Predigt von Nuntius Eterovic am 2. Adventssonntag

Apostolische Nuntiatur, 4. Dezember 2022

(Jes 11,1-10; Ps 72; Röm 15,4-9; Mt 3,1-12)

„Kehrt um! Denn das Himmelreich ist nahe“ (Mt 3,2)

Liebe Schwestern und Brüder,

der Ruf von Johannes dem Täufer ergeht nicht nur an die Juden seiner Zeit, sondern an uns alle, die wir uns auf das Hochfest von Weihnachten vorbereiten. Öffnen wir also unsere Herzen dem Heiligen Geist, damit wir das Warten des erwählten Volkes auf den Messias wiederbeleben können (I), das sich auf die Geburt vorbereitet, die nahe ist, wie Johannes der Täufer verkündet (II), und der uns zur Bekehrung aufruft, was sich an konkreten Früchten der Liebe zeigt (III).

1. „Bereitet den Weg des Herrn“ (Mt 3,3).

Der Evangelist Matthäus legt Johannes dem Täufer die Worte des Propheten Jesaja in den Mund, der im achten Jahrhundert vor Christus (ca. 765 v.Chr.) gelebt hat. Vom Heiligen Geist inspiriert hat der große Prophet geschrieben: „Stimme eines Rufers in der Wüste: Bereitet den Weg des Herrn! Macht gerade seine Straßen“ (Mt 3,3; vgl. Jes 40.3). Die Propheten suchten, das Warten auf den Messias wachzuhalten, der Frieden und Gerechtigkeit in der Welt aufrichten würde, vor allem in Israel und für das erwählte Volk Gottes. Bei dieser Mission hat Jesaja eine wichtige Rolle gespielt, wie wir in der ersten Lesung gehört haben. Er bietet eine Idealbeschreibung des Messias, der aus dem Stamm des Königs David kommen wird, „aus dem Baumstumpf Isais“ (Jes 11,1). Er wird vom Heiligen Geist und dessen Gaben erfüllt sein: „vom Geist der Weisheit und der Einsicht, der Geist des Rates und der Stärke, der Geist der Erkenntnis und der Furcht des Herrn“ (Jes 11,2). Der Messias wird Gerechtigkeit üben und vor allem die Schwachen, Armen und Unterdrückten aufrichten, denn „er richtet nicht nach dem Augenschein und nach dem Hörensagen entscheidet er nicht, sondern er richtet die Geringen in Gerechtigkeit und entscheidet für die Armen des Landes, wie es recht ist“ (Jes 11,3-4). Nächst der Gerechtigkeit wird der Messias den Frieden und die Eintracht unter den Menschen bringen. Diese Wirklichkeit, die als Geschenk Gottes ist und eine tiefe Erwartung des menschlichen Herzens ausdrückt, wird mit poetischen Worten beschrieben: „Der Wolf findet Schutz beim Lamm, der Panther liegt beim Böcklein. Kalb und Löwe weiden zusammen, ein kleiner Junge leitet sie“ (Jes 11,6). Um diese Wirklichkeit in den Herzen und in der Welt zu verwirklichen, müssen die Menschen dem Bösen entsagen und nach dem Willen von JHWH leben: „Man tut nichts Böses und begeht kein Verbrechen auf meinem ganzen heiligen Berg; denn das Land ist erfüllt von der Erkenntnis des Herrn so wie die Wasser das Meer bedecken“ (Jes 11,9). Die wiederkehrende Lesung dieser prophetischen Abschnitte hilft uns somit, im Alten Testament die Abschnitte des Neuen Testamentes wiederzuentdecken, die den Messias so treffend beschreiben, nämlich die Person Jesu Christi und seine Botschaft. Zugleich fordern sie uns dazu auf, uns gut auf das kommende Weihnachtsfest vorzubereiten.

2. „Kehrt um! Denn das Himmelreich ist nahe“ (Mt 3,2).

Diese Worte erinnern uns an das, was Jesus zu Beginn seines öffentlichen Wirkens gesagt hat: „Die Zeit ist erfüllt, das Reich Gottes ist nahe. Kehrt um und glaubt an das Evangelium“ (Mk 1,15). Es gibt daher eine Übereinstimmung zwischen der Botschaft und dem Wirken von Johannes dem Täufer und Jesus, doch sind die Unterschiede größer. Das ergibt sich übrigens aus der Mission der beiden: Jesus ist der Messias und Johannes sein Vorläufer. Während Johannes „mit Wasser zur Umkehr“ tauft (Mt 3,11), wird Jesus „mit Heiligem Geist und mit Feuer taufen“ (Mt 3,12).

Neben dem eindrucksvollen Aufruf des Johannes zur Umkehr, werden die Menschen aus Jerusalem, Judäa und der Jordangegend (vgl. Mt 3,5) von der asketischen Gestalt angezogen, was man schon an seiner Kleidung feststellen kann: Er „trug ein Gewand aus Kamelhaaren und einen ledernen Gürtel um seine Hüften“; aber auch an seinem strengen Lebensstil: „Heuschrecken und wilder Honig waren seine Nahrung“ (Mt 3,4). Demgegenüber war die Haltung Jesu, der ebenfalls die Mengen anzog, nicht so rigide. Er musste sich vielmehr dagegen wehren, „ein Fresser und Säufer, ein Freund der Zöllner und Sünder“ (Mt 11,19) genannt zu werden.

