Predigt von Nuntius Eterovic am 3. Sonntag im Jahreskreis
Apostolische Nuntiatur, 21. Januar 2024
(Jona 3,1-5.10; Ps 25; 1 Kor 7,29-31; Mk 1,14-20)
„Kehrt um und glaubt an das Evangelium“ (Mk 1,15).
Liebe Schwestern und Brüder!
Wir öffnen uns der Gnade des Heiligen Geist und betrachten die ersten überlieferten Worte Jesu, die der Evangelist Markus aufgezeichnet hat: „Die Zeit ist erfüllt, das Reich Gottes ist nahe. Kehrt um und glaubt an das Evangelium“ (Mk 1,15). Nehmen wir an, dass nach wissenschaftlichen Untersuchungen das Markusevangelium das älteste der Evangelien mit Matthäus, Lukas und Johannes ist, bekommt diese Forderung Jesu einen noch größeren Wert. Darüber hinaus, dass jedes Wort des Herrn Jesus, das in den Büchern des Neuen Testamentes verzeichnet ist, stets aktuell ist, sind die genannten Worte von besonderer Bedeutung, weswegen wir bei ihnen an diesem 3. Sonntag im Jahreskreis verweilen, der nach der Entscheidung von Papst Franziskus der Sonntag des Wortes Gottes ist. Das Motto des heutigen Sonntags ist aus dem Johannesevangelium entnommen: „Bleibt in meinem Wort“ (Joh 8,31).
1. Die analoge Bedeutung des Wortes Gottes.
Zuvor jedoch wollen wir kurz klären, was der Ausdruck Wort Gottes meint, der eine weitgehende Bedeutung hat. In besonderer Weise bezieht sich das Wort Gottes auf die Erzählungen in den 73 Büchern der Bibel, den 46 im Alten und den 27 Büchern im Neuen Testament. Es schließt jedoch die ganz Heilsgeschichte ein, beispielsweise wenn Gott „über die Propheten gesprochen hat“ -, die auf das Christusereignis hin orientiert ist, der zu unserem Heil gestorben und auferstanden ist. Das Wort Gottes ist in der lebendigen Tradition der Kirche überliefert, was die Apostelgeschichte und die Schriften der Jünger Jesu bezeugen. Darin aber erschöpft sich nicht die Art und Weise, wie Gott zu den Menschen spricht. Hierzu wird im Nachsynodalen Apostolischen Schreiben Verbum Domini gesagt, dass es richtig ist, von einer analogen Bedeutung des Wortes Gottes zu sprechen, von „einer Symphonie des Wortes, eines einzigen Wortes, das sich auf verschiedene Weisen ausdrückt: als »ein mehrstimmiger Gesang«“ (Papst Benedikt XVI., VD, Nr. 7). Mit Blick auf den Prolog des Johannesevangeliums ist offensichtlich, dass das Wort Gottes an sich das fleischgewordene Wort ist; „daher ist Jesus Christus, der von der Jungfrau Maria geboren wurde, wirklich das Wort Gottes, das uns wesensgleich geworden ist. Der Ausdruck »Wort Gottes« bezeichnet hier also die Person Jesu Christi, den menschgewordenen ewigen Sohn des Vaters“ (a.a.O., ebd.). Gott aber drückt sich auch durch die Schöpfung aus. Wenn man erkennt, dass „im Mittelpunkt der göttlichen Offenbarung das Christusereignis steht, dann muss man ebenfalls erkennen, dass die Schöpfung selbst, der liber naturae, auch ein wesentlicher Teil dieser mehrstimmigen Symphonie ist, in der das einzige Wort seinen Ausdruck findet“ (a.a.O., ebd.). Gott spricht zum Menschen auch über das Gewissen. Der nach dem Abbild Gottes und als Mann und Frau geschaffene Mensch (vgl. Gen 1,27), besitzt ein „ins Herz geschriebenes Gesetz“ (vgl. Röm 2,15; 7,23), das die philosophische Tradition Naturrecht nennt. „In der Tat erfährt jeder Mensch, der auf das Gewissen hört und die Verantwortung wahrnimmt, einen inneren Ruf, Gutes zu tun und daher Böses zu vermeiden“ (a.a.O., Nr. 9). Aufgrund der Erbsünde ist dieses Gewissen oft getrübt. Doch der Herr Jesus kommt uns zu Hilfe, denn er gibt „den Menschen das neue Gesetz, das Gesetz des Evangeliums, das das Naturrecht aufnimmt, es in überragender Weise zur Verwirklichung bringt und uns vom Gesetz der Sünde befreit, aufgrund dessen, wie der hl. Paulus sagt, »das Wollen bei mir vorhanden ist, ich das Gute aber nicht zu verwirklichen vermag« (Röm 7,18). Dieses Gesetz schenkt den Menschen durch die Gnade Anteil am göttlichen Leben und die Möglichkeit, den Egoismus zu überwinden“ (a.a.O., ebd.).
2. „Die Zeit ist erfüllt, das Reich Gottes ist nahe“ (Mk 1,15).
Dies sind die ersten Worte Jesu im Markusevangelium. Er bezieht sich in erster Linie auf die Zeit, welche die Propheten als die der Ankunft des Messias verkündet haben und die nunmehr mit seiner Gegenwart erfüllt ist. Jesus Christus spricht diese Worte in einem dramatischen Augenblick der Heilsgeschichte, was der Evangelist nur kurz umreißt: „Nachdem Johannes ausgeliefert worden war, ging Jesus nach Galiläa; er verkündete das Evangelium Gottes“ (Mk 1,14). Aus der Heiligen Schrift kennen wir die Sendung von Johannes dem Täufer, wie auch den Grund, warum der mächtige König Herodes ihn hat einkerkern und umbringen lassen. Johannes hatte keine Furcht, ihn zu ermahnen: „Es ist dir nicht erlaubt, die Frau deines Bruders zur Frau zu haben“ (Mk 6,18). Aus Rache für Herodias, die Frau seines Bruders Philippus, die sodann seine Frau wurde, ließ der Tyrann Herodes den Vorläufer töten.
Diese tragische Situation erinnert uns leider an die Welt, in der wir leben und die von Gewalt, Terrorismus und Krieg gekennzeichnet ist. Es genügt an die kriegerische Aggression Russlands gegenüber Ukraine, an den Krieg im Nahen Osten, in verschiedenen Regionen Afrikas und anderen Teilen der Welt zu erinnern. In diesem Zusammenhang unmenschlicher Gewalt gibt es viele um ihres Glaubens willen verfolgte oder gar getötete Menschen, vor allem Christen. „Insgesamt erfahren mehr als 360 Millionen Christen weltweit ein hohes Maß an Verfolgung und Diskriminierung aufgrund ihres Glaubens, und immer mehr sind gezwungen, aus ihrer Heimat zu fliehen“ (Franziskus, Ansprache an das beim Heiligen Stuhl akkreditierte Diplomatische Korps, Vatikan, 08. Januar 2024). Nach der Agentur Fides wurden im Jahr 2023 weltweit 20 Missionare getötet, darunter ein Bischof, acht Priester, zwei Ordensleute, ein Seminarist, ein Novize und sieben Laien.
Der zweite Teil des Satzes Jesu bezieht sich auf die Gegenwart des Reiches: „Das Reich Gottes ist nahe“ (Mk 1,15). Bei anderer Gelegenheit sagt der Herr Jesus: „Das Reich Gottes ist mitten unter euch“ (Lk 17,21). Deshalb ist uns das Reich Gottes in der Person Jesu Christi nahe. In seiner Person schafft er nicht nur für alle eine Annäherung, sondern vielmehr die Möglichkeit zum Eintritt in dieses Reich. Das gilt für alle Zeiten, auch für unsere, die von den erwähnten tragischen Ereignissen der Kriege und der Gewalt gezeichnet ist. Der Herr Jesus ist jedoch auch in diesen dramatischen Situationen gegenwärtig und stärkt jene, die in seinem Namen leiden, mit der Kraft seiner Botschaft: „Die Zeit ist erfüllt, das Reich Gottes ist nahe“.
