Predigt von Nuntius Eterovic am 2. Adventssonntag
Berlin, 8. Dezember 2018
(Bar 5,1-9; Ps 126; Phil 1,4-6.8-11; Lk 3,1-6)
„Bereitet den Weg des Herrn!" (Lk 3,4).
Liebe Schwestern und Brüder!
Das Wort Gottes dieses zweiten Adventssonntages legt uns über Johannes den Täufer die Aufforderung ans Herz, uns auf das Kommen des Messias vorzubereiten. Der Advent ist eine Zeit der Freude, denn die Verheißung Gottes ist im Begriff, sich zu erfüllen. Zugleich ist er für jeden Christen eine Zeit der Gewissenserforschung, denn er soll das Wort ernst nehmen, das Gott an uns persönlich und als Glieder der kirchlichen Gemeinschaft richtet. Wir wollen besonders bei der Erzählung des heutigen Evangeliums verweilen, indem wir den historischen Kontext unserer Heilsereignisse erhellen (I), um sodann der Berufung des Täufers Johannes zu folgen (II) und über die Bedeutung seines Rufs nach Umkehr zu reflektieren (III).
1. Der historische Kontext.
Die Evangelien sind keine historischen Berichte im strengen Sinne. Sie sammeln die Lehre Jesu von Nazareth mittels seiner Worte und Werke und lassen uns eintreten in das Geheimnis des Heils, das sich vor fast 2.000 Jahren ereignet hat und durch die Gnade und die Kraft des Heiligen Geistes immer aktuell und gegenwärtig bleibt. Die biblischen Erzählungen sind aber auch nicht einfach unhistorisch. Es begegnen uns oft zuverlässige Bezüge auf Ereignisse und Personen. So auch im heutigen Evangelium, wo der Heilige Lukas den Beginn der Mission des Johannes des Täufers in einen genauen geschichtlichen Kontext einordnet. Wir rufen uns noch einmal die erwähnten historischen Personen ins Gedächtnis: Kaiser Tiberius war der römische Imperator, Pontius Pilatus Statthalter Roms in Judäa, Herodes Tetrarch von Galiläa, Philippus, der Bruder des Herodes, war Tetrarch von Ituräa und der Trachonitis, Lysanias Tetrarch von Abilene. Es handelt sich um Heiden, die während der Zeit Jesu im Amt waren und die außerdem erwähnt werden, weil sie Beziehungen mit Angehörigen des Volkes Israel hatten. Unter ihnen ist Pontius Pilatus für uns besonders interessant. Gut beschrieben wird er im Johannesevangelium (vgl. Joh 18,28-60.19,1-16), wo er als Statthalter von Judäa unter dem Druck der Juden den Barnabas freilässt und Jesus zum Tode verurteilt. Erst jüngst haben Archäologen den Namen des Pontius Pilatus auf einem Bronzering entdeckt, der vor etwa 50 Jahren in Herodium nahe Bethlehem entdeckt worden war. Der Ring wurde zusammen mit anderen Gebrauchsgegenständen gefunden, die auf die Hälfte des ersten Jahrhunderts der christlichen Zeitrechnung datiert werden. Mit moderner Technik war es möglich, den Namen des Pontius Pilatus auszumachen und somit einen weiteren Beweis seiner Präsenz in Palästina zur Zeit des öffentlichen Wirkens Jesu zu haben.
Der Evangelist Lukas erinnert auch an zwei Vertreter des jüdischen Volkes, die Hohenpriester Hannas und Kajaphas, die ebenfalls in den Passionsberichten des Herrn Jesus erwähnt werden.
2. Die Mission Johannes des Täufers.
In diesem geschichtlichen und religiösen Kontext ergreift Gott die Initiative und ruft Johannes den Täufer zu einer besonderen Mission. Der biblische Bericht ist diesbezüglich klar und eindeutig: „Da erging in der Wüste das Wort Gottes an Johannes, den Sohn des Zacharias" (Lk 3,2). Jetzt ist die Zeit erfüllt, und nach dem Plan Gottes ist das Heilswerk, das lange schon vorbereitet ist, im Begriff, vollendet zu werden. Die Heilige Schrift bezeugt, daß Gott bei jedem für das Heil wichtigen Werk die Initiative hat und er mittels erwählter Menschen handelt. Auch in der ersten Lesung aus dem Buch des Baruch liest man, daß Gott die Initiative ergriffen hat: „Denn Gott hat befohlen: Senken sollen sich alle hohen Berge und die ewigen Hügel und heben sollen sich die Täler zu ebenem Land, sodass Israel unter der Herrlichkeit Gottes sicher dahinziehen kann" (Bar 5,7). Nach dem heutigen Evangelium schickt Gott den Täufer Johannes aus, „und er zog in die Gegend am Jordan" (Lk 3,3). JHWH vertraut ihm zu predigen als Mission an, und so „verkündete er dort überall die Taufe der Umkehr zur Vergebung der Sünden" (Lk 3,3). Auf diese Weise erfüllen sich in Johannes die Worte des Propheten Jesaja, denn er wird die „Stimme eines Rufers in der Wüste: Bereitet den Weg des Herrn" (Lk 3,4). Aus den biblischen Berichten wissen wir, daß die Verkündigung des Johannes erfolgreich gewesen war, denn viele wurden von der Kraft seines Wortes, wie auch vom Beispiel seines asketischen Lebens angezogen. Und viele kamen und ließen sich im Jordan taufen.
3. Der Ruf zur Umkehr.
Vom Heiligen Geist angespornt ruft Johannes der Täufer nicht nur seine Zeitgenossen zur Umkehr auf konkrete Weise, sondern alle Menschen, auch die zu Beginn des 21. Jahrhunderts. Bleiben wir bei seinen drei Forderungen:
-„Macht gerade seine Straßen!" (Lk 3,4)
In ländlichen und hügeligen Gegenden sind die Straßen schmal und meist schlecht ausgebaut. Dieses Bild kann uns helfen zu verstehen, daß auch in unserem Leben unsere Wege krumm sein können und uns nicht zu dem vorherbestimmten Ziel führen. Es ist vor allem in der Adventszeit wichtig, unsere Straßen auf Gott hin zu begradigen, damit wir zur Begegnung mit Ihm gelangen und nicht um uns selber kreisen oder eine falsche Richtung einschlagen, die womöglich entgegengesetzt der ist, die uns zur Begegnung mit Jesus führt, dessen Ankunft nahe ist.
-„Jede Schlucht soll aufgefüllt werden" (Lk 3,5).
Im alltäglichen Leben begegnen uns viele Schwierigkeiten, erleben wir manche Enttäuschung oder Unzufriedenheit und sind zuweilen frustriert, heute könnte man sagen, daß wir unter Depressionen leiden. Das sind unsere Schluchten und Täler, die aufgefüllt werden müssen mit der Willenskraft, die von Gottes Gnade unterstützt wird. Sicher, Gott hilft uns, gibt uns seine Unterstützung, aber er erwartet auch, daß wir unseren Teil dazu beitragen, wenigstens daß wir den Wunsch haben, aufzustehen und zur Begegnung mit ihm aufzubrechen. Diese Begegnung sollte uns mit Vertrauen und Freude erfüllen, fähig, alle unsere Schluchten aufzufüllen, um auf ebenem Weg zum Herrn zu gelangen.
- „jeder Berg und Hügel soll abgetragen werden" (Lk 3,5).
Eines der größten Hindernisse bei der Begegnung des Menschen mit Gott ist der Hochmut, der Stolz. Dieser kann verschiedene Grade haben. Im radikalsten Fall kommt es dazu, Gott zu verneinen und danach zu streben, den Menschen auf seinen Platz zu setzen. Das ist die erbsündliche Versuchung der Schlange, die den Stammeltern versicherte, sie müssten nicht sterben, wenn sie von den Früchten des verbotenen Baumes essen: „Gott weiß vielmehr: Sobald ihr davon esst, gehen euch die Augen auf; ihr werdet wie Gott und erkennt Gut und Böse" (Gen 3,5). In der Zeit des Advents lädt uns die Kirche ein, die Demut als besten Weg der Vorbereitung auf Weihnachten neu zu entdecken, denn wir feiern das Hochfest der großen Demut Gottes, der Mensch wird.
Liebe Brüder und Schwestern, nehmen wir teil an der Verheißung, die Gott durch den Propheten Johannes den Täufer vermittelt: „Alle Menschen werden das Heil Gottes schauen" (Lk 3,6). Diese Worte erfüllen uns mit Vertrauen und erinnern uns an den Willen Gottes, „dass alle Menschen gerettet werden und zur Erkenntnis der Wahrheit gelangen" (1 Tim 2,4). Das wird für jeden von uns in dem Maß möglich, mit dem wir uns bemühen werden, den Weg des Herrn zu bereiten (vgl. Lk 3,4). Nach dem Wort Gottes, das wir gehört haben, wird das möglich, wenn wir demütig werden, wenn unsere Wege mit denen Gottes übereinstimmen und wenn wir mit der Hilfe der göttlichen Gnade danach suchen, jede Schlucht aufzufüllen, die uns an der Begegnung mit dem Herrn, der kommt, hindern will. Damit all das Teil unserer Vorbereitung auf das hohe Weihnachtsfest werden möge, vertrauen wir uns der Fürsprache der seligen Jungfrau Maria an, der Mutter Jesu und unsere Mutter. Sie, die Frau guter Hoffnung und Madonna in Erwartung, lehre uns, in rechter Weise und mit wachsamer Freude auf die Ankunft ihres und unseres Erlösers zu warten. Amen.