Predigt von Nuntius Eterovic am 22. Sonntag im Jahreskreis

Apostolische Nuntiatur, 3. September 2023

(Jer 20,7-9; Ps 63; Röm 12,1-2; Mt 16,21-27)

„Wer sein Leben retten will, wird es verlieren; wer aber sein Leben um meinetwillen verliert, wird es finden“ (Mt 16,25).

Liebe Schwestern und Brüder!

Jeder Mensch sehnt sich nach dem eigenen Glück und nach dem Glück jener Menschen, die ihm am Herzen liegen. Es ist ein universelles Verlangen, das jedem Menschen eigen ist. Das Wort Gottes, das wir gehört haben, lehrt uns, wie wir dies edle Streben des menschlichen Herzens verwirklichen können, indem wir dem Beispiel Jesu Christi folgen. In diesem Zusammenhang ist die Erfahrung Petrus (I) und sein Vergleich mit dem Meister Jesus (II) von Bedeutung und fordert uns persönlich und als Mitglieder der kirchlichen Gemeinschaft heraus (III). Öffnen wir uns der Gnade des Heiligen Geistes, um die Botschaft des Lebens zu verstehen, die Gott heute an uns richtet.

1. Petrus sucht den Tod Jesu zu verhindern.

Die erste Ankündigung des Todes Jesu: „Er müsse nach Jerusalem gehen und von den Ältesten und Hohepriestern und Schriftgelehrten vieles erleiden, er müsse getötet und am dritten Tag auferweckt werden“ (Mt 16,21) war für die Apostel und somit auch für Simon Petrus ein tiefer Schock. Die harten Worte wollte er nicht akzeptieren. Deshalb nahm er Jesus beiseite, um ihn von diesem schrecklichen Schicksal abzubringen. „Das soll Gott verhüten, Herr! Das darf nicht mit dir geschehen“ (Mt 16,22). Den Worten des Petrus können wir entnehmen, dass er und die übrigen Apostel eine triumphale, politische Auffassung von der Sendung des Messias hatten, der seine Feinde, allen voran die römischen Besatzer, besiegen und dem Volk Israels Freiheit und Frieden bringen würde. Außerdem lässt sich die Zuneigung zum Meister wahrnehmen. Petrus möchte ihn vor dem grausamen Leiden bewahren, das ein gewaltsamer Tod vor allem am Holze des Kreuzes mit sich bringt.

2. Jesus weist die Versuchung zurück.

Die Reaktion Jesu auf die Äußerungen des Petrus zeigt die Entschlossenheit des Herrn, seinem Weg zu folgen, der ihn nach Jerusalem führt und sodann zum Sieg über das Böse, die Sünde und den Tod. Es ist ein großartiges Werk, das von Gott, dem Vater gewollt und in der Gemeinschaft des Heiligen Geistes zum Heil aller Menschen getan wird, so dass jedem die Tür zur Auferstehung geöffnet und der Zugang zum ewigen Leben möglich wird. Deshalb reagiert der Herr äußerst ungehalten auf die Worte des Petrus: „Tritt hinter mich, du Satan! Ein Ärgernis bist du mir, denn du hast nicht das im Sinn, was Gott will, sondern was die Menschen wollen“ (Mt 16,23). In kürzester Zeit ändert sich die Haltung Jesu zum Apostel Petrus, was durch das Verhalten und die Worte des Apostels verursacht wird. Petrus hatte erst kürzlich das Bekenntnis abgelebt: „Du bist der Christus, der Sohn des lebendigen Gottes“ (Mt 16,16), wofür er gelobt wird: „Selig bist du, Simon Barjona; denn nicht Fleisch und Blut haben dir das offenbart, sondern mein Vater im Himmel“ (Mt 16,17). Und dieser Glaube des Petrus wird zum Fundament der vom Herrn gewollten Kirche: „Du bist Petrus und auf diesen Felsen werde ich meine Kirche bauen und die Pforten der Unterwelt werden sie nicht überwältigen“ (Mt 16,18). Doch nun verhält sich Petrus wie Satan, der sich der Verwirklichung des göttlichen Planes in Jesus Christus widersetzt. So hat der Teufel Jesus schon zu Beginn seines öffentlichen Wirkens versucht (vgl. Mt 4,1-11) und wollte ihn auf diese Weise von seinem Heilsplan abbringen.

