!

Das Evangelium des 14. Sonntags im Jahreskreis beschreibt die Sendung der Jünger Jesu mit ihren charakteristischen Eigenschaften (I), die auch für die Kirche von heute gültig sind (II). Öffnen wir unsere Herzen dem Heiligen Geist, damit er uns zur Erkenntnis der Lehre Jesu führe, die nicht nur für seine Jünger zur Zeit seines irdischen Lebens im Heiligen Land bestimmt war, sondern jedem von uns gilt.

1. „Danach suchte der Herr zweiundsiebzig andere aus“ (Lk 10,1).

Die Entscheidung des Herrn, über die Zwölf hinaus noch weitere Jünger auszuwählen, verdeutlicht den universalen Horizont der Sendung, der er durch sein Wirken der Evangelisierung und der menschlichen Förderung Nachdruck verleihen wollte. Und so wurden die Zweiundsiebzig für eine Mission ausgewählt. Der Herr Jesus „sandte sie zu zweit vor sich her in alle Städte und Ortschaften, in die er selbst gehen wollte“ (Lk 10,2). Die Universalität der Mission Jesu war für die Wahl der Zweiundsiebzig bestimmend. Die Zahl lässt an die zweiundsiebzig Genealogien denken, die im Buch Genesis im 10. Kapitel genannt werden und aus denen die Nationen auf Erden abstammen und sodann an die Septuaginta, jene Übersetzung der Tora, die der Überlieferung nach in Alexandria durch zweiundsiebzig Gelehrte übertragen worden war. Die Zahl ist somit ein Ausdruck der ganzen Welt, der weltumspannenden Familie der Menschheit, der das Evangelium verkündet werden soll. Dieser universale Heilswille erschließt sich auch aus dem Wort des Herrn Jesus: „Die Ernte ist groß, aber es gibt nur wenig Arbeiter. Bittet also den Herrn der Ernte, Arbeiter für seine Ernte auszusenden“ (Lk 10,2).

Natürlich wurden die Zweiundsiebzig in jene Dörfer und Ortschaften ausgesandt, die Jesus auf seinem Weg nach Jerusalem besuchen wollte. Somit beschränkte sich die Sendung vorerst auf Israel, das erwählte Volk. Doch zeichnet sich darin schon die universale Sendung ab, die im Ostergeheimnis des Herrn Jesus und nach dem Kommen des Heiligen Geistes aktuell wird. Das bezeugen die Predigten der Apostel am Pfingsttag in Jerusalem, die sich an die Vertreter zahlreicher Völker richten und in verschiedenen Sprachen gehalten wurden (vgl. Apg 2,1-11).

Das Wort Gottes bleibt auch in unseren Tagen sehr aktuell. Wir sind der Vorsehung Gottes für die guten Zeiten der Weltmission auf allen fünf Kontinenten dankbar, denn sie war überaus fruchtbar, vor allem was die Zahl der Christen und christlichen Gemeinschaften angeht. Mit der Verbreitung des Evangeliums, der guten Nachricht für alle Menschen, ist auch die Zahl der Arbeiter verbunden. Sie wächst in Afrika und Asien, doch vermindert sie sich leider auf unserem europäischen Kontinent. Die Zahl der Christen erreicht derzeit nur 32 Prozent der Weltbevölkerung. Und somit muss dringend das immer aktuelle Rezept Jesu in die Tat umgesetzt werden, das heißt das Gebet um Berufungen zum Priestertum und Ordensleben oder auch allgemein zum christlichen Leben. In einer Kirche im Aufbruch, wie es der Heilige Vater Franziskus gerne sagt, sind alle Getauften gerufen, Missionare des Evangeliums in ihrem persönlichen, familiären und sozialen Leben zu werden. Das gelingt vor allem durch ein christliches Leben. Doch gilt auch, bereit zu sein, mit Worten, wo es nötig ist, Rechenschaft über den Glauben abzulegen (vgl. 1 Petr 3,16).

2. „Friede diesem Haus“ (Lk 10,5).

