Predigt von Nuntius Eterovic am 30. Sonntag im Jahreskreis

Berlin, 27. Oktober 2019

(Sir 35,15-17.20-22; Ps 34; 2 Tim 4,6-8.16-18; Lk 18,9-14)

„Wer sich selbst erhöht, wird erniedrigt, wer sich aber selbst erniedrigt, wird erhöht werden“ (Lk 18,14).

Liebe Schwestern und Brüder!

Das Wort Gottes am 30. Sonntag im Jahreskreis legt den Akzent auf die Bedeutung der Demut im christlichen Leben (I). Mit ihr verbunden ist das Vertrauen auf Gott (II) und die Vergebung der Vergehen des Nächsten (III). Wir wollen uns der Gnade des Heiligen Geistes öffnen und über den Inhalt des verkündeten Wortes reflektieren.

1. Die Demut

Das Gleichnis, das wir im Abschnitt des Evangeliums des Heiligen Lukas gehört haben, ist sehr klar. Gott mag das Gebet des Pharisäers nicht, der völlig von sich überzeugt ist, sich vor Gott seines Lebens und der Taten rühmt, die er tut. Die Pharisäer sehen sich im Einklang mit den Geboten des Gesetzes und halten sich daher für vollkommen rein. Im Gleichnis des Pharisäers im Tempel gibt es kein Anzeichen auf seine Fehler, auf sein Mitleid mit anderen Menschen, die mit ihm leben, auf die Notwendigkeit eines göttlichen Eingreifens. Das alles steht im Gegensatz zum Zöllner, der zu einer Gruppe gehörte, die verachtet wurde und deren Mitglieder als öffentliche Sünder galten. Der Zöllner nämlich „blieb ganz hinten stehen und wollte nicht einmal seine Augen zum Himmel erheben, sondern schlug sich an die Brust und betete: Gott, sei mir Sünder gnädig“ (Lk 18,13). Jesus fällt das Urteil zugunsten des Zöllners, der „gerechtfertigt nach Hause hinabging“ (Lk 18,14), während das über den Pharisäer negativ ausfällt. Das Gleichnis endet mit dem großen Lehrsatz des Herrn Jesus: „Denn wer sich selbst erhöht, wird erniedrigt, wer sich aber selbst erniedrigt, wird erhöht werden“ (Lk 18,14).

Die Worte unseres Meisters und Erlösers Jesus Christus sind präzise und konkret: es gibt keinerlei Missverständnis. Sie unterstreichen die Wichtigkeit der Demut. Schon im Alten Testament wird sie geschätzt. Wir haben das beispielsweise zusammenfassend in der ersten Lesung gehört: „Das Gebet eines Demütigen durchdringt die Wolken, und bevor es nicht angekommen ist, wird er nicht getröstet und er lässt nicht nach, bis der Höchste daraufschaut. Und er wird für die Gerechten entscheiden und ein Urteil fällen“ (Sir 35,21-22). Jesus Christus hat mit seinem ganzen Leben ein ausgezeichnetes Beispiel der Demut gegeben, aber auch durch seine Worte, mit denen er seine Jünger auffordert: „Lernt von mir; denn ich bin gütig und von Herzen demütig“ (Mt 11,29). Jesus hat die Demut in eine grundlegende Tugend des Christentums verwandelt. Erbitten wir daher vom Heiligen Geist, der Gabe des auferstandenen Herrn, die er in Fülle ausgießt (vgl. Joh 3,34), die Gnade der Demut, damit wir in der Beziehung zu Gott und dem Nächsten immer mehr dem Zöllner ähnlich werden. Er weiß um seine Fehler, seine Sünden und schafft so die Voraussetzungen für das heilmachende Eingreifen Gottes. Sein Gebet ist authentisch und keine Art der Selbstrechtfertigung oder Selbsterhöhung wie im Fall des Pharisäers. Der Zöllner steht mit beiden Beinen auf dem Boden, ist demütig und deswegen auch offen für die Gnade des guten und barmherzigen Gottes, der nicht den Tod des Sünders will, sondern daß er sich bekehrt und lebt (vgl. Ez 33,11).

2. Das Vertrauen.

Das demütige Gebet des Zöllners ist verbunden mit dem Vertrauen in JHWH, dem allmächtigen und barmherzigen Gott, der alles sieht und somit kennt, aber nicht danach trachtet, uns wegen unserer Fehler und Sünder zu verdammen, sondern der will, daß wir auf den rechten Weg zurückkehren, der zu Ihm führt, und den wir in Gemeinschaft mit unseren Brüdern und Schwestern gehen sollen.

