Predigt von Nuntius Eterović am 2. Ostersonntag in St. Clemens zu Berlin

Sonntag der Göttlichen Barmherzigkeit

(Apg 4,32-35; Ps 118; 1 Joh 5,1-6; Joh 20,19-31)

St. Clemens zu Berlin, 8. April 2018

„Weil du mich gesehen hast, glaubst du. Selig sind, die nicht sehen und doch glauben“ (Joh 20,29).

 

Verehrte Vinzentinerpatres!
Liebe Brüder und Schwestern!

Wir haben uns wieder in dieser schönen Kirche des Heiligen Clemens zur Feier des Sonntags der Göttlichen Barmherzigkeit versammelt. Vor zwei Jahren gab es die erste Begegnung, als wir Gott für die 10 Jahre des Exerzitienzentrums der Göttlichen Barmherzigkeit gedankt haben. Ich grüße herzlich die Vinzentinerpatres, die unter Leitung von Hochwürdigen Pater Jilson Mathew VC das wertvolle Werk der geistlichen Begleitung vieler Menschen fortsetzen, die ihr Leben mit größerer christlicher Verfügbarkeit dem Dienst an Gott und dem Nächsten widmen wollen.

Heute am zweiten Ostersonntag feiern wir den Sonntag der Göttlichen Barmherzigkeit. Dieses Fest wurde vom Heiligen Papst Johannes Paul II. eingeführt. Inspiriert ist es von der Heiligen Faustina Kowalska (1905-1938), der Förderin der Verehrung des barmherzigen Jesus, die vom gleichen Papst am 30. April 2000 heiliggesprochen wurde. Der Heiligen Faustina war geschenkt, das Evangelium mit dem Schlüssel des Verständnisses von der Barmherzigkeit Gottes zu lesen. Diese Vision hat sich sodann in der ganzen Kirche verbreitet, was besonders den Nachfolgern des Heiligen Johannes Paul zu verdanken ist, Papst Benedikt und insbesondere Papst Franziskus, der, wie bekannt ist, ein Jubiläumsjahr der Barmherzigkeit ausgerufen hatte (8. Dezember 2015 bis 20. November 2016). Allen ist die zusammenfassende Wendung der Verehrung von Jesu Barmherzigkeit geläufig: „Jesus, ich vertraue auf dich!“ Auch wir wollen diesen Satz des Glaubens wiederholen und rufen: „Jesus, ich vertraue auf dich!“. Bei dieser Gelegenheit grüße ich Euch alle herzlich im Namen des Heiligen Vaters Franziskus, den ich die Ehre habe, in der Bundesrepublik Deutschland zu vertreten. Er wird nicht müde, die Barmherzigkeit unseres Gottes gegenüber allen Menschen zu verkünden, denn der gute und barmherzige Gott „will, dass alle Menschen gerettet werden und zur Erkenntnis der Wahrheit gelangen“ (1 Tim 2,4). Ich danke Euch für das Gebet für Papst Franziskus und seine bedeutsame Sendung in Kirche und Welt. Als Zeichen der geistlichen Einheit mit dem Heiligen Vater, dem Bischof von Rom und Hirten der Universalkirche, erteile ich am Ende der Heiligen Messe den Apostolischen Segen.

Das Wort Gottes, das wir gehört haben, hilft uns, das Geheimnis der barmherzigen Liebe Gottes zu durchdringen, das sich im Ostergeheimnis, in der Passion, dem Tod und der Auferstehung Jesu Christi geoffenbart hat. Im Mittelpunkt steht das Johannesevangelium, das uns von Jesus berichtet, der zweimal den Jüngern erscheint, einmal am Tag der Auferstehung, sodann eine Woche später (I). Ich möchte allerdings die Aufmerksamkeit auf den Antwortpsalm lenken, den wir nach dem Sieg Jesu über Sünde und Tod in einem neuem Licht lesen müssen (II). Die beiden Lesungen zeigen uns einige wichtige Aspekte für ein authentisches und missionarisches christliches Leben (III).

