Predigt von Nuntius Eterovic am 14. Sonntag im Jahreskreis
Apostolische Nuntiatur, 9. Juli 2023
(Sach 9,9-10; Ps 145; Röm 8,9.11-13; Mt 11,25-30)
„Ich preise dich, Vater“ (Mt 11,25)
Liebe Brüder und Schwestern!
Im heutigen Evangelium, das wir gehört habe, gewährt uns Jesus Einblick in sein Herz und seine tiefen Gefühle, vor allem in seine Sohn-Beziehung zum Vater (I). Er zeigt uns auch, wie er im Gebet Gott lobt und preist (II). In der Folge ermuntert er uns, Ihm unsere Anstrengungen und Schwierigkeiten ohne Vorbehalt anzuvertrauen (III). Lassen wir uns vom Heiligen Geist führen, der allein imstande ist, uns in die Tiefe des Geheimnisses des dreieinen Gottes eindringen zu lassen.
1. „Alles ist mir von meinem Vater übergeben worden“ (Mt 11,27).
Jesus Christus hat uns das Geheimnis der Allerheiligsten Dreifaltigkeit offenbart. Der Herr schenkt uns in Fülle seinen Geist (vgl. Joh 3,34) und führt uns ein in das Geheimnis des göttlichen Vaters. Seine Worte im Abschnitt des heutigen Evangeliums sind wichtig und verdienen besondere Aufmerksamkeit. Jesus ist dem Vater dankbar, denn Er ist Teil seines Lebens und seiner Werke: „Alles ist mir von meinem Vater übergeben worden“ (Mt 11,27). Mit Blick auf das Wirken Jesu schreibt der heilige Johannes: „Alles ist durch das Wort geworden und ohne es wurde nichts, was geworden ist“ (Joh 1,3). Der heilige Paulus seinerseits schreibt: „So haben doch wir nur einen Gott, den Vater. Von ihm stammt alles und wir leben auf ihn hin. Und einer ist der Herr: Jesus Christus. Durch ihn ist alles und wir sind durch ihn“ (1 Kor 8,6). Im Matthäusevangelium bezieht sich Jesus nicht nur auf die Nähe und das Zusammenwirken mit dem Vater, sondern auf die innige und tiefe Beziehung, die vor allem personal und wechselseitig ist: „Niemand kennt den Sohn, nur der Vater, und niemand kennt den Vater, nur der Sohn“ (Mt 11,27). In seiner großen Güte zu uns Menschen will Jesus dieses große Geheimnis denen offenbaren, die offenen Herzens und wachen Geistes sind, und die mit Ihm Gott Vater, Sohn und Heiligen Geist für diese große Gabe danken wollen. Denn nach dem Herrn Jesus können auch die Gläubigen an diesem Geheimnis durch Ihn teilhaben: „Niemand kennt den Vater, nur der Sohn und der, dem es der Sohn offenbaren will“ (Mt 11,27).
Liebe Schwestern und Brüder, danken wir dem dreieinen Gott nicht nur dafür, dass uns der Herr Jesus das Geheimnis seines dreifaltigen Lebens offenbart hat, sondern auch dafür, dass wir Teil dieses Geheimnisses durch das Sakrament der Taufe geworden sind, durch die wir in den Leib Christi eingefügt und Glieder der einen, heiligen, katholischen und apostolischen Kirche wurden.
2. „Ich preise dich, Vater“ (Mt 11,25).
Mit dieser trinitarischen Perspektive verstehen wir das Lob besser, das Jesus auf Gott, seinen Vater anstimmt: „Ich preise dich, Vater, Herr des Himmels und der Erde, weil du das vor den Weisen und Klugen verborgen und es den Unmündigen offenbart hast. Ja, Vater, so hat es dir gefallen“ (Mt 11,25-26). Es ist daran zu erinnern, dass Jesus dem Vater in einem besonderen Moment dankt, denn vom menschlichen Standpunkt her war seine Mission erfolglos. Die Schriftgelehrten, Pharisäer und Priester, jene Vertreter des erwählten Volkes, waren zwar kulturell gebildet, wollten aber die Botschaft Jesu nicht annehmen und waren zum großen Teil ihm gegenüber immer mehr feindlich gesinnt. Im Gegensatz dazu hörten die einfachen Leute, wenig gebildet und ohne großes soziales Ansehen, aufmerksamer auf die Worte Jesu und nahmen leichter seine Botschaft auf, so dass viele ihm folgten. So wundert es nicht, dass Jesus gerade diesen Personen die erste Seligpreisung widmet: „Selig, die arm sind vor Gott, denn ihnen gehört das Himmelreich“ (Mt 5,3).
Jesus Christus und Sein Evangelium sind jedoch offen für alle Menschen, auch für jene, die sehr kultiviert sind oder eine wissenschaftliche Ausbildung haben. Auch sie können den Herrn Jesus annehmen, wenn sie sich ein einfaches Herz bewahren und noch über die großen Werke Gottes an Mensch und Kosmos zu staunen imstande sind. Einer dieser Persönlichkeiten ist beispielsweise jener bekannte Wissenschaftler auf dem Gebiet der Mathematik und Geometrie, der große Philosoph und französische Literat Blaise Pascal (1623-1662), an dessen 400. Jahrestag seiner Geburt wir in diesem Jahr denken. Zu diesem Anlass hat Papst Franziskus am 19. Juni 2023 das Apostolische Schreiben Sublimitas et miseria hominis – die Größe und das Elend des Menschen – veröffentlicht, in dem er an die Bekehrung von Blaise Pascal am 23. November 1654 erinnert, die von ihm als Feuernacht beschrieben worden ist. Vom Heiligen Geist erleuchtet hat dieser französische Autor einen geistreichen Text über die Zentralität Jesu Christi im menschlichen und christlichen Leben verfasst, denn Christus allein kann uns die wahre menschliche Natur offenbaren. Pascal kam nämlich zu der sicheren Einsicht: „Wir erkennen nicht allein Gott nur durch Jesus Christus, sondern wir erkennen auch uns selbst nur durch Jesus Christus; wir erkennen Leben und Tod nur durch Jesus Christus. Ohne Jesus Christus wissen wir nicht, was unser Leben und unser Tod, was Gott und wir selbst sind. So erkennen wir nichts ohne die Heilige Schrift, die nur Jesus Christus zum Gegenstand hat, und sehen nur Dunkelheit“ (Blaise Pascal, Gedanken, Stuttgart 2021, 417 nach der französischen Ausgabe von Louis Lafuma).
3. „Kommt alle zu mir, die ihr mühselig und beladen seid!“ (Mt 11,28).
Jesus kennt unsere Größe, wie auch unser Elend. Daher will er uns helfen, vor allem in Zeiten der Prüfungen und der Mutlosigkeit. Seine Einladung gilt allen Menschen, jungen und alten, gesunden und kranken, denn wir alle haben unsere Not und unsere Schmerzen. Wenn die Lebenslast übermächtig wird, wollen wir uns zum Herrn flüchten, um bei ihm Ruhe zu finden. Er selbst sagt: „Kommt alle zu mir, die ihr mühselig und beladen seid. Ich will euch erquicken“ (Mt 11,28). Alle werden von Jesus sodann ermuntert, seine Liebe zu erfahren, die sich in seinem aus tiefstem Herzen kommenden Mitgefühl für alle Menschen ausdrückt (vgl. Mt 9,36). Und so fordert uns Jesus auf: „Nehmt mein Joch auf euch und lernt von mir; denn ich bin gütig und von Herzen demütig; und ihr werdet Ruhe finden für eure Seele“ (Mt 11,29). Das Joch Jesu ist die Liebe zu Gott und zum Nächsten. Mit der Gnade des Heiligen Geistes wird es leicht, auch wenn es schwere oder gar tragische Zeiten in unserem Leben gibt. In jedem Moment steht der Herr Jesus neben uns, mit seinem gütigen und demütigen Herzen, das uns versteht, ermutigt und stärkt auf unserem Weg zum Heil.
Liebe Brüder und Schwestern, die Einladung des Herrn Jesus: „Kommt alle zu mir, die ihr mühselig und beladen seid“ (Mt 11,28) verwirklicht sich in besonderer Weise in den Sakramenten. Das gilt vor allem für die Heilige Messe, zu deren Mitfeier die Gläubigen an jedem Sonn- und Feiertag eingeladen sind. Während der Eucharistiefeier finden wir persönlich und in der Gemeinschaft den auferstandenen Herrn, der in besonderer Weise am Tisch des Wortes und dem der Eucharistie gegenwärtig ist. Es gibt aber auch noch ein anderes wirksames Heilmittel, die Einladung Jesu anzunehmen, nämlich im Sakrament der Versöhnung, jener besonderen Medizin zur geistlichen Heilung. Dieses Sakrament sollten wir wiederentdecken und oft feiern. Mit der erforderlichen Ruhe und gut vorbereitet bekennen wir Jesus über den Priester unsere Joche und Sündenlast, hören den Rat und empfangen die Lossprechung, die Vergebung und den Frieden.
Vertrauen wir unsere Überlegungen der Fürsprache der seligen Jungfrau Maria an, der Mutter der Kirche, damit wir die Einladung Jesu Christi bereitwillig aufgreifen, sein Joch auf uns nehmen und vom ihm lernen, der gütig und von Herzen demütig ist, damit wir Ruhe finden für unsere Seelen (vgl. Mt 11,29). Auf diese Weise möge unser Leben ein immerwährender Lobpreis Gottes, des Vaters, Sohnes und Heiligen Geistes sein. Amen.