Auch der Heilige Paulus gibt in seinem zweiten Brief an seinen Schüler Timotheus Zeugnis von seinem großen Vertrauen in Gott. Er ist eingekerkert und erwartet das Ende seiner Existenz. Im Rückblick auf sein Leben erneuert er sein Vertrauen in Gott, der in nicht verlassen wird. Der Völkerapostel schreibt: „Der Herr wird mich allem bösen Treiben entreißen und retten in sein himmlisches Reich. Ihm sei die Ehre in alle Ewigkeit. Amen“ (2 Tim 4,18). Der Heilige Paulus weiß, daß zwei Möglichkeiten vor ihm liegen: entweder die Befreiung aus dem Kerker oder der Tod. Er überlässt sich der göttlichen Vorsehung in vollem Vertrauen, daß Gott in jedem Fall bei ihm bleibt, und ihn in sein Reich aufnimmt, wenn sein irdischer Lebensweg beendet sein wird.

Wie der Heilige Paulus und dem Zöllner im Evangelium gleich erneuern auch wir, liebe Brüder und Schwestern, unser Vertrauen in Gott. Er ist unser Vater, der es gut mit uns meint und will, daß wir uns an ihn voll Vertrauen als Vater wenden: „Vater unser im Himmel“ (Mt 6,9). Es hilft uns wiederum der Herr Jesus, wenn er lehrt: „Dies habe ich zu euch gesagt, damit ihr in mir Frieden habt. In der Welt seid ihr in Bedrängnis; aber habt Mut: Ich habe die Welt besiegt“ (Joh 16,33).

3. Die Vergebung

Die Demut ist verbunden mit dem Vertrauen, jedoch auch mit der Vergebung. Ein hochmütiger Mensch ist nicht imstande zu verzeihen, auch deswegen, weil er nicht fähig ist, seine Sünden zu erkennen, um sodann Gott und den Nächsten um Vergebung zu bitten. Ein demütiger Mensch ist hingegen darauf eingestimmt, diesen Akt zu vollziehen, der Gott sehr wohlgefällig ist. Jesus selbst hat dies im vorzüglichen Gebet an den Vater zum Ausdruck gebracht: „Und vergib uns unsere Schuld, wie auch wir vergeben unseren Schuldigern“ (Mt 6,12). Der Zöllner ist zerknirscht über seine Sünden und erfleht die Vergebung von JHWH: „Gott, sei mir Sünder gnädig“ (Lk 18,13). Er weiß, daß Gott allein in der Lage ist, ihm Vergebung und die Reinigung des Herzens zu schenken.

Der Herr Jesus hat das höchste Beispiel der Vergebung gegeben, als er vor seinem Tod zu Gott für seine Feinde betet: „Vater, vergib ihnen, denn sie wissen nicht, was sie tun“ (Lk 23,34). Der Heilige Paulus hat dies verinnerlicht und folgt Jesu Beispiel des Verzeihens. Er hätte Grund gehabt zu grollen, denn bei seinem ersten Prozess vor Gericht, ist niemand zu seiner Verteidigung aufgestanden, sondern alle haben sich von ihm abgewandt. Er aber schreibt: "Möge es ihnen nicht angerechnet werden. Aber der Herr stand mir zur Seite und gab mir Kraft“ (2 Tim 4,16-17).

Das Evangelium, das wir empfangen haben und in Demut, Vertrauen und vergebend zu leben suchen, ist nicht allein für uns ein Reichtum, sondern für die ganze Welt, für alle Menschen guten Willens. Das erfordert auch unseren Einsatz für die Missionen, vor allem im Monat Oktober, der traditionell den Missionen gewidmet ist. Der Heilige Vater Franziskus wiederholt oft, daß jeder Christ ein Jünger Jesu und Missionar seines Evangeliums sein soll.

Liebe Brüder und Schwestern, bitten wir Gott, den Vater, Sohn und Heiligen Geist auf die Fürsprache der seligen Jungfrau Maria, der Königin der Missionen, er möge uns die Gaben der Demut, des Vertrauens und des Verzeihens gewähren, damit wir alle das Wort der Befreiung und der Absolution des Herrn Jesus zu hören imstande sind: „Dieser ging gerechtfertigt nach Hause hinab“ (Lk 18,14) und diese Botschaft des Heils den Nahen und Fernen verkünden können. Amen.

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