Predigt von Nuntius Eterovic am 26. Sonntag im Jahreskreis

Berlin, 30. September 2018

(Num 11,25-29; Ps 19; Jak 5,1-6; Mk 9,38-43.45.47-48)

 

„Denn wer nicht gegen uns ist, der ist für uns“ (Mk 9,40).

 

Liebe Brüder und Schwestern!

Das Wort Gottes, das wir gehört haben, ermuntert uns zu einer zweifachen Haltung, was auf den ersten Blick paradox erscheinen könnte. Denn wir sind gehalten, flexibel zu sein (I) und gleichzeitig kompromisslos (II). Eine solche Haltung erfordert von uns eine gute Unterscheidung im Licht der Lehre Jesu Christi und der Gnade des Heiligen Geistes. Schließlich verweilen wir auch bei den Worten, mit denen der Herr die Kleinen vor möglichen Ärgernisse in Schutz nimmt (III).

1. „Hindert ihn nicht!“ (Mk 9,39).

So antwortet der Herr dem Johannes, der den Meister darüber informiert, daß die Apostel einem Fremden verboten hatten, im Namen Jesu Dämonen auszutreiben. Der Herr Jesus korrigiert seine Jünger und lehrt sie, flexibel zu sein. Er weitet den Horizont ihres Verständnisses von der Güte Gottes mit den Worten: „Hindert ihn nicht! Keiner, der in meinem Namen eine Machttat vollbringt, kann so leicht schlecht von mir reden“ (Mk 9,39). Im Grunde glaubt nämlich der Fremde an die Wirksamkeit des Namens Jesu, den er anrief, um die Dämonen auszutreiben. Überzeugt von der heilenden Kraft Jesu, konnte er sich schwerlich anschließend gegen ihn stellen. Die abschließenden Worte des Herrn bieten ein sehr weites Kriterium, um Personen und ihre Nähe zu Jesus und seinem Reich zu beurteilen: „Denn wer nicht gegen uns ist, der ist für uns“ (Mk 9,40). Um sein Denken zu erläutern, verspricht Jesus dem, der seinen Jüngern auch nur ein Glas Wasser in seinem Namen gibt, weil sie Christus gehören, eine entsprechende Belohnung (vgl. Mk 9,41).

Das heutige Evangelium verbindet sich mit der ersten Lesung aus dem Buch Numeri. Mose verbietet den beiden Männer Eldad und Medad nicht, prophetisch zu reden, auch wenn sie nicht rings um das Zelt standen, wo die siebzig Ältesten die Gabe des Geistes empfingen. Im Gegenteil tadelt Mose den Josua, von JHWH inspiriert, für diese Haltung: „Willst du dich für mich ereifern?“ (Num 11,29), um sodann Worte großer Offenheit zu finden: „Wenn nur das ganze Volk des HERRN zu Propheten würde, wenn nur der HERR seinen Geist auf sie alle legte!“ (Num 11,29).

Es gibt einen Fortschritt von den Worten Mose, der vom Geist gesprochen hatte, der auf die Siebzig herabgekommen war, zu den Worten Jesus, der die Gültigkeit des Werkes der Reinigung in seinem Namen bestätigt hat, auch wenn dies von jemandem getan wurde, der nicht sein Jünger war.

Diese Haltung ist sehr wichtig auf dem Gebiet der Ökumene. Besonders die Katholische Kirche freut sich darüber, in anderen Kirchen und Gemeinschaften viele Elemente der Gnade, der Güte und Heiligkeit anzuerkennen, was auf dem Weg zur vollen und sichtbaren Einheit aller Christen hilfreich ist. Aber auch in anderen, nichtchristlichen Religionen gibt es, so lehrt das Zweite Vatikanische Konzil, den Samen des Wortes, das auch außerhalb der sichtbaren Grenzen der Kirche wirkt.

2. „Wenn dir deine Hand Ärgernis gibt, dann hau sie ab“ (Mk 9,43).

In der Lehre Jesu gibt es über die Flexibilität hinaus eine ebenso klare Aufforderung zur Kompromisslosigkeit. Sie wird aufgezeigt mit den folgenden Empfehlungen: Wenn deine Hand, dein Fuß, dein Auge ein Ärgernis geben, dann hau sie ab oder reiß sie heraus. Es ist besser, einarmig oder mit nur einem Fuß oder einäugig in das Reich Gottes zu kommen, als in die Hölle geworfen zu werden (vgl. Mk 9,48). Jesus Christus verwendet dieses Wort im symbolischen Sinne. Der Gläubige darf sich nicht physisch verstümmeln, sondern ist gerufen, die schlechten Neigungen des Herzens, wovon her alles Böse kommt, herauszureißen. Jesus sagt: „Denn von innen, aus dem Herzen der Menschen, kommen die bösen Gedanken, Unzucht, Diebstahl, Mord, Ehebruch, Habgier, Bosheit, Hinterlist, Ausschweifung, Neid, Lästerung, Hochmut und Unvernunft. All dieses Böse kommt von innen und macht den Menschen unrein“ (Mk 7,21-23).