1. Der barmherzige Jesus – Quelle des Friedens.

Im heutigen Evangelium des Heiligen Johannes wird Jesus als Sieger gezeigt, der die volle Herrschaft besitzt. Er tritt durch die verschlossene Tür und grüßt die Seinen mit den Worten: „Friede sei mit euch“ (Joh 20,19). Es handelt sich um den Ostergruß, den der Herr Jesus in diesem Abschnitt des Evangeliums dreimal wiederholt. Außerdem zeigt er den Jüngern „seine Hände und seine Seite“ (Joh 20,20). Als sie erkannten, daß es derselbe Jesus war, der das Leiden auf sich nahm und gekreuzigt wurde, erfasste sie große Freude. Jesus schenkt den Zwölf den Heiligen Geist und sendet sie aus (vgl. Joh 20,21-22). Die Abwesenheit des Thomas, genannt Didimus, Zwilling, verhilft den Jüngern zu einer weiteren Begegnung mit dem auferstandenen Herrn. Dies geschieht am darauffolgenden Sonntag, wo auch der Apostel Thomas dabei war. Nachdem dieser die Wundmale Jesu gesehen hatte, rief er aus: „Mein Herr und mein Gott“ (Joh 20,28). Der Herr aber meinte tadelnd: „Weil du mich gesehen hast, glaubst du. Selig sind, die nicht sehen und doch glauben“ (Joh 20,29). Mit der Auferstehung Jesu beginnt eine neue Epoche. Nun ist es nicht mehr so relevant, die Person Jesu physisch zu sehen. Wichtiger ist jetzt, an Ihn zu glauben, der die Grenzen von Raum und Zeit überschritten hat, für immer auf der ganzen Welt gegenwärtig ist, in jeder Person, vor allem in der Gemeinschaft der zum Gebet versammelten Gläubigen. Der auferstandene Herr ist also auch in unserer Mitte gegenwärtig. Er grüßt uns mit dem österlichen Gruß: „Der Friede sei mit euch!“ und schenkt uns den Heiligen Geist, der schon am Anfang unseres Glaubens an den Mensch und Gott Jesus da war. Allein dank des Geistes des auferstandenen Herrn können wir an Ihn glauben und verdienen wir die Ermahnung: Selig, die ihr nicht seht und doch glaubt (vgl. Joh 20,29).

2. Seine Barmherzigkeit ist ewig.

Mit festem Blick auf Christus, der auferstanden und gegenwärtig inmitten seiner Kirche ist, also auch in unserer Gemeinschaft, loben und danken wir ihm mit den Worten des Antwortpsalms. Der Text des 118. Psalms wurde lange Zeit vor dem Jesusereignis niedergeschrieben. Die Gläubigen aber haben, geführt vom Heiligen Geist, das Lob Gottes vorweggenommen, denn seine Barmherzigkeit ist ewig. Dieser Kehrvers wiederholt sich viermal nach jeder Aufforderung: „Dankt dem HERRN, denn er ist gut, denn seine Huld währt ewig! So soll Israel sagen: Denn seine Huld währt ewig. So soll das Haus Aaron sagen: Denn seine Huld währt ewig. So sollen sagen, die den HERRN fürchten: Denn seine Huld währt ewig“ (Ps 118,1-4). In der zweiten Hälfte des Psalms wird das Lob der Barmherzigkeit Gottes mit den Taten zu unserem Heil verbunden. So nimmt zum Beispiel der Vers: „Ein Stein, den die Bauleute verwarfen, er ist zum Eckstein geworden. Vom HERRN her ist dies gewirkt, ein Wunder in unseren Augen“ (Ps 118, 22-23) deutlichen Bezug auf Ostern in der christlichen Verkündigung. Mit Blick auf die Auferstehung des Herrn heißt das: „Die Rechte des HERRN, sie erhöht, die Rechte des HERRN, Taten der Macht vollbringt sie“ (Ps 118,16). Gott lässt seinen Sohn nicht im Tod: „Ich werde nicht sterben, sondern leben, um die Taten des HERRN zu verkünden. Der HERR hat mich gezüchtigt, ja, gezüchtigt, doch mich dem Tod nicht übergeben“ (Ps 118,17-18). Der Vers: „Dies ist der Tag, den der HERR gemacht hat; wir wollen jubeln und uns über ihn freuen“ (Ps 118,24) kehrt in der Liturgie der Osterzeit häufig wieder. Es handelt sich um den endgültigen Tag, an dem Gott den letzten Feind besiegt, den Tod (vgl. 1 Kor 15,25), und für alle die Tore zum Himmel öffnet (vgl. Joh 14,2-3).

3. Seid Zeugen und Missionare.

Liebe Brüder und Schwestern, die Feier des Sonntags der Göttlichen Barmherzigkeit muss jeden von uns persönlich und als Mitglied der Gemeinschaft der Kirche betreffen. Um die Tiefe der Geheimnisse, die wir feiern, zu erfassen, brauchen wir den Glauben. In einer säkularisierten Welt, in der viele unserer Brüder und Schwestern sagen, daß sie keiner Religionsgemeinschaft angehören, sind die Worte des Apostels Johannes bedeutsam: „Denn alles, was aus Gott gezeugt ist, besiegt die Welt. Und das ist der Sieg, der die Welt besiegt hat: unser Glaube. Wer sonst besiegt die Welt, außer dem, der glaubt, dass Jesus der Sohn Gottes ist?“ (1 Joh 5,4-5). Allein der Glaube besiegt den Unglauben, die Welt im negativen Sinn als Gegensatz zu Gott und seiner Liebe. Es handelt sich um den Glauben an Jesus, der gestorben ist und auferstand, an den, „der durch Wasser und Blut gekommen ist“ (1 Joh 5,6). Der Heilige Geist, den wir in der Taufe empfangen haben, gibt Zeugnis für Jesus: „Und der Geist ist es, der Zeugnis ablegt; denn der Geist ist die Wahrheit“ (1 Joh 5,6). Erflehen wir von Gott die Gabe des Heiligen Geistes, damit wir im Glauben gestärkt werden und wie Thomas bekennen können, daß Jesus „Mein Herr und mein Gott“ (Joh 20,28) ist.
Erleuchtet vom Heiligen Geist sind wir gerufen, Zeugen des gestorbenen und auferstandenen Christus in unseren Familien, in unseren Gemeinschaften zu sein und an den Orten, wo wir leben und arbeiten. Wie er es einst mit den Zwölf tat, so sendet der auferstandene Jesus auch uns, die Gute Nachricht zu verkünden: „Friede sei mit euch! Wie mich der Vater gesandt hat, so sende ich euch“ (Joh 20,21). Die Apostel wurden vom Heiligen Geist, den der auferstandene Herr über sie ausgegossen hat, verwandelt: „Empfangt den Heiligen Geist! Denen ihr die Sünden erlasst, denen sind sie erlassen; denen ihr sie behaltet, sind sie behalten“ (Joh 20,22-23). Der Geist tilgt die Sünden, auch die des Unglaubens der Jünger, denn alle, mit Ausnahme von Johannes, hatten ihn in der Stunde der Prüfung verlassen. In der Kraft des Heiligen Geistes haben die Apostel nunmehr ohne Furcht das Geheimnis Jesu, der gestorben und auferstanden war, verkündet und auch das Martyrium um des Glaubens willen angenommen.

Unser Zeugnis wird umso überzeugender, wenn es von einem christlichen Lebensstil begleitet wird. In der ersten Lesung aus der Apostelgeschichte lesen wir: „Die Menge derer, die gläubig geworden waren, war ein Herz und eine Seele. Keiner nannte etwas von dem, was er hatte, sein Eigentum, sondern sie hatten alles gemeinsam“ (Apg 4,32). Heute wäre dieses Ideal des Lebens in einer religiösen Gemeinschaft möglich. Aber auch die Christen, die in der Welt leben, sollten sich von diesem idealen Anspruch treffen lassen, indem sie sensibel werden für die materiellen und geistlichen Bedürfnisse der Armen und der Menschen am Rand der Gesellschaft. Die christliche Liebe kommt aus der Natur des christlichen Glaubens und ist keine mögliche Sache, die der Gläubige sogar weglassen könnte. Wir erinnern das Wort Jesu, daß wir am Ende gerichtet werden nach der Liebe, die den Kleinsten erwiesen haben, die von ihm besonders bevorzugt werden (vgl. Mt 25,31-46).

Liebe Brüder und Schwestern, vertrauen wir diese Überlegungen der mächtigen Fürsprache der seligen Jungfrau Maria an, der Königin des Himmels. Sie, die „voller Gnade“ ist (Lk 1,38), war nicht nur die Mutter Jesu, sondern auch dessen erste Jüngerin. Sie möge uns die Gabe eines starken Glaubens erflehen – eines Glaubens, der glaubt, ohne zu sehen -, damit wir überzeugte Zeugen Jesu werden, der für uns gestorben und auferstanden ist, und eifrige Missionare Seines Evangeliums, indem wir Seinen österlichen Frieden den Nahen und Fernen bringen. Amen.

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