Predigt von Nuntius Eterovic am 27. Sonntag im Jahreskreis

Berlin, 6. Oktober 2019

(Hab1,2-3; 2,2-4; Ps 95; 2 Tim 1,6-8.13-14; Lk 17,5-10)

„Stärke unseren Glauben!“ (Lk 17,5).

Liebe Schwestern und Brüder!

Das Wort Gottes an diesem 27. Sonntag im Jahreskreis konzentriert sich im Wesentlichen auf zwei grundlegende Themen des christlichen Lebens: den Glauben (I) und die Demut (II).

Offen für die Gnade des Heiligen Geistes wollen wir gemeinsam über die Abschnitte der Heiligen Schrift reflektieren, die uns zu den erwähnten beiden Punkten vorgelegt sind.

1. Der Glaube

Alle drei Lesungen sprechen vom Glauben. In der ersten aus dem Buch des Propheten Habakuk wird uns von der Erfahrung vieler Gläubiger in Vergangenheit und Gegenwart berichtet. Angesicht drängender Probleme in Gesellschaft und Welt wie Gewalt, Verfolgung, Ungerechtigkeit rufen sie zu Gott: „Wie lange, HERR, soll ich noch rufen und du hörst nicht? Ich schreie zu dir: Hilfe, Gewalt! Aber du hilfst nicht“ (Hab 1,2). Gott aber bleibt nicht stumm, sondern offenbart seine Antwort dem Propheten, die sich zusammengefasst am Ende des Textes von heute findet: „Sieh her: Wer nicht rechtschaffen ist, schwindet dahin, der Gerechte aber bleibt wegen seiner Treue am Leben“ (Hab 2,4).

Das Wort Gottes richtet sich auch an uns, die wir oft vom Bösen überwältigt sind, das die Menschen unterdrückt und das sogar in die Kirche eindringt und Verwirrung, Unordnung und Streitigkeiten stiftet. Der gute und barmherzige Gott lässt uns durch den Propheten verstehen, daß diese Situationen dazu dienen, den eigenen Glauben und die Rechtschaffenheit der Seele zu zeigen. Der Gerechte wird wegen seiner Glaubenstreue leben, und noch so viele Schwierigkeiten und Probleme können die Kraft des allmächtigen Gottes nicht überwältigen, denn er ist „reich an Barmherzigkeit“ (Eph 2,4).

Vom Gefängnis aus ermutigt der Heilige Paulus seinen Schüler Timotheus: „Als Vorbild gesunder Worte halte fest, was du von mir gehört hast in Glaube und Liebe in Christus Jesus“ (2 Tim 1,13). Der Völkerapostel betont nachdrücklich die Bedeutung des Glaubens als Fundament des christlichen Glaubens, der sich sodann mittels der Liebe zeigt, deren erhabenes Beispiel der Herr Jesus Christus ist. Vom Glauben und von der Liebe geht es über zum Auftrag: „Bewahre das dir anvertraute kostbare Gut durch die Kraft des Heiligen Geistes, der in uns wohnt“ (2 Tim 1,14). Das kostbare Gut und die heilige Lehre sind das authentische Evangelium, das Gott der Kirche auch durch den heiligen Apostel Paulus anvertraut hat (vgl. 1 Tim 1,11).

Liebe Brüder und Schwestern, wie sehr haben wir auch heute das Geschenk des Glaubens und der Liebe nötig, um mit eifriger Sorge das kostbare Gut, das Evangelium, das Gott seiner Kirche anvertraut hat, zu bewahren, um es zu kennen und sodann zu leben. Ohne Glauben und ohne Liebe riskieren wir, das große Geschenk, das wir in diesem Gut empfangen haben, nicht wahrzunehmen und es in der Konsequenz rein menschlichen und horizontalen Analysen unterzuordnen, um es in falscher Absicht den zeitgenössischen Menschen schmackhafter zu machen, indem man es klein redet oder den wahren Sinn für ungültig erklärt.

