Predigt von Nuntius Eterovic am 2. Adventssonntag
Apostolische Nuntiatur, 5. Dezember 2021
(Bar 5,1-9; Ps 126; Phil 1,4-6.8-11; Lk 3,1-6)
„Bereitet den Weg des Herrn" (Lk 3,4).
Liebe Schwestern und Brüder!
Durch die Stimme des Propheten Johannes ermuntert uns die Kirche an diesem zweiten Adventssonntag, den Weg des Herrn zu bereiten. Eine kurze Weile nur, und Er wird zu uns kommen. Sein Kommen ist von besonderer Art, so dass wir uns gut darauf vorbereiten müssen, um Ihm begegnen zu können und die Gabe des Heils zu empfangen. Es handelt sich dabei um eine geistliche Vorbereitung, zu der uns die Lesungen, die wir gehört haben, besonders einladen. Nach einer geschichtlichen Anmerkung (I) präsentiert uns das Evangelium die Gestalt Johannes des Täufers (II) und dessen Botschaft (III). Offen für den Heiligen Geist, lasst uns tiefer in das Wort Gottes vordringen, das uns auf das Gebet und die Versöhnung hin ausrichtet.
1. Historischer Zusammenhang
Der Abschnitt des Lukasevangeliums beschreibt das geschichtliche Umfeld, in das Johannes der Täufer und sodann der Herr Jesus selbst geboren werden. Die Evangelien sind keine Geschichtsbücher, doch helfen uns die dort angegebenen geschichtlichen Daten, das Wort Gottes innerhalb der Geschichte der Menschheit einzuordnen. Der Evangelist verweist auf die römischen Autoritäten, auf Kaiser Tiberius (42 v. Chr. bis 37 n. Chr.) und bezieht sich auf das fünfzehnte Jahr seiner Regierung, was etwa das Jahr 28 nach Christus heißt. Er nennt auch Pontius Pilatus, der in Judäa römischer Statthalter in den Jahren 26 bis 36 unserer Zeitrechnung war. Die erwähnten jüdischen Autoritäten sind: Herodes Antipas, der Tetrarch von Galiläa in den Jahren 4 vor Christus bis 36 nach Christus war; Herodes Philippus, jenen Vierfürsten (Tetrarch) von Ituräa, Golan und Trachonitis, also von Galiläa von 4 vor Christus bis 39 nach Christus, sowie Lysanias, Tetrarch von Abilene am Westhang des Hermon nördlich von Damaskus. Die religiösen Führer Israels waren die Hohenpriester Hannas und Kajaphas. Den Dienst versah Hannas vom Jahr 5 vor Christus bis 15 nach Christus und Kajaphas in der Zeit von 18 bis 36 nach Christus.
Diese historischen Eckpunkte erlauben uns, das Ereignis unsers Heils genau einzuordnen, das im Leben, Sterben und der Auferstehung des Herrn Jesus ihren Höhepunkt hat. Zugleich zeigt es uns die Bedeutung der Geschichte, die eins und unwiederholbar ist, in der wir leben und in welcher wir zur Umkehr gerufen sind, zur heiligenden Begegnung mit Jesus Christus, dem Menschen und Gott, der in Bethlehem im Lande Juda geboren worden ist (vgl. Micha 5,1).
2. Johannes der Täufer
In diesem geschichtlichen Zusammenhang tritt Johannes der Täufer auf, der Sohn des Zacharias. Und so haben wir eine weitere geschichtliche Anmerkung, insofern der Vater des Johannes Zacharias ist, der außerdem zur Priesterklasse der Abija gehörte, der achten von vierundzwanzig Klassen, worin die jüdische Priesterschaft eingeteilt war. Der Evangelist Lukas macht zwei genaue Angaben zur Persönlichkeit des Johannes: er lebte in der Wüste, als das Wort Gottes an ihn erging (vgl. Lk 3,2). Diese Angabe ist auch für uns wichtig, denn es zeigt, das die Wüste ein privilegierter Ort, wo auch wir das Wort Gottes empfangen können. Die Initiative liegt bei Gott selbst, der sein Wort auf Johannes herabsteigen lässt, ein Wort, das „lebendig und wirksam“ ist (Hebr 4,12) und Johannes somit zweitens dazu bewegt, „in die Gegend am Jordan“ zu ziehen, um “dort überall die Taufe der Umkehr zur Vergebung der Sünden“ zu verkünden (Lk, 3,3). Der Geist lässt den Johannes die tiefe Bedeutung der Prophetie des Jesaja erkennen (vgl. Jes 40,3-5), dass seine Berufung darin liegt, die Juden auf den kommenden Messias vorzubereiten. Geschichtlich gesehen wollte der Prophet Jesaja das jüdische Volk während der babylonischen Gefangenschaft trösten, solange es auf die Befreiung und auf die Rückkehr in ihre Heimat wartete, dessen geistliches und politisches Zentrum die Stadt Jerusalem ist. Die erwartete leibliche Rückkehr damals wandelt sich für uns in eine geistliche Umkehr heute.