3. „Kehrt um und glaubt an das Evangelium“ (Mk 1,15).
Der zweite Teil der Aussage Jesu bezieht sich auf alle Menschen. Allen, die auf den Ruf Gottes antworten und Jesus folgen wollen, ruft der Meister zu: „Kehrt um und glaubt an das Evangelium“. Die erste Bedingung zur Umkehr ist der Glaube: sich zu bekehren, das Leben zu ändern und zu glauben, das alles gehören zusammen. Es bekehrt sich, wer dem Evangelium glaubt, das heißt dem Wort Gottes, das uns das Geheimnis des dreieinen Gottes aufzeigt, den Erlösungsplan von Gottvater, der in der Fülle der Zeit der Welt Seinen Eingeborenen Sohn Jesus Christus gesandt hat, der durch das Wirken des Heiligen Geistes von der seligen Jungfrau Maria geboren worden ist. Das ist die frohe Botschaft unseres Heiles, wie es der Begriff Evangelium anzeigt, der vom griechischen Wort εὐαγγέλιον kommt, was bedeutet: frohe Botschaft oder gute Nachricht.
Der Ruf zur Umkehr und dem Evangelium zu glauben, richtet sich an alle Menschen, wenn auch in verschiedener Weise. Einigen, wie den Aposteln Simon und Andreas, Jakob und Johannes, den Söhnen des Zebedäus (vgl. Mk 1,16-17), mutet der Herr den radikalen Ruf zu, ihr Leben als Fischer aufzugeben und sich ganz der Verkündigung des Evangeliums in Seiner Kirche zu weihen. An die Mehrheit der Christen und Mitglieder des Volkes Gottes richtet Jesus den Ruf, ihm unter den regulären Bedingungen ihres Lebens zu folgen: in der Sorge für die Familie, in der guten Erfüllung der beruflichen Verpflichtungen und der täglichen Arbeit und in allen Wirklichkeiten dieser Zeit, denen wir alle verpflichtet sind, sich mit der Gnade Gottes zu heiligen suchen. Gott ruft auch die anderen Menschen zur Umkehr, wie er es bei den Bewohnern von Ninive getan hat (vgl. Jona 3,1-5.10), ihn ehrlichen Herzens zu suchen, was die Suche nach der Wahrheit, der Gerechtigkeit, dem Frieden und der Liebe einschließt. Somit sind alle aufgefordert, ihren überflüssigen und oberflächlichen Lebensstil zu ändern, wo man oft verschiedenen Götzen dient, und die Gnade des Herrn Jesus Christus anzunehmen, der als einziger in der Menschheitsgeschichte von sich sagen konnte: „Ich bin der Weg, die Wahrheit und das Leben“ (Joh 14,6).
Liebe Brüder und Schwestern, das Motto des heutigen Sonntags des Wortes Gottes: „Bleibt in meinem Wort“ (Joh 8,31) lädt uns ein, dem Beispiel der seligen Jungfrau Maria zu folgen, die beim Besuch der Hirten in Bethlehem vieles hörte; und sie „bewahrte alle diese Worte und erwog sie in ihrem Herzen“ (Lk 2,19). Ihrer mächtigen Fürsprache vertrauen wir unseren Entschluss an, die Aufforderung des Herrn Jesus anzunehmen: „Die Zeit ist erfüllt, das Reich Gottes ist nahe. Kehrt um und glaubt an das Evangelium“ (Mk 1,15). Amen.