Predigt von Nuntius Eterovic am 23. Sonntag im Jahreskreis

Apostolische Nuntiatur, 10. September 2023

(Ez 33,7-9; Ps 94; Röm 13,8-10; Mt 18,15-20)

“Denn wo zwei oder drei in meinem Namen versammelt sind, da bin ich mitten unter ihnen.” (Mt 18, 20).

Liebe Schwestern und Brüder,

Heute schlägt uns die Kirche in den Lesungstexten besonders zwei Themen aus dem Matthäusevangelium zur Betrachtung vor, und zwar das gemeinsame Gebet und das Leben in Gemeinschaft. Öffnen wir uns für den Heiligen Geist, und beginnen wir mit dem zweiten Teil des Evangeliums, dem Gebet (I), das unser Zwiegespräch mit Gott Vater, Sohn und Heiligem Geist ermöglicht. Es kann uns auch bei unserer Reflexion über die brüderliche Zurechtweisung helfen (II).

I) Das Gebet.

Der Herr Jesus hat häufig mit den Jüngern über das Gebet gesprochen. Er selbst hat uns das Gebet schlechthin gelehrt, das Vaterunser (vgl. Mt 6,9-13). Für die Zwölf war auch die persönliche Erfahrung Jesu wichtig, der sich oft an einsame Orte zurückzog, um zu beten (vgl. Mk 1, 35; Mt 14, 23; Lk 5, 16). Der Heilige Paulus lud die Gemeinde von Thessaloniki ein, „ohne Unterlass“ zu beten (1 Thess 5,17). Dabei geht es vor allem um das persönliche Gebet, das so wichtig ist für die Beziehung des Glaubenden zum dreieinen Gott.

Im Evangelium weist uns Jesus aber vor allem auf das gemeinsame Gebet hin, und hier unterstreicht er zwei Aspekte. Zum einen geht es um den Vater Jesu im Vaterunser, und zum anderen um Jesus selbst. Er sagt uns zu: „Was auch immer zwei von euch auf Erden einmütig erbitten, werden sie von meinem himmlischen Vater erhalten“ (Mt 18,19). Das gemeinsame Gebet von zwei oder mehr Glaubensgeschwistern scheint im Herzen des guten und barmherzigen Gottes einen stärkeren Widerhall zu finden als das Gebet eines einzelnen Menschen. Gott schätzt die Einmütigkeit unter seinen Kindern, sowohl in der Dankbarkeit als auch im Bewusstsein ihrer Hilfsbedürftigkeit. Jesus wusste das sehr gut, er lehrte sie, sich mit diesen Worten an den Vater zu wenden: „Gib uns heute das Brot, das wir brauchen! Und erlass uns unsere Schulden, wie auch wir sie unseren Schuldnern erlassen haben! Und führe uns nicht in Versuchung, sondern rette uns vor dem Bösen! (Mt 6, 11-13). Im zweiten Aspekt geht es um Jesus selbst, der uns zugesagt hat: „Wo zwei oder drei in meinem Namen versammelt sind, da bin ich mitten unter ihnen“ (Mt 18,20). Also ist in einer Gemeinschaft im Namen Jesu der Herr selbst in besonderer Weise gegenwärtig, zudem hört er die Gebete der Glaubenden und bringt sie zum Vater, als der eine Mittler zwischen Gott und Menschen (vgl. 1 Tim 2, 5). Daher werden, wie vom Herrn verheißen, die Gebete, die die Gläubigen gemeinsam in Glauben, Hoffnung und Liebe vor Gott tragen, große Kraft haben.

Liebe Brüder und Schwestern, das gemeinschaftliche Gebet schlechthin ist die Heilige Messe. Wenn sich die Christen dessen bewusst wären, würden sie viel eifriger die Heilige Messe besuchen. Denn in der Feier der Eucharistie werden wir alle in der Vielfalt der Sprachen, der Kulturen, der Nationen, eins in dem Herrn Jesus, der sein Opfer von Golgatha jetzt auf unblutige Weise wiederholt, für unser Heil und das der ganzen Welt. Im eucharistischen Opfer wird Jesus zum Altar, zum Opfer und zum Priester, dem besten Weg, unsere Gebete in der Liebe des Heiligen Geistes Gott, dem Vater, vorzutragen.

II) Die brüderliche Zurechtweisung.

