Predigt von Nuntius Eterovic am 26. Sonntag im Jahreskreis

Berlin, 29. September 2019

(Am 6,1.-4-7; Ps 146; 1 Tim 6,11-16; Lk 16,19-31)

„Sie haben Mose und die Propheten, auf die sollen sie hören“ (Lk 16,29).

Liebe Schwestern und Brüder!

Der Herr Jesus hat oft von der rechten Beziehung zu den materiellen Gütern gesprochen. Hierbei können wir uns an seine zusammenfassende Äußerung erinnern: „Ihr könnt nicht Gott dienen und dem Mammon“ (Mt 6,24). Im heutigen Evangelium greift Jesus Christus dieses Thema erneut auf. Er ermuntert uns, über Reichtum und Armut (I) sowie über die Belohnung des Armen und die Bestrafung des Reichen (II) zu reflektieren. Diese Lehre hilft uns dabei, die Bedeutung der ersten Seligpreisung besser zu verstehen: „Selig, ihr Armen, denn euch gehört das Reich Gottes“ (Lk 6,20), aber auch des ersten Wehrufes: „Weh euch, ihr Reichen; denn ihr habt euren Trost schon empfangen“ (Lk 6,24) (III). Verweilen wir kurz bei diesen drei Punkten.

1. Der Reiche und der arme Lazarus auf Erden.

Der erste Teil des Evangeliums beschreibt in kurzen Zügen die große Distanz zwischen einem Reichen, „der sich in Purpur und feines Leinen kleidete und Tag für Tag glanzvolle Feste feierte“ (Lk 16,19) und dem armen Lazarus vor seiner Tür, „dessen Leib voller Geschwüre war. Er hätte gern seinen Hunger mit dem gestillt, was vom Tisch des Reichen herunterfiel“ (Lk 16,20-21). Es könnte keine größere Distanz geben, als sie zwischen diesen beiden Personen besteht. Der Reiche, der namenlos bleibt, interessiert sich nicht im Mindesten für den Armen, der Lazarus heißt, was bedeutet: „Gott kommt zu Hilfe“. Er hat keinerlei Empathie für den armen Lazarus. Das wird auf drastische Weise mit dem Bild ausgedrückt, daß nämlich die Hunde mehr Mitgefühl mit dem armen Kranken haben als der reiche Mann, denn jene kamen, um die Geschwüre am Körper des Lazarus zu lecken, während der Reiche uninteressiert ist und auf seine rauschenden Feste konzentriert bleibt. Mit dieser Haltung zeigt der Reiche nicht nur das Fehlen jeglicher Sensibilität mit Blick auf den armen Lazarus, sondern er missachtet darüber hinaus die Gesetzesvorschriften und die Mahnungen der Propheten. Es genügt, an die Normen im Alten Testament bezüglich der Armen zu erinnern, zum Beispiel in Exodus 23,11 und Levitikus 19,10.15 etc. oder in der prophetischen Verkündigung, wie beispielsweise der des Propheten Amos in der ersten Lesung heute (vgl. Am 6,1.4-7).

2. Der Reiche und der arme Lazarus nach dem Tod

Mit dem Tod, der alle Menschen ereilt, wird das Schicksal des Reichen und des Lazarus gewendet. Lazarus „wurde von den Engeln in Abrahams Schoß getragen“ (Lk 16,22), das heißt auf einen Ehrenplatz in der ewigen Seligkeit. Der Reiche dagegen kam zur „Unterwelt, wo er qualvolle Schmerzen litt“ (16,23). Mit einem Gespräch zweier Personen will der Herr Jesus zeigen,

- daß es den Himmel und das ewige Leben gibt, wie auch das Paradies und die Hölle: das endgültige Schicksal der Menschen;
- daß es eine göttliche Gerechtigkeit und eine Vergeltung gibt: die Bösen werden bestraft, die Guten belohnt.
- daß nach dem Tod und dem Gericht ist das Schicksal der Menschen im Himmel oder in der Hölle endgültig ist.
- daß man, um gut zu leben und den Himmel zu erreichen und der Verbannung zur Hölle zu entgehen, auf Mose und die

Propheten hören muss (vgl. Lk 16,29), das heißt das Wort Gottes kennen und danach leben, was die Thora, die Psalmen und die Propheten beinhalten. Und für uns Christen heißt das, was uns die Evangelien und die übrigen Bücher des Neuen Testamentes lehren.