Die Apostel haben die Wichtigkeit des Glaubens erkannt, um Jünger Jesus Christi zu werden. Deshalb haben sie ihn gebeten: „Stärke unseren Glauben!“ (Lk 17,5). Nach den Worten Jesu scheint es, ein wenig Glaube allein genüge, um große Werke zu vollbringen: „Wenn ihr Glauben hättet wie ein Senfkorn, würdet ihr zu diesem Maulbeerbaum sagen: Entwurzle dich und verpflanz dich ins Meer! und er würde euch gehorchen“ (Lk 17,6). Glaube ist nach dem Evangelium die unverzichtbare Bedingung dafür, daß Jesus Wunder tun kann. Denken wir an die Frau, die zwölf Jahre an Blutungen gelitten hat, an die sich der Herr wendet und heilende und heiligende Worte spricht: „Meine Tochter, dein Glaube hat dich gerettet. Geh in Frieden! Du sollst von deinem Leiden geheilt sein“ (Mk 5,34). Der auferstandene Herr wirkt auch heute in seiner Kirche durch den Glauben der Gläubigen. Ohne das feste Fundament des Glaubens, ist jeder Versuch, die Kirche zu reformieren, zum Scheitern verurteilt.

2. Die Demut

Im zweiten Teil des heutigen Evangeliums finden wir ein Bild, das zu Zeiten Jesu allgemein bekannt war und sich auf den Dienst eines Knechtes bezieht. Der Herr des Sklaven besitzt alle Rechte über ihn. Es war daher nicht ungewöhnlich, wenn er nach einem Tag harter Arbeit auf dem Feld bei seiner Rückkehr ins Haus die Arbeit fortsetzen musste, um dem Herrn das Essen zu bereiten. Danach erst konnte auch der Knecht essen. Daher ist der Herr dem Knecht gegenüber zu nichts verpflichtet, weil dieser die von seinem Herrn erteilten Befehle auszuführen hat.

Man kann dieses Bild auf die Beziehung Gottes mit dem Gläubigen anwenden. Wir haben Gott gegenüber keine Verdienste vorzuweisen, denn alles, was wir empfangen haben, ist Gnade und ein Geschenk der Güte des Allmächtigen. Gott hat uns in das biologische und in das spirituelle Leben gerufen. In der Taufe wurden wir Kinder Gottes dank seiner großen Liebe. Für diese Berufung müssen wir Gott dankbar sein und treu unsere Pflichten zu erfüllen suchen, die mit der göttlichen Kindschaft verbunden sind. In diesem Sinne sind die Worte Jesu zu verstehen: „So soll es auch bei euch sein: Wenn ihr alles getan habt, was euch befohlen wurde, sollt ihr sagen: Wir sind unnütze Knechte; wir haben nur unsere Schuldigkeit getan“ (Lk 17,10).

Um einzusehen, daß wir unnütze Knechte sind, ist es eine Voraussetzung, demütig zu sein. Demut ist eine große christliche Tugend. Sie lässt uns Jesus Christus immer ähnlicher werden, der, weil er auch göttlicher Natur war, Mensch und wie ein Sklave wurde, das heißt: „er erniedrigte sich und war gehorsam bis zum Tod, bis zum Tod am Kreuz“ (Phil 2,8). Demut lässt uns die eigenen Grenzen erkennen und bereitet uns auf diese Weise darauf vor, auch den anderen mit seinen Grenzen anzunehmen. Die Demut bewahrt vor Hochmut, was das Gegenteil von Demut und die Wurzel aller Sünde ist. Hochmut zerstört die Einheit und verursacht Unstimmigkeit und Teilung. Die Demut dagegen ist offen dafür, die Wahrheit über sich selbst und die anderen anzuerkennen, weswegen sie die Einheit vorzieht.

Liebe Brüder und Schwestern, auch in der Kirche haben wir viel mehr Demut nötig, um die Stimme des Herrn zu hören und genährt zu werden von der gesunden Speise und dem kostbaren Schatz, welcher der Kirche anvertraut ist. Erflehen wir vom dreieinen Gott die Gnade anzuerkennen, unnütze Knechte zu sein, nachdem wir nach besten Kräften unsere menschliche und christliche Berufung erfüllt haben. Kämpfen wir gegen die Versuchungen des Hochmuts, der mit dem christlichen Geist unvereinbar und Ursache von Spaltungen auch in der Kirche ist. Gott liebt die Menschen und verachtet die Stolzen. Das wußte die selige Jungfrau Maria sehr gut, die den allmächtigen Gott im Magnifikat lobpreist, denn „er stürzt die Mächtigen vom Thron und erhöht die Niedrigen“ (Lk 1,52).

Der mächtigen Fürsprache der Gottesmutter, die in diesem Monat Oktober besonders als Königin der Mission angerufen wird, vertrauen wir unsere Überlegungen und unsere Gebete an, damit der dreifaltige Gott unseren Glauben stärke und uns den Sinn der Demut erschließe, um zur Einheit unserer Mutter, der Kirche, beizutragen, die eins, heilig, katholisch und apostolisch ist. Amen.

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