Predigt von Nuntius Eterovic am 3. Ostersonntag im Kloster Scheyern

Benediktinerabtei zum Hl. Kreuz in Scheyern, 5. Mai 2019

„Simon, Sohn des Johannes, liebst du mich mehr als diese?“ (Joh 21,15).

 

Verehrter Herr Abt Markus Eller,
liebe Mönche von Kloster Scheyern
liebe Schwestern und Brüder!

Die Frage des auferstandenen Herrn an Simon Petrus hat eine ganz besondere Bedeutung. Dreimal stellt Jesus Christus ihm die fast gleiche Frage. Beim ersten Mal bezieht sie sich auf den Vergleich mit den übrigen Jüngern: „Simon, Sohn des Johannes, liebst du mich mehr als diese?“ (Joh 21,15), bei den beiden folgenden Fragen bezieht sie sich nur auf Jesus selbst: „Simon, Sohn des Johannes liebst du mich?“ (Joh 21,16.17). Petrus gibt eine bejahende Antwort. Die ersten beiden Male sagt er: „Ja, Herr, du weißt, dass ich dich liebe“ (Joh 21.15.16). Als der Herr ihn zum dritten Mal fragt, ob er ihn liebe, wurde Petrus betrübt und hat geantwortet: „Herr, du weißt alles; du weißt, dass ich dich liebe“ (Joh 21,17). Mit diesem dreifachen Bekenntnis hat Simon Petrus seinen dreifachen Verrat während der Passion des Meisters wieder gut gemacht (vgl. Joh 13,38; 18,15-18.25.27). Nachdem Simon Petrus dies eingesehen, bereut hatte und demütig wurde, war er bereit, dem Meister zu folgen, sei es auch in Leiden und Tod, wie es ihm Jesus vorausgesagt hatte: „Amen, amen, ich sage dir: Als du jünger warst, hast du dich selbst gegürtet und gingst, wohin du wolltest. Wenn du aber alt geworden bist, wirst du deine Hände ausstrecken und ein anderer wird dich gürten und dich führen, wohin du nicht willst“ (Joh 21,18). Mit dieser Geisteshaltung war der Heilige Petrus bereit, den Primatsdienst unter den Zwölfen und in der Kirche auszuüben, den ihm der auferstandene Herr anvertraut hatte: „Weide meine Lämmer!“ (Joh 21,15), „Weide meine Schafe“ (21,16.18), wie auch durch den neuen Aufruf: „Folge mir nach“ (Joh 21,19). Der Dienst des Petrus, das „immerwährende und sichtbare Prinzip und Fundament der Glaubenseinheit und der Gemeinschaft“ (LG 18) und „für die Einheit der Vielheit von Bischöfen und Gläubigen“ (LG 23), setzt sich in seinen Nachfolgern auf dem Bischofsstuhl von Rom fort.

Ich habe die Ehre, Vertreter des Heiligen Vaters Franziskus in der Bundesrepublik Deutschland zu sein, des 265. Nachfolgers des Heiligen Petrus, Bischof von Rom und Hirte der Universalkirche. Es freut mich, der benediktinischen Mönchsgemeinschaft von Kloster Scheyern aus Anlass des 900jährigen Jubiläums der Übersiedlung der ersten Mönche vom Petersberg bei Dachau auf die Burg Scheyern die herzlichen Grüße des Römischen Pontifex zu übermitteln. Besonders danke ich Eurem Abt Markus Eller OSB für die Einladung, dieser Eucharistiefeier vorzustehen, um Gott dem Vater, Sohn und Heiligem Geist für das große Geschenk Eurer Präsenz an diesem Ort der Sammlung und brüderlichen Liebe durch neun Jahrhunderte zu danken. Dem dreieinen Gott sei Lob und Dank für das exemplarische Leben so vieler Mönche, die sich bemühten, nach der Regel des Heiligen Benedikt zu leben, um das Ideal der Heiligkeit durch ein Leben zu erreichen, das ganz Gott geweiht ist im Gebet und im Dienst am Nächsten gemäß dem berühmten Wahlspruch: ora et labora. Darüber hinaus ist es bedeutsam, daß diese feierliche Liturgie an einem der beiden jährlichen Wallfahrten zur Verehrung der Kreuzreliquie unseres Herrn Jesus Christus stattfindet, die seit dem Jahr 1180 in dieser Abtei sorgsam gehütet wird. Um das Band der Einheit mit dem Heiligen Vater Franziskus zu stärken, welcher der ganzen Kirche in der Liebe vorsteht (vgl. Ignatius von Antiochien, Röm 1,1), erteile ich Euch allen sehr gerne am Ende dieser Heiligen Messe den Päpstlichen Segen, mit dem nach den althergebrachten Überlieferungen der Kirche der vollkommene Ablass von Sündenstrafen verbunden ist.
Danken wir alle gemeinsam dem dreieinen Gott für dieses Geschenk seiner Güte und Barmherzigkeit und öffnen wir unsere Herzen, um zu hören, was der Geist uns durch das Wort Gottes sagen will, das an diesem dritten Ostersonntag verkündet worden ist. Hervorheben möchte ich die Aktualität zweier Themen: das christliche Zeugnis (I) und die himmlische Verherrlichung des auferstandenen Herrn, was wir in der Kirche schon vorwegnehmen, vor allem in der Liturgie (II).