3. Die Lehre Jesu

Der Herr Jesus warnt die Christen von einer Religiosität der Sensationen, die immer nach Wundern und außergewöhnlichen Vorkommnissen sucht. Natürlich kann Gott Wunder wirken, was auch in unseren Zeiten geschieht und öfter, als man vermuten würde. Denken wir an die Wunder, mit denen Gott die Heiligkeit des Lebens eines Dieners Gottes oder eines Seligen während des Heiligsprechungsprozesses bestätigt. Für ein gewöhnliches christliches Leben jedoch reicht es aus, die Heilige Schrift zu kennen und ihre Bedeutung gemäß der Auslegung durch die lebendige Tradition und das Lehramt der Kirche. Hier haben wir alles, was für das Heil nötig ist, nämlich den Reichtum der Offenbarung Gottes. Auch das heutige Evangelium, das so staunenswert ist, gehört dazu.

Jesus Christus warnt sodann vor einer abstrakten Religiosität, wo man gleichgültig gegenüber den armen Lazarusse unserer Zeit bleibt. Diese Gefahr ist groß, vor allem in westlichen Gesellschaften, wo viele Menschen gut leben, auch wenn die ganz Reichen eine Minderheit bilden, aber eine bedeutsame. Zugleich gibt es aber in diesen westlichen Gesellschaften viele Arme. Allein in Deutschland waren im Jahr 2016 nach den offiziellen Statistiken etwa 16 Millionen von Armut und sozialer Ausgrenzung bedroht, was 19,7 Prozent der Bevölkerung ausmacht. Der Anteil in der Europäischen Union beträgt durchschnittlich 23,5 Prozent. In Deutschland sind etwa 1,7 Millionen Menschen auf Lebensmittelspenden oder Essen bei den „Tafeln“ angewiesen, wovon 30 Prozent Kinder und Jugendliche sind.

Seit jeher kümmert sich die Kirche besonders um die Armen. Heute ist sie auch über die vielen caritativen Organisationen, von denen die Caritas am bekanntesten ist, und zahlreiche Einrichtungen von Ordensgemeinschaften aktiv. Alle Christen und auch die Menschen guten Willens müssen deren caritatives Handeln unterstützen, besonders bei den dafür vorgesehenen Kollekten und Haussammlungen. Es bleibt dennoch noch viel Raum für das persönliche, familiäre, pfarrliche und soziale Engagement zum Beispiel in den Erwachsenen- und Jugendverbänden. Ein Christ hilft den Armen und sollte sich am Kampf gegen die Ursachen von Armut beteiligen, um sie wenigstens zu verringern, eingedenk der Worte Jesu: „Die Armen habt ihr immer bei euch und ihr könnt ihnen Gutes tun, sooft ihr wollt“ (Mt 14,7). Jesus Christus identifiziert sich mit den Armen und verheißt denen, die Ihn in ihnen erkennen: „Denn ich war hungrig und ihr habt mir zu essen gegeben; ich war durstig und ihr habt mir zu trinken gegeben; ich war fremd und ihr habt mich aufgenommen; ich war nackt und ihr habt mir Kleidung gegeben; ich war krank und ihr habt mich besucht; ich war im Gefängnis und ihr seid zu mir gekommen“ (Mt 25,35-36). Um jedes Missverständnis zu vermeiden, stellt er klar: „Was ihr für einen meiner geringsten Brüder getan habt, das habt ihr mir getan“ (Mt 25,40).

Das Wort Gottes, das wir gehört haben, lehrt uns, ein authentisches christliches Leben zu führen, wo es nicht ausreicht, die sogenannte Goldene Regel zu beachten: „Was du nicht willst, dass man dir tut, das füg auch keinem andern zu!“, womit man eine gewisse Passivität rechtfertigen könnte. Es ist notwendig, sich vom Wort des Herrn Jesus leiten zu lassen: „Alles, was ihr wollt, dass euch die Menschen tun, das tut auch ihnen! Darin besteht das Gesetz und die Propheten“ (Mt 7,10) und so aktiv zu werden in der Liebe zum Nächsten und in echter Liebe zu Gott.

Liebe Brüder und Schwestern, danken wir Gott, dem Vater, Sohn und Heiligem Geist für dieses Wort des Lebens, das wir gehört haben. Öffnen wir unsere Herzen der Gnade des Heiligen Geistes, damit wir die Kraft haben, es in die Tat umzusetzen. Vertrauen wir unsere guten Vorsätze der Fürsprache aller Heiligen an, die sich durch Werke der Liebe zu den Armen ausgezeichnet haben, besonders der seligen Jungfrau Maria, der Mutter Gottes und Mutter der Armen und Kranken. Amen.

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