Die Kompromisslosigkeit Jesu richtet sich jedoch nicht allein an das Herz des Menschen. Auch in seiner Vorgehensweise gibt es Situationen und Handlungen, die um jeden Preis zu vermeiden sind. Der Heilige Jakobus warnt in der zweiten Lesung mit sehr harten Worten die Reichen, die ihren Reichtum auf ungerechte Weise erworben haben: „Siehe, der Lohn der Arbeiter, die eure Felder abgemäht haben, den ihr ihnen vorenthalten habt“ (Jak 5,4). Die Reichen sind schuldig, denn „verurteilt und umgebracht habt ihr den Gerechten, er aber leistete euch keinen Widerstand“ (Jak 5,6). Die Klage der Arbeiter, der Armen, der Ausgebeuteten hat da Ohr des Herrn der Heere erreicht, der sein gerechtes Urteil fällen wird.
Die Worte des Herrn Jesus, direkt von ihm oder über den Apostel Jakobus, appellieren an jeden Menschen auf persönlicher oder sozialer Ebene. Dies erfordert unseren geistlichen Kampf gegen die Versuchungen, die bösen Leidenschaften, wie auch gegen die Ausbeutung des Nächsten, insbesondere des Armen. Der Christ darf sodann niemals vergessen, daß der wahre Reichtum jener ist, der auch Himmel seinen Wert hat. Diesbezüglich ermahnt uns der Herr: „Sammelt euch Schätze im Himmel, wo weder Motte noch Wurm sie zerstören und keine Diebe einbrechen und sie stehlen! Denn wo dein Schatz ist, da ist auch dein Herz“ (Mt 6,20-21).

3. Den Kleinen kein Ärgernis geben.

Der Herr will besonders die Kleinen vor möglichen Ärgernissen schützen. „Wer einem von diesen Kleinen, die an mich glauben, Ärgernis gibt, für den wäre es besser, wenn er mit einem Mühlstein um den Hals ins Meer geworfen würde“ (Mk 9,42). Etymologisch meint das griechische Wort für Ärgernis stolpern oder zu Fall bringen, auf die Erde werfen. Die Kleinen sind die im Glauben Schwachen, die noch wachsen müssen und welche die Unterstützung der im christlichen Leben Gereiften brauchen. Das schlechte Beispiel der „reifen“ Christen hingegen, vor allem wenn es bewußt geschieht, daß ihr Verhalten die Kleinen und deren noch brüchigen Glauben in die Krise stürzen, wird von Jesus streng getadelt. Er verwendet starke Bilder, um die Schwere der Sünde zu zeigen, die eine schreckliche Strafe verdient, wie die Exekution des Verurteilten durch das von den Römern praktizierte Ertränken.

Im Licht des Wortes Gottes ist es nicht möglich, jene Ärgernisse nicht wahrzunehmen, bei denen die Kleinen die Opfer sind, auch jene des Missbrauchs von Kindern und Jugendlichen in Deutschland und in der ganzen Welt. Nach den jüngst veröffentlichten Nachrichten sind unter den Schuldigen auch Mitglieder des Klerus: Bischöfe, Priester und Diakone. Die Tatsache, daß diese Verbrechen auch in der Katholischen Kirche geschehen sind, erfüllt uns mit tiefer Trauer und Scham. Der Skandal, der einmütig verurteilt wird und eine Wiedergutmachung, so gut es möglich ist, verlangt, erfordert zugleich auch notwendige Maßnahmen der Prävention und die angemessene Bildung vor allem der Jugendlichen. Bitten wir den guten und barmherzigen Gott, daß diese Zeit der Schmerzen über die geschehenen Verbrechen zu einem Stachel werde, der zur Reinigung der Kirche führt, die eins, heilig, katholisch und apostolisch bleibt. Die Kirche ist heilig, aber von uns sündigen Menschen zusammengefügt, die zur Umkehr und zur Heiligkeit gerufen sind.

Liebe Brüder und Schwestern, vertrauen wir die Erfüllung dieser guten Vorsätze der mächtigen Fürsprache der seligen Jungfrau Maria an, der Mutter der Kirche. Sie möge für uns die Gabe der Unterscheidung des Heiligen Geistes erflehen, damit wir entscheiden können, wann wir gemäß dem Kriterium des Meisters flexibel sein müssen: „Denn wer nicht gegen uns ist, der ist für uns“ (Mk 9,40) und wann kompromisslos in der Umsetzung der Worte des Herrn Jesus. Erbitten wir auch für die Kirche die Gnade, Ärgernisse zu vermeiden, vor allem jene, wo der Glaube der Kleinen auf die Probe gestellt wird. Amen.

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