1. „Man muss Gott mehr gehorchen als den Menschen“ (Apg 5,29).

Die Antwort des Petrus und der Apostel an den Hohenpriester und die übrigen Mitglieder des Hohen Rates (des Sanhedrin) ist in unseren Tagen sehr aktuell. Die Jünger des gestorbenen und auferstandenen Herrn Jesus Christus hatten keinen Zweifel an der Natur und dem Inhalt ihrer Mission: sie sollten Zeugen des Ostergeheimnisses sein und den Kernpunkt verkünden: „Der Gott unserer Väter hat Jesus auferweckt, den ihr ans Holz gehängt und ermordet habt. Ihn hat Gott als Anführer und Retter an seine rechte Seite erhoben, um Israel die Umkehr und Vergebung der Sünden zu schenken. Zeugen dieser Ereignisse sind wir und der Heilige Geist, den Gott allen verliehen hat, die ihm gehorchen“ (Apg 5,30-32). Die Apostel haben diese Mission nie aufgegeben, auch wenn sie für die Treue zum Herrn Jesus gefoltert wurden und das Martyrium erlitten.

Auch in der Welt von heute gibt es bei der Verkündigung des Evangeliums vielfältige Hindernisse und erleiden Christen Verfolgungen. Nach der World Watch List von Open Doors werden weltweit mehr als 245 Millionen Christen verfolgt, was bedeutet, einer von neun Christen leidet um seines Glaubens willen. Von 150 untersuchten Ländern zeigten sich in 73 Formen von Verfolgungen, in 11 Ländern besonders extreme. Für das Jahr 2018 wurden 4.305 Ermordungen aus Hass auf den christlichen Glauben ermittelt.

Neben dieser ausgesprochen physischen Form der Verfolgung gibt es noch andere, sehr ausgefeilte Formen von Verfolgungen, die auch in als demokratisch geltenden Ländern vorkommen. In diesen Ländern, die nicht selten traditionell christliche Wurzeln haben, werden aus ideologischen Gründen Sichtweisen und Lebenshaltungen gefördert oder sogar auferlegt, die dem christlichen Glauben widersprechen. Christliche Werte werden durch die Kommunikationsmittel, besonders in den sogenannten sozialen Netzwerken verspottet oder zensiert. Angesichts des Glaubens der Kirche, daß Jesus Christus die Wahrheit ist (vgl. Joh 14,6), herrscht ein Relativismus, der sich darin äußert, alle Religionen als gleich gültig zu betrachten und auch das Christentum auf eine rein horizontale Dimension zu reduzieren. Daraus folgt, auch Jesus Christus wird nur noch als beispielhafter Mensch oder als ein Prophet gesehen und die Wahrheit verschwiegen oder unterdrückt, daß er zugleich Mensch und Gott ist. In diesem relativistischen Zusammenhang wird die neue Genderideologie vorgestellt oder mit veränderten Methoden aufgezwungen, die in ihrer radikalen Ausprägung das christliche Menschenbild ablehnt, das in der Bibel geoffenbart ist und worauf die wahre menschliche Natur basiert.

Angesichts dieser neuen und alten Herausforderungen muss die Kirche dem Beispiel der Apostel folgen und immer wieder betonen: „Man muss Gott mehr gehorchen als den Menschen“ (Apg 5,29). Ihrer prophetischen Berufung erneut bewußt, muss die Kirche ohne Furcht und Zweideutigkeit verkünden, daß Jesus Christus der Herr ist, daß er die Wahrheit ist, der uns die wahre Natur des Menschen, der Familie, der sozialen Beziehungen und der zum Geschaffenen offenbart. Er fordert uns auf, unsere Sünden und unsere Grenzen anzuerkennen und seiner Einladung zur Umkehr während unseres irdischen Pilgerweges hin zur himmlischen Heimat zu folgen. Bei dieser Verkündigung, die vor allem durch das Beispiel des Lebens geschieht und wenn nötig mit Worten, nehmen die Ordensleute einen besonderen Platz ein, insbesondere jene, die bemüht sind, das Ideal eines monastischen Lebens immer besser zu leben.

