Predigt von Nuntius Eterovic am 14. Sonntag im Jahreskreis

Apostolische Nuntiatur, 4. Juli 2021

(Ez 2,2-5; Ps 123; 2 Kor 12,7-10; Mk 6,1-6)

„Und er wunderte sich über ihren Unglauben“ (Mk 6,6).

Liebe Schwestern und Brüder!

Das Hauptthema der biblischen Lesungen heute ist der Glaube. Der Prophet Ezechiel hat von JHWH den Auftrag erhalten, seinem Volk in schwieriger Zeit das Wort Gottes zu verkünden (I). Jesus Christus wurde in seinem Heimatort Nazareth nicht gut aufgenommen (II). Auch der Heilige Paulus hatte bei seiner Missionstätigkeit viele Schwierigkeiten, die sich allein mit dem Glauben besiegen lassen (III). Der Glaube ist auch für uns die unverzichtbare Bedingung, um Jesus und sein Evangelium anzunehmen.

1. „Menschensohn, ich sende dich zu den Söhnen Israels“ (Ez 2,3).

In der ersten Lesung haben wir einen Abschnitt aus dem Buch des Propheten Ezechiel gehört, der seine Mission in der schwierigen Zeit des babylonischen Exils erfüllt hat. Er selbst wurde nach Babylon verschleppt und wirkte dort in den Jahren von 593 bis 571 vor Christus. Er suchte die Juden zurückzurufen und an ihre moralische Verantwortung zu erinnern. Denn ihre Untreue gegenüber dem Bund mit Gott hatte zur nationalen Katastrophe geführt. Trotz vieler Schwierigkeiten fühlte sich der Prophet verpflichtet, die Vertriebenen zu ermutigen und sie auf die Ankunft des von Gott verheißenen Heils vorzubereiten.

In dem kurzen Abschnitt ist die Feindseligkeit der Israeliten beschrieben. Sie sind „ein abtrünniges Volk“ (Ez 2,3), das sich wie schon seine Väter gegen JHWH erhoben hat. Ezechiel hat wenig Hoffnung auf eine Veränderung der Haltung seiner Landsleute, denn „es sind Söhne mit trotzigem Gesicht und hartem Herzen“ (Ez 2,4). Dessen ungeachtet sendet Gott den Propheten inmitten seines Volkes, denn Er ist treu und wartet darauf, dass sich die Israeliten bekehren und sein Wort annehmen, das ihnen der Prophet verkündet. Angesichts dieser gewaltigen Aufgabe spürt Ezechiel, wie klein er ist, was sich aus den Worten erschließt: „Menschensohn, ich sende dich zu den Söhnen Israels“ (Ez 2,3). Dies ist eine für den Propheten Ezechiel charakteristische Wendung, um seinen Mangel und Gottes Größe und die der Mission anzuzeigen, die JHWH ihm anvertraut hat.

Voller Glaube an Gott erfüllt Ezechiel seine Sendung, hatte jedoch keinen unmittelbaren Erfolg. Er folgt dem Befehl von JHWH: „Mögen sie hören oder es lassen - denn sie sind ein Haus der Widerspenstigkeit -, sie werden erkennen müssen, dass mitten unter ihnen ein Prophet war“ (Ez 2,5). Gott überlässt sein Volk nicht der babylonischen Gefangenschaft. Das zeigt allein die Gegenwart des Propheten Ezechiel. Er hält das Wort Gottes auch in den dramatischen Situationen gegenwärtig, dass das erwählte Volk durch Glaube zurückkehren wird.

2. „Und er wunderte sich über ihren Unglauben“ (Mk 6,6).

Im heutigen Evangelium zeigt der Heilige Markus zwei charakteristische Aspekte des Wirkens Jesu Christi: Seine Lehre mit Vollmacht und die Kraft der sie begleitenden Wunder. Das erschließt sich aus der Frage seiner Landsleute: „Woher hat er das alles? Was ist das für eine Weisheit, die ihm gegeben ist! Und was sind das für Machttaten, die durch ihn geschehen“ (Mk 6,2). Die Bewohner von Nazareth kannten Jesus gut vom menschlichen Gesichtspunkt her. Sie wussten, er war Zimmermann, sie kannten seine Eltern und seine Familie im weiten Sinne, seine Brüder und Schwestern, das heißt die Cousins und Cousinen (vgl. Mk 6,3). Diese Kenntnis hinderte sie daran, in Jesus den Geist zu erblicken und seine Sendung zu erfassen, den Juden die Umkehr und das Heil zu verkünden, was sodann allen Völkern und allen Menschen zuteilwerden sollte. Das Vorurteil der Menschen seiner Heimatstadt war so stark, dass „sie Anstoß an ihm nahmen“ (Mk 6,3).

Der Unglaube der Bewohner von Nazareth hatte zur Folge, dass Jesus dort kein Wunder tun konnte. Der Herr erklärte diese Haltung mit einem Sprichwort: „Nirgends ist ein Prophet ohne Ansehen außer in seiner Heimat, bei seinen Verwandten und in seiner Familie“ (Mk 6,4). Und Jesus „wunderte sich über ihren Unglauben“ (Mk 6,6). Aufgrund des Unglaubens „legte er nur einigen Kranken die Hände auf und heilte sie“ (Mk 6,5). Der Evangelist berichtet, dass der Herr seine Mission anderswo fortsetzte: „Jesus zog durch die benachbarten Dörfer und lehrte“ (Mk 6,6). Der Unglaube wirkte sich ungünstig auf die Bewohner von Nazareth aus. Jesus, ihr Landsmann, hatte die Absicht, unter ihnen die gute Nachricht zu verbreiten und diese durch Wunder zu bekräftigen. Aufgrund ihrer ungläubigen Haltung empfingen diese Wohltaten nunmehr die Bewohner der anderen Städte und Dörfer, die Jesus und seine Heilsbotschaft gerne aufnahmen.

3. „Stachel im Fleisch“ (2 Kor 12,7)

Dieser schwierig zu verstehende Ausdruck beschreibt möglicherweise die unerbittliche Verfolgung, welcher der Heilige Paulus seitens seiner Brüder ausgesetzt war. Um nicht aufgrund der Größe der empfangenen Offenbarung stolz zu werden, erinnert der Stachel im Fleisch den Völkerapostel daran, fügsam und demütig nach dem Bild seines Meister Jesus Christus zu sein. Auf sein Gebet, von dieser Schwierigkeit befreit zu werden, hat der Heilige Paulus die Antwort erhalten: „Meine Gnade genügt dir; denn die Kraft wird in der Schwachheit vollendet“ (2 Kor 12,9). Hierin findet sich der wahre Grund der Freude des Heiligen Paulus, der sich seiner Schwachheit rühmt. Damit ist nicht eine Schwachheit in der Moral gemeint, sondern sie zeigt sich „in der Ohnmacht, allen Misshandlungen und Nöten, Verfolgungen und Ängsten für Christus“ (2 Kor 12,10). Der Heilige Paulus hat den scheinbaren Widerspruch erfahren, der dem Evangelium eigen ist, wenn er schreibt: „Viel lieber also will ich mich meiner Schwachheit rühmen, damit die Kraft Christi auf mich herabkommt“ wie auch, „wenn ich schwach bin, dann bin ich stark“ (2 Kor 12,9-10). Der Gläubige ist stark durch Glauben an Jesus Christus. Ein solcher Glaube lässt die verschiedenen Arten von Schwierigkeiten ertragen und annehmen, um so der Gnade des Heiligen Geistes zu erlauben, sie in Elemente der Fruchtbarkeit des persönlichen und gemeinschaftlichen christlichen Lebens zu verwandeln.

Auch wir, liebe Brüder und Schwestern, sind stark in dem Maß, wie unser Glaube groß ist. Der Glaube ist die Kraft der Christen, denn sie vertrauen nicht menschlicher Fähigkeit oder der Weisheit dieser Welt, sondern der Gnade Gottes. Hierzu schreibt der Heilige Apostel Johannes: „Denn alles, was aus Gott gezeugt ist, besiegt die Welt. Und das ist der Sieg, der die Welt besiegt hat: unser Glaube“ (1 Joh 5,4).

Auch unsere säkularisierte Welt hat die Gegenwart von gläubigen Menschen nötig, von Propheten, die wie Ezechiel das Wort Gottes verkünden. Viele Personen werden dieser Verkündigung und ihrem Inhalt gegenüber gleichgültig bleiben. Aber Gott verlässt sein Volk nicht. Er verlässt auch uns nicht und gibt uns die Möglichkeit zur Begegnung – auch in Zeiten der persönlicher Krisen oder der von lieben Menschen, bei Naturkatastrophen oder sozialen wie politischen Umwälzungen – und der Annahme seines Wortes des Lebens mit einem wiedererlangten und gestärkten Glauben. So wird der Herr Jesus in uns, in unseren Familien, in der Kirche und der Gesellschaft Wunder der Heilung an Leib und Seele wirken und uns schon in diesem Leben Glückseligkeit und Hoffnung auf das ewige Leben schenken. Aufgrund des Glaubens können auch wir wie der Heilige Paulus und viele andere Christen – denken wir an die Märtyrer auch in unserer Zeit – die Leiden für Jesus Christus und sein Reich ertragen.

Mögen die Heiligen, vor allem die seligste Jungfrau Maria, die selig genannt wird, weil sie geglaubt hat (vgl. Lk 1,44), für uns beim dreieinen Gott eintreten und auf uns die Gabe des Glaubens herabrufen, auf dass wir verlässliche Zeugen Jesu Christi und eifrige Missionare seines Evangeliums werden. Amen.

 

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