Predigt von Nuntius Eterovic am 32. Sonntag im Jahreskreis
Apostolische Nuntiatur, 8. November 2020
(Weish 6,12-16; Ps 63, 1 Thess 4,13-18; Mt 25,1-13)B
„Mit dem Himmelreich ist es wie mit den zehn Jungfrauen“(Mt 25,1).
Liebe Schwestern und Brüder!
Mit dem Gleichnis von den zehn Jungfrauen bereitet uns der Herr Jesus auf die Begegnung mit ihm vor, vor allem am Ende unserer persönlichen Geschichte im Moment des Todes. So endet das heutige Evangelium, das wir gehört haben, mit der Ermahnung: „Seid also wachsam! Denn ihr wisst weder den Tag noch die Stunde“ (Mt 25,13). Auch wenn wir nicht wissen, wann und wie uns der Vater zu sich ruft, hoffen wir auf das Leben und die ewige Herrlichkeit, weswegen es wichtig ist, für diese Begegnung bereit zu sein. Der Heilige Paulus belehrt uns über das Schicksal der Christen, die gestorben sind (I). Jesus Christus zeigt uns, wie wir uns für die Begