Predigt von Nuntius Eterovic am 31. Sonntag im Jahreskreis
Berlin, den 5. November 2023
(Mal 1,14-2,2.8-10; Ps 131; 2 Thess 2,7-9.13; Mt 23,1-12)
„Der Größte von euch soll euer Diener sein“ (Mt 23,11).
Liebe Schwestern und Brüder!
Das Wort Gottes an diesem 31. Sonntag im Jahreskreis hat die Erfüllung des Willens Gottes aller zum Ziel, besonders von denen, die eine besondere Sendung für das Volk Gottes haben. Das betraf die Priester des Alten Bundes (I), gilt aber auch für die Verantwortlichen der christlichen Gemeinschaften, wie der Herr Jesus lehrt (II). Eine wünschenswerte Weise der Erfüllung des kirchlichen Dienstes bietet uns der heilige Paulus im ersten Brief an die Thessalonicher (III). Öffnen wir unsere Herzen dem Heiligen Geist, auf dass er uns mit seiner Gnade erleuchte und allen ermögliche, eine tiefgehende Gewissenserforschung zu machen, um möglicherweise falsches Verhalten in der kirchlichen Sendung zu ändern, das sich am Lobe Gottes und zum Dienst am Nächsten ausrichten muss.
1. „Ich verfluche den Segen, der auf euch ruht“ (Mal 2,2).
Die starke Kritik des Propheten Maleachi, der im fünften Jahrhundert vor Christus gelebt hat, ist mit der religiösen Dekadenz des jüdischen Volkes und vor allem der Priester begründet. Sie hatten die Aufgabe, sich ganz dem Gottesdienst zu widmen und dem Volk treu das Gesetz zu lehren. Doch nach dem Propheten haben die Priester bei dieser Sendung versagt. Anstatt zur Ehre Gottes zu wirken, dachten sie nur an ihre eigenen Interessen und sorgten sich nicht genügend um die Bildung der Gläubigen. In dieser Zeit stellten die sogenannten Mischehen zwischen Juden und Nichtjuden ein großes Problem dar, das sich nach der Rückkehr der Juden aus dem babylonischen Exil weit verbreitet hatte (vgl. Mal 2,11). Durch den Propheten schilt JHWH die Priester: „Ihr aber, ihr seid abgewichen vom Weg, ihr habt viele zu Fall gebracht durch eure Weisung; ihr habt den Bund Levis zunichte gemacht“ (Mal 2,8). Wenn die Priester nicht mehr mit Gott vereint sind, können sie auch nicht segnen, denn sie bieten dem Volk ein schlechtes Beispiel und werden zum Hindernis für eine gute Beziehung zu Gott. Anstatt das Volk das Gesetz authentisch in der von Gott offenbarten Weise zu lehren, machen sie sich durch ihre Lehre beliebt und tragen Mitschuld an den Fehlern der Leute. Daher spricht Gott: „Darum mache ich euch verächtlich und erniedrige euch vor dem ganzen Volk, so wie ihr euch nicht an meine Wege haltet und auf die Person seht bei der Weisung“ (Mal 2,9). Die Lesung endet mit dem Aufruf zur Brüderlichkeit aller, was ein starkes Argument für die Beachtung des Gesetzes Gottes ist, das zum Wohle des erwählten Volkes offenbart worden war. „Haben wir nicht alle denselben Vater? Hat nicht der eine Gott uns erschaffen? Warum handeln wir dann treulos, einer gegen den andern, und entweihen den Bund unserer Väter?“ (Mal 2,10). Die Botschaft Gottes durch den Propheten Maleachi bleibt aktuell. Die Priester und all jene, die eine besondere Sendung Gottes empfangen haben, müssen treu im Glauben sein und nicht den Beifall der Leute suchen, heute vor allem in den Medien, sowie diesen Auftrag nicht aus persönlichen oder wegen bestimmter Interessen von Gruppen vernachlässigen.
2. „Der Größte von euch soll euer Diener sein“ (Mt 23,11).
Im Neuen Testament verfolgt der Herr Jesus die gleiche Linie und kritisiert die Schriftgelehrten und Pharisäer deutlich mit der Begründung: „Auf dem Stuhl des Mose sitzen die Schriftgelehrten und die Pharisäer. Tut und befolgt also alles, was sie euch sagen, aber richtet euch nicht nach ihren Taten; denn sie reden nur, tun es aber nicht“ (Mt 23,2-3). Man muss daran erinnern, dass die Schriftgelehrten die Experten für das Alte Testament waren und die offiziellen Ausleger des mosaischen Gesetzes. Die Pharisäer sind hingegen für ihre Angriffe auf die Traditionen der Väter und wegen ihrer nur äußerlichen Beachtung des Gesetzes bekannt. Jesus kritisiert nicht alle Schriftgelehrten und Pharisäer, denn einige von ihnen hatten gute Beziehungen mit ihm und wurden zu seinen Jüngern gezählt. Auch der heilige Paulus war ein Pharisäer (vgl. Apg 23,6; 26,5). Die Kritik zielt auf den Widerspruch zwischen öffentlicher Verkündigung und dem privaten, persönlichen Leben dieser Leute. Das gilt jedoch auch für uns Christen und den Widerspruch zwischen der Schönheit der Verkündigung des Evangeliums und unserer Mittelmäßigkeit oder schlimmer noch, dem Leben im Gegensatz zum Willen des Herrn. Auch in dieser Situation bietet Jesus den Gläubigen eine goldene Regel, indem er zeigt, wie man sich verhalten soll: „Tut und befolgt also alles, was sie euch sagen“ (Mt 23,3), was bedeutet, das Gute ihrer erwähnten Lehre in die Tat umzusetzen. Jesus erläutert sodann die Motive seiner Kritik an den Schriftgelehrten und Pharisäern: „Alles, was sie tun, tun sie, um von den Menschen gesehen zu werden: Sie machen ihre Gebetsriemen breit und die Quasten an ihren Gewändern lang, sie lieben den Ehrenplatz bei den Gastmählern und die Ehrensitze in den Synagogen und wenn man sie auf den Marktplätzen grüßt und die Leute sie Rabbi nennen“ (Mt 23,5-7). Was die Anwendung dieses Titels angeht, ist der Herr Jesus sehr bestimmt: er verbietet den Menschen, sich „Rabbi“, „Vater“ oder „Meister“ zu nennen. Was die Anrede „Vater“ angeht, sagt er: „Ihr sollt niemanden auf Erden euren Vater nennen; denn nur einer ist euer Vater, der im Himmel“ (Mt 23,9). Die Titel „Rabbi“ und „Meister“ bezieht er ausschließlich auf sich selbst: „Ihr aber sollt euch nicht Rabbi nennen lassen; denn nur einer ist euer Meister, ihr alle aber seid Brüder“ (Mt 23,8). Gleiches gilt: „Auch sollt ihr euch nicht Lehrer nennen lassen; denn nur einer ist euer Lehrer, Christus“ (Mt 23,10). Der heilige Hieronymus kommentiert hierzu: „Kein anderer soll Meister und Vater genannt werden als Gott, der Vater, und unser Herr Jesus Christus. Vater, weil alles von ihm kommt; Meister, denn alles ist für ihn und weil er uns alle im Geheimnis seiner Fleischwerdung mit Gott versöhnt hat“. Weil er erkannte, dass auch zu seiner Zeit sich manche Mönche „Vater“ nennen ließen, sagt er: „Eine Sache ist es, Vater und Meister der Natur nach zu sein, aber eine andere, es aus Selbstgefälligkeit zu sein. Wenn wir einen Menschen ‚Vater‘ nennen, ist es seinem Alter geschuldet, aber wir nennen ihn nicht so, weil er der Urheber unserer Tage wäre. Derjenige gilt als Meister, der mit dem wahren Meister verbunden ist“. Zusammengefasst „sind wir nicht daran gehindert, anderen solche Namen im weitesten Sinne zuzuschreiben, so etwa die Titel ‚Vater‘ oder ‚Meister‘“ (Hl. Hieronymus, Kommentar zum Matthäusevangelium). Wichtig ist, dass alle, die einen besonderen Platz in der Gemeinschaft haben, Zuständigkeit oder Macht, dies im Geiste des Dienens nach dem Evangelium ausüben, gemäß dem Worte Jesu: „Der Größte von euch soll euer Diener sein“ (Mt 23,11). Geschieht es im Gegensatz dazu, wird Gott deren Mission nicht segnen, weil Er die Demütigen bevorzugt und nicht die Hochmütigen: „Denn wer sich selbst erhöht, wird erniedrigt, und wer sich selbst erniedrigt, wird erhöht werden“ (Mt 23,12).
3. „Wir sind euch freundlich begegnet“ (1 Thess 2,7).
Der heilige Paulus zeigt uns im ersten Brief an die Thessalonicher, wie in einer christlichen Gemeinschaft die Rolle der Führung und der Autorität auszuüben ist. Er, der wusste, sehr anspruchsvoll und hart zu sein (vgl. seinen Brief an die Galater) und oft die Christen in den von ihm gegründeten Gemeinden getadelt hat, zeigt sich in diesem Text voller Zuneigung und Mitgefühl: „Wir sind euch freundlich begegnet: Wie eine Mutter für ihre Kinder sorgt, so waren wir euch zugetan und wollten euch nicht nur am Evangelium Gottes teilhaben lassen, sondern auch an unserem Leben; denn ihr wart uns sehr lieb geworden“ (1 Thess 2,7-8). Der Völkerapostel hat tatsächlich sein Leben für die Christen hingegeben, als er in Rom, der Hauptstadt des Imperiums, den Martertod starb. Auf dieses Martyrium hat er sich im christlichen Geist vorbereitet, den er vom Meister Jesus Christus gelernt hat und womit er bestärkt war, voranzugehen und anderen zu helfen, ebenfalls diesen Weg der Vollendung einzuschlagen.
Vertrauen wir unsere Überlegungen der Fürsprache der seligen Jungfrau Maria an, der Mutter der Kirche, damit wir die Berufung leben können, die Gott uns anvertraut hat, gemäß der Lehre des Herrn Jesus und nach dem Beispiel des heiligen Paulus und aller Heiligen, die ihr Leben der Verherrlichung Gottes und dem Dienst am Nächsten geweiht haben. Wenn wir uns auf diese Weise verhalten, wird Gott unseren Dienst segnen und uns zum Segen machen für unsere Brüder und Schwestern (vgl. Gen 12,2). Amen.