2. „Würdig ist das Lamm, das geschlachtet ist, Macht zu empfangen, Reichtum und Weisheit, Kraft und Ehre, Lob und Herrlichkeit“ (Offb. 5,12).

Jesus Christus wurde am Holz des Kreuzes geopfert. So wurde das Kreuz zum bevorzugten Symbol der Passion, des Todes und der Auferstehung des Herrn Jesus, dem Lamm, das geschlachtet ward. Jedes christliche Gebet beginnt mit dem Kreuzzeichen. Wir haben zum Beispiel diese festliche Eucharistiefeier begonnen, indem wir das Kreuzzeichen machten und den Namen der Allerheiligsten Dreifaltigkeit anriefen: „Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes“. Liebe Mönche, ihr hütet seit Jahrhunderten eine Reliquie des heiligen Kreuzes, ein Teil jenes Holzes, an dem Herr Jesus erhöht wurde, unser Heiland und Erlöser. Zusammen mit der Ehre, dieses kostbare Stück eifrig zu beschützen, gebietet diese Reliquie, beständig die Bedeutung des Kreuzes im Leben Jesu Christi und im Leben eines jeden Christen zu betrachten. Dank der göttlichen Liebe hat Jesus von Nazareth die Bedeutung des Kreuzes als Zeichen der Schande zu einem Symbol des Heils und der Herrlichkeit verwandelt.

Diese Verherrlichung konnten wir in der zweiten Lesung aus der Offenbarung des Johannes erahnen. Hier wird die himmlische Liturgie beschrieben. Die Heilige Messe erlaubt uns, an dieser Gnadenhandlung teilzunehmen und den dreieinen Gott zusammen mit den Engeln, den Lebewesen, den Ältesten in der großen Menge der Erwählten zu loben, die der inspirierte Autor mit dem Ausdruck umschreibt: „Zehntausend mal zehntausend und tausend mal tausend“ (Offb 5,11). Im Glauben stimmen auch wir ein in ihren Gesang: „Würdig ist das Lamm, das geschlachtet ist, Macht zu empfangen, Reichtum und Weisheit, Kraft und Ehre, Lob und Herrlichkeit“ (Offb 5,12). Dem himmlischen Lob entspricht jenes auf der Erde und im ganzen Weltall, wenn auch wir uns mit der mächtigen Stimme vereinen, die ruft: „Ihm, der auf dem Thron sitzt, und dem Lamm gebühren Lob und Ehre und Herrlichkeit und Kraft in alle Ewigkeit“ (Offb 5,13).

Liebe Söhne des Heiligen Benedikt, liebe Schwestern und Brüder, jede liturgische Feier nimmt teil am himmlischen Lobpreis Gottvaters, wovon jede Vaterschaft im Himmel und auf Erden stammt, am Lob Seines Eingeborenen Sohnes Jesus Christus, der Mensch und Welt durch das Kreuzesopfer erlöst hat, und des Heiligen Geistes, der die Herzen der Gläubigen mit dem Feuer der Liebe erfüllt und auf unblutige Weise das Opfer Jesu Christi in jeder Eucharistiefeier gegenwärtig setzt. Aus diesem Grund ist die geordnet, schön und gültig gefeierte Liturgie in der Katholischen Kirche die beste Weise der Evangelisierung auch in unserer säkularisierten Welt. Daher danke ich für die Beständigkeit, mit der ihr Eure tägliche Arbeit mit dem Stundengebet begleitet und besonders dafür, daß die tägliche Feier der Eucharistie den Mittelpunkt Eures persönlichen und monastischen Lebens einnimmt. Eure Art, Zeugnis zu geben, ist jedem Christen möglich, ja notwendig, um Gebet und Arbeit zu verbinden, damit das Tagewerk vor Gott ein immerwährendes Gebet werden kann (vgl. Lk 18,1). Vom Wort Gottes belehrt, seid Ihr in der Lage, immer besser den Willen des auferstandenen Herrn zu erfüllen. Wie einst die Apostel, ermahnt Er auch Euch: „Werft das Netz auf der rechten Seite des Bootes aus“ (Joh 21,6) und verheißt einen reichen Fischfang, auch wenn die Umstände aus der Sicht von Welt ungünstig sind. Wie an den Heiligen Petrus, so richtet der Herr Jesus an jeden von uns die Frage: „Liebst du mich?“ Mit der Unterstützung des Heiligen Geistes antworten auch wir: „Ja, Herr, du weißt, dass ich dich liebe“.

Möge die Fürsprache der seligen Jungfrau Maria, der Mutter Jesu und Mutter der Kirche, Euren Pilgerweg hin zur himmlischen Heimat begleiten, wo wir mit dem Heiligen Benedikt und allen Heiligen in Ewigkeit die österliche Liturgie im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes feiern werden. Amen.

 

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