Aus dieser Sicht des gemeinschaftlichen Gebets im Allgemeinen und der Eucharistie im Besonderen können wir die Lehre Jesu über die brüderliche Zurechtweisung besser verstehen. Der Herr kannte die menschliche Natur und die Schwierigkeiten, die sich insbesondere durch gegenseitige Verletzungen im Gemeinschaftsleben ergeben. Deshalb zeigte er einen Weg auf, um ihnen zu begegnen. Er beginnt mit der Aussage: „Wenn dein Bruder gegen dich sündigt, dann geh und weise ihn unter vier Augen zurecht!" (Mt 18,15). Es würde sich also um ein schweres, aber persönliches Vergehen gegen die Bruderliebe handeln. Jesus zufolge ist es am besten, auf eine solche Beleidigung mit Nächstenliebe zu reagieren, indem man persönlich mit dieser Person spricht. Manchmal ist sich derjenige nicht einmal bewusst, dass er eine so schwerwiegende Tat begangen hat. Im brüderlichen Dialog kann er sich dessen bewusstwerden und seine Haltung überdenken. Die brüderliche Zurechtweisung kann eine Gelegenheit sein, sich zu verpflichten, Zorn und Aggressivität zu zähmen. In diesem Sinne gewinnt derjenige, der in gutem Glauben ermahnt, seinen Bruder zurück (vgl. Mt 18,15). Eine solche Haltung findet sich bereits im Alten Testament, als der HERR gebot: „Du sollst in deinem Herzen keinen Hass gegen deinen Bruder tragen. Weise deinen Mitbürger zurecht, so wirst du seinetwegen keine Sünde auf dich laden“ (Lev 19,17). Daher ist es für den Geschädigten besser, mit dem zu sprechen, der ihn beleidigt hat, und sich nicht in Schweigen zu hüllen, damit die Beleidigung nicht negative Folgen auf persönlicher und gemeinschaftlicher Ebene hat. Es kann allerdings auch passieren, dass die brüderliche Zurechtweisung nicht akzeptiert wird. Dann, so sagt uns Jesus, sollen wir in Gegenwart von Zeugen mit demjenigen sprechen. „Hört er aber nicht auf dich, dann nimm einen oder zwei mit dir, damit die ganze Sache durch die Aussage von zwei oder drei Zeugen entschieden werde“ (Mt 18, 16). Die Anwesenheit von zwei oder drei Personen sollte klarmachen, dass es nicht um eine ausschließlich persönliche Angelegenheit geht, sondern um eine objektive Schuld, die es zu beseitigen gilt, wenn auch immer einem begrenzten Kreis. Leider geschieht es manchmal, dass die schuldige Person sich weigert, auf einen solchen Versöhnungsversuch einzugehen. In einem solchen Fall wende man sich nach den Worten des Herrn Jesus an die Gemeinschaft: „Hört er auch auf sie nicht, dann sag es der Gemeinde!“ (Mt 18,17). Wenn aber auch dann noch der Mensch in seiner verschlossenen Haltung verharrt und sich nicht mit seinem Bruder versöhnen will, trennt er sich damit von der Gemeinschaft der Gläubigen. Nach den Worten Jesu soll ein solcher Mensch „für dich wie ein Heide oder ein Zöllner“ sein. (Mt 18, 17).

Nach den Worten des Herrn Jesus finden die zwischenmenschlichen Beziehungen auch einen Widerhall im Himmel. Hier haben nicht nur der Heilige Petrus (vgl. Mt 16, 18-19), sondern alle zwölf Jünger eine besondere Rolle: „Amen, ich sage euch: Alles, was ihr auf Erden binden werdet, das wird auch im Himmel gebunden sein, und alles, was ihr auf Erden lösen werdet, das wird auch im Himmel gelöst sein“ (Mt 18,19). Die Kirche hat in ihrer wechselvollen Geschichte versucht, ihrem Herrn und Meister treu zu bleiben und seine Lehre in die Tat umzusetzen, sei es auf persönlicher wie gemeinschaftlicher Ebene und daher die Menschen ausgeschlossen, die sich gravierender Verfehlungen schuldig gemacht haben und die sich der Bekehrung und der Versöhnung mit den Brüdern im Glauben verschlossen haben.

Liebe Brüder und Schwestern, vertrauen wir diese Gedanken der Fürsprache der Seligen Jungfrau Maria an, Mutter der Kirche, damit wir immer demütiger werden, nicht nur im Erkennen der eigenen Fehler und Schuld, sondern auch darum, zu verzeihen und um Verzeihung zu bitten, in einem wahren Weg der persönlichen und gemeinschaftlichen Versöhnung. Möge uns auf diesem Weg der Kirche das Gebet und die Zusage Jesu helfen: „Denn wo zwei oder drei in meinem Namen versammelt sind, da bin ich mitten unter ihnen“ (Mt 18,20).

Amen.

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