Johannes taufte am Jordan die Leute, die zu ihm kamen und ihre Sünden bekannten (vgl. Mt 3,6). Doch allein diese rituelle Geste reichte nicht aus. Dies war vielmehr ein äußerer, formaler Ausdruck der Umkehr, doch sie musste das Innerste der menschlichen Person berühren, das Herz, das den Anstoß gibt, den Lebensstil zu ändern und den Vorsatz zu fassen, den Willen Gottes zu erfüllen. Das ist der Grund, warum Jesus vor allem den Pharisäern und Sadduzäern, die für zwei wichtige Kategorien in der jüdischen Gesellschaft stehen, ihren religiösen Formalismus zum Vorwurf gemacht hat. Sie glaubten, es genüge, zum erwählten Volk zu gehören, um gerettet zu werden, ohne mit aufrechtem Herzen die vorgeschriebenen Werke des Gesetzes zu vollbringen. Die Worte des Vorläufers sind klar: „Bringt Frucht hervor, die eure Umkehr zeigt, und meint nicht, ihr könntet sagen: Wir haben Abraham zum Vater. Denn ich sage euch: Gott kann aus diesen Steinen dem Abraham Kinder erwecken“ (Mt 3,8-9).

Was die Predigt von Johannes dem Täufer noch charakterisiert, das ist das furchterregende strenge und unerbittliche Gericht Gottes. Seine Worte sind hart: „Schon ist die Axt an die Wurzel der Bäume gelegt; jeder Baum, der keine gute Frucht hervorbringt, wird umgehauen und ins Feuer geworfen“ (Mt 3,10), wie auch: Der Messias hält „die Schaufel in der Hand; und er wird seine Tenne reinigen und den Weizen in seine Scheune sammeln; die Spreu aber wird er in nie erlöschendem Feuer verbrennen“ (Mt 3,12). Auch hier unterscheidet sich Jesus von Johannes dem Täufer. Er zeigt sich als der barmherzige Hirte und Freund von Zöllnern und Sündern (vgl. Mt 9,10-11). Angesichts des Vorwurfs der Pharisäer macht der Herr Jesus sein Verhalten deutlich: „Geht und lernt, was es heißt: Barmherzigkeit will ich, nicht Opfer! Denn ich bin nicht gekommen, um Gerechte zu rufen, sondern Sünder“ (Mt 9,13). Bevor es zum Gericht Gottes über die Menschen kommt und vor der Verdammnis, predigt Jesus Christus und übt er die Vergebung und Versöhnung mit Gott und dem Nächsten. Angesichts dieses Verhaltens bekam auch Johannes der Täufer Zweifel und schickte vom Gefängnis aus zwei seiner Jünger, die Jesus fragten: „Bist du der, der kommen soll, oder sollen wir auf einen anderen warten?“ (Mt 11,3). Die Antwort Jesu ist über jeden Zweifel erhaben: „Geht und berichtet Johannes, was ihr hört und seht: Blinde sehen wieder und Lahme gehen; Aussätzige werden rein und Taube hören; Tote stehen auf und Armen wird das Evangelium verkündet. Selig ist, wer an mir keinen Anstoß nimmt“ (Mt 11,4-6). Johannes kannte die Schriften gut und wusste, welche Zeichen das Wirken des Messias begleiten würden. Daher musste auch er die Macht der Liebe Gottes erkennen, die sich in Jesus Christus offenbart und viel stärker ist als Drohungen und Strafen, die denen vorbehalten bleiben, die sich der Gnade des Heiligen Geistes verschließen und die Liebe Gottes nicht annehmen, sondern in der Sünde verharren und dem Nächsten Böses tun.

3. „Bringt Frucht hervor, die eure Umkehr zeigt“ (Mt 3,8).

Im Licht des Wortes Gottes müssen auch wir uns fragen, liebe Brüder und Schwestern, was wir in dieser Adventszeit tun sollen, um gut auf das Weihnachtsfest vorbereitet zu sein? Zunächst ist nötig, unser Herz in der Gnade des Heiligen Geistes zu erneuern. Auch wir sind aufgefordert, unsere Sünden zu bekennen, vor allem im Sakrament der Versöhnung und somit nicht mehr vor einem Propheten wie Johannes dem Täufer, sondern vor dem Herrn Jesus, dem Gott und Menschen, der dieses Sakrament eingesetzt und den Priestern zur Verwaltung aufgetragen hat. Die sakramentale Umkehr muss sodann praktische Folgen in unserem Leben haben. Der Besuch der seligen Jungfrau Maria bei ihrer Cousine Elisabeth (vgl. Lk 1,36-56), woran wir besonders im Advent erinnert werden, sollte uns zur spontanen Liebe zu Menschen in Not anspornen. Wenn wir ihrem Beispiel folgen, dann müssen wir mit der göttlichen Gnade Gott mehr und schöner lieben und diese Liebe im Gebet, in der Anbetung und der Achtung Seiner Gegenwart in jeder Person, der wir während unseres Lebensweges begegnen, zum Ausdruck bringen und in Werken der Liebe sichtbar machen. Es gibt so viele, die unsere geistliche und materielle Hilfe nötig haben. Denken wir nur an die Armen, Kranken und Migranten, die zu Millionen aufgrund von Gewalt und Krieg ihre Häuser und ihre Heimat verlassen mussten. Denken wir an die Ukrainer, die seit neun Monaten Opfer eines grausamen Krieges sind, der durch die Aggression der Russischen Föderation verursacht ist. Wir sind den Menschen und der Bundesrepublik Deutschland dafür dankbar, dass hier mehr als eine Million Ukrainer Aufnahme gefunden haben. Überlegen auch wir, wie wir diesen Personen helfen können, damit auch sie in dieser Adventszeit die Nähe Jesu Christi erfahren können, dem Wort, das an Weihnachten Mensch geworden ist, um seither mit und bei uns zu bleiben als der „Immanuel, das heißt übersetzt: Gott mit uns“ (Mit 1,23). Amen.

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