3. Die Bedeutung des Kreuzes

Wenn wir aufrichtig unser Gewissen prüfen, erkennen wir, dass Christen sich oft wie der Apostel Petrus verhalten und das Kreuz auf jede Weise zu vermeiden suchen. Aber das christliche Leben ist ohne das Kreuz nicht möglich. Der Herr selbst hat es deutlich zum Ausdruck gebracht: „Wenn einer hinter mir hergehen will, verleugne er sich selbst, nehme sein Kreuz auf sich und folge mir nach“ (Mt 16,24). Zur Bedeutung des Kreuzes im christlichen Leben betont der Heilige Vater Franziskus: „Einen christlichen Lebensstil anzunehmen, bedeute folglich, mit Jesus das Kreuz zu nehmen und weiterzugehen. Christus selbst habe uns diesen Stil vorgelebt, indem er sich selbst erniedrigt habe. Obwohl er Gott gleich gewesen sei, … habe er sich dessen nicht gerühmt, er habe sich nicht für ein unverzichtbares Gut gehalten, sondern sich selbst erniedrigt und er sei für uns alle zum Knecht geworden. … Wir können uns das christliche Leben nicht abseits dieser Straße, dieses Weges denken, den er als erster beschritten hat. Es sei der Weg der Demut, auch der Erniedrigung, der Selbsterniedrigung, insofern der christliche Stil ohne das Kreuz alles andere als christlich ist, und wenn das Kreuz ein Kreuz ohne Jesus ist, dann ist es nicht christlich“ (Morgenimpuls vom 06. März 2014 – siehe L’Osservatore Romano, Wochenausgabe in deutscher Sprache Nr. 13, 28. März 2014).

Mit Jesus Christus können wir in der Gnade des Heiligen Geistes das Kreuz nicht nur passiv annehmen, sondern es in ein geistliches Gut für uns selbst und für andere verwandeln. Vom Heiligen Geist inspiriert hat der heilige Paulus geschrieben: „Ich aber will mich allein des Kreuzes Jesu Christi, unseres Herrn, rühmen, durch das mir die Welt gekreuzigt ist und ich der Welt“ (Gal 6,14). Der Völkerapostel mahnt jeden einzelnen Christen: „Lass dich nicht vom Bösen besiegen, sondern besiege das Böse durch das Gute“ (Röm 12,21). Hierfür führt er konkrete Beispiele an, die diesen christlichen Grundsatz erklären: „Wenn dein Feind Hunger hat, gib ihm zu essen, wenn er Durst hat, gib ihm zu trinken; tust du das, dann sammelst du glühende Kohlen auf sein Haupt“ (Röm 12,20). Dies ist die Logik des Herrn Jesus, der mit seinem Kreuz das Böse in das Gute und den Tod in das Leben verwandelt hat.

In diesem Licht ist die Aussage Jesu besser zu verstehen: „Wer sein Leben retten will, wird es verlieren; wer aber sein Leben um meinetwillen verliert, wird es finden“ (Mt 16,25). Wir wollen oft unser eigenes Leben retten, ohne zu merken, dass dies falsch ist und wir tatsächlich das Leben verlieren, wenn wir uns aus Egoismus in uns selbst verschließen und wenn wir unserem Nächsten nicht in seinen geistlichen und materiellen Bedürfnissen zu Hilfe kommen wollen. Genau das Gegenteil ist richtig: Je mehr wir uns anderen hingeben und versuchen, ihnen so gut wie möglich zu dienen, desto authentischer wird unser Leben. Wir werden darüber hinaus den Lohn erhalten, den der Herr verheißen hat. Je mehr sich zum Beispiel eine Mutter für ihr Kind aufopfert, vor allem dann, wenn es krank ist, umso tiefer erkennt sie den wahren Sinn ihres Lebens, was sie glücklicher macht. Ähnliches gilt zwischen den Ehepartnern: Je mehr sie sich einander hingeben, desto mehr werden sie frei vom Egoismus und reicher an wahrer Liebe, die ihr ganzes Leben erleuchtet.

Vertrauen wir unsere Überlegungen der seligen Jungfrau Maria an, der Mutter Jesu und unsere Mutter, auf dass uns der allmächtige Gott durch ihre Fürsprache die Gnade schenke, die rettende Bedeutung des Kreuzes unseres Herrn Jesus Christus immer tiefer zu verstehen. Mit seinem Opfer wollen wir alle unsere kleinen und große Kreuze vereinen und in der Erwartung der Wiederkunft des Menschensohnes leben, der in der Herrlichkeit des Vaters mit seinen Engeln kommen wird, um jedem nach seinen Taten zu vergelten (vgl. Mt 16,27).

Amen.

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