Neben der Aussendung der zweiundsiebzig Jünger jeweils zwei und zwei, um sich gegenseitig unterstützen zu können, ist auch der Inhalt ihrer Verkündigung nach den Anweisungen des Herrn Jesus zu beachten. Diese lassen sich mit den Worten zusammenfassen: „Friede diesem Haus“ (Lk 10,5) und: „Das Reich Gottes ist euch nahe“ (Lk 10,9). Die Elemente von Wort und Tat verwundern nicht, denn sie charakterisieren das Wirken Jesu selbst, der seine Sendung mit den Worten begonnen hat: „Die Zeit ist erfüllt, das Reich Gottes ist nahe. Kehrt um und glaubt an das Evangelium“ (Mk 1,15). Der Evangelist Matthäus hat seinerseits kurz die Art und Weise beschrieben, wie der Herr handelte: „Er zog in ganz Galiläa umher, lehrte in den Synagogen, verkündete das Evangelium vom Reich und heilte im Volk alle Krankheiten und Leiden“ (Mt 4,23).

Mit seiner Predigt und seinen Wundern brachte Jesus Christus den Frieden zu den Menschen, die an ihn glaubten. Und es ist sehr bezeichnend, dass die ersten Worte des auferstandenen Herrn an seine Jünger lauten: „Friede sei mit euch“ (Joh 19,20). Mit dem Ostergeheimnis, durch seine Passion, seinen Tod und seine Auferstehung hat uns Christus die Versöhnung gebracht, die Vergebung der Sünden und damit den wahren Frieden mit Gott, mit uns selbst und mit dem Nächsten, was uns vor allem im Sakrament der Beichte geschenkt wird (vgl. Joh 19,20-24).

Auch die Zweiundsiebzig sollten den Frieden des Herrn verkünden und die unterschiedlichen Schwierigkeiten überwinden. Die Jünger Jesu, welcher der „Friedefürst“ ist (Jes 9,5), bringen diesen Frieden zu den Menschen. Sicher, manche reagieren feindselig auf die Verkündigung Evangelium, doch auch ihnen soll es nach dem Willen Jesu durch die Jünger furchtlos verkündet werden. Er hat gesagt: „Geht! Siehe, ich sende euch wie Schafe mitten unter die Wölfe“ (Lk 10,3) und zugleich verheißen: „In der Welt seid ihr in Bedrängnis; aber habt Mut: Ich habe die Welt besiegt“ (Joh 16,33). Die Jünger sollen allein auf Gott vertrauen und sich nicht auf menschliche Mittel verlassen: „Nehmt keinen Geldbeutel mit, keine Vorratstasche und keine Schuhe! Grüßt niemanden auf dem Weg“ (Lk 10,4). Nach dem Herrn sollen sich die Jünger nicht in nutzlosen öffentlichen Diskussionen verlieren, sondern sie sollen die Menschen aufsuchen, wo sie leben, und in ihren Häusern besuchen. Im vertrauten und familiären Umfeld sind sie gerufen, den Menschen, die bereit dafür sind, den Frieden anzubieten: „Und wenn dort ein Sohn des Friedens wohnt, wird euer Friede auf ihm ruhen; andernfalls wird er zu euch zurückkehren“ (Lk 10,6). Die Jünger Jesu sind Träger des Friedens, was auch bedeutet, die oft hinderlichen jüdischen Speisevorschriften außer Acht zu lassen, um Menschen unterschiedlicher Kulturen zu erreichen. Hierzu wird zweimal im kurzen Abschnitt des Evangeliums nachdrücklich gesagt: „Bleibt in diesem Haus, esst und trinkt, was man euch anbietet“ (Lk 10,7.8). Damit wird die Freiheit der Christen zum Ausdruck gebracht, die der heilige Paulus im Brief an die Römer so beschreibt: „Das Reich Gottes ist nicht Essen und Trinken, sondern Gerechtigkeit, Friede und Freude im Heiligen Geist“ (Röm 14,17).

Vertrauen wir unsere Überlegungen und guten Vorsätze der Fürsprache der seligen Jungfrau Maria an, der Königin des Friedens. Diesen Frieden haben wir in diesen Tagen dringend nötig angesichts des tragischen Krieges in Ukraine, der schon viele Tote kostete und große geistliche und materielle Zerstörung brachte. Die Gesegnete unter den Frauen (vgl. Lk 1,42) möge den Frieden auf jeden von uns herabrufen, auf die Kirche, die Welt und vor allem auf Ukraine. Der Mutter Jesu und unserer Mutter vertrauen wir unsere drängenden Gebete um Priesterberufungen an, denn der Herr der Ernte will Arbeiter in seine Ernte aussenden (vgl. Lk 10,2), welche die Sendung des Herrn Jesus weiterführen und vor allem den Menschen unserer Tage verkünden: „Friede diesem Haus“ (Lk 10,5). Amen.

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