Die Wüste hat eine vielschichtige Bedeutung. Uns zeigt es die Notwendigkeit, vom erstickenden Lärm der Welt Abstand zu gewinnen, bei uns selbst zu bleiben, um das zu hören, was der Heilige Geist uns durch das Wort Gottes sagt, und ermutigt zu werden, es im Handeln umzusetzen. Einer, der Gottes Wort empfängt, kann nicht passiv bleiben, sondern folgt den Spuren von Johannes dem Täufer und wandert auf den Wegen der Welt, um Jesus Christus und Sein Evangelium zu verkünden. Unsere Wege sind die Beziehungen zu jenen Menschen, mit denen wir leben, sei es in der Familie, der Schule, am Arbeitsplatz, wie auch zu denen, die uns die göttliche Vorsehung auf unseren Weg schickt. Allen sollen wir „eine Taufe der Umkehr zur Vergebung der Sünden“ verkünden (Lk 3,3). Jedoch nunmehr bieten wir sie mit einer anderen, der sakramentalen Perspektive an, die uns der Herr Jesus geoffenbart hat, als er gebot, Christen im Namen des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes zu taufen.
3. „Bereitet den Weg des Herrn“ (Lk 3,5).
Das ist die schwere Aufforderung von Johannes dem Täufer an die Menschen. Er bleibt dabei aber nicht abstrakt, sondern zeigt denen, die ihm zuhören damals und auch uns heute, was wir tun sollen. Das lässt sich an drei Forderungen zeigen:
a) „Macht gerade seine Straßen“ (Lk 3,4).
Die Menschen bauen sich in der Komplexität des Lebens oft Straßen, die nicht die Gottes sind; im Gegenteil, sie verlaufen entgegen von Gottes Willen. Sie suchen Glück, wo sie es nicht finden werden. Wenn die Straßen wie Serpentinen verlaufen, dann windet sich auch der Gang der Menschen. Der Advent ist also eine Zeit, um aus Reue unsere Straßen neu auf Gott hin auszurichten, denn nur so wird Gott in unser Leben eintreten. Nur auf einem geraden, ehrlichen Lebensweg werden wir ihm begegnen können. Der bevorzugte Weg ist jener der Liebe zu Gott und dem Nächsten.
b) „Jede Schlucht soll aufgefüllt werden“ (Lk 3,5).
Trotz allen technischen Fortschritts und bei all den günstigen Bedingungen eines modernen Lebens sind viele Zeitgenossen nicht glücklich, sondern oftmals niedergeschlagen, pessimistisch, misstrauisch. Depression ist eine der heute sehr verbreiteten Krankheiten. In der Adventszeit lädt uns Gott ein, diese Schluchten mit vertrauensvoller Erwartung und in der starken Hoffnung zu füllen, dass der Herr kommt. Und Er ist der Immanuel (vgl. Mt 1,23), der Gott mit uns, der uns Lebensmut schenkt und eine ewige Hoffnung, derer wir alle so sehr bedürfen.
c) „Jeder Berg und Hügel soll abgetragen werden“ (Lk 3,5).
Berg und Hügel stehen in diesem symbolischen Kontext für den Grad von Stolz und Hochmut. Sie sind die Wurzel vieler Sünden. Christen hingegen sollen demütig sein, wie uns der Herr Jesus lehrt. Er wurde arm in einem Stall in Bethlehem geboren. Obwohl von göttlicher Natur, war „sein Leben das eines Menschen; er erniedrigte sich und war gehorsam bis zum Tod, bis zum Tod am Kreuz“ (Phil 2,7-8). Wir wollen daher in dieser Zeit des Heils die Größe der Demut neu entdecken und Stolz und Hochmut ablegen, wie auch alle Selbstzufriedenheit und, so wiederholt der Heilige Vater oft, die Selbstbezogenheit.
Liebe Brüder und Schwestern, lasst uns auf diese Weise leben, um auch in unserem Leben die Prophetie zu verwirklichen: „Und alle Menschen werden das Heil Gottes schauen“ (Lk 3,6). Das möge sich auf die Fürsprache der seligen Jungfrau Maria erfüllen, der Madonna guter Hoffnung, die uns stets die rechte Weise zeigt, die Aufforderung Gottes umzusetzen: „Bereitet den Weg des Herrn“ (Lk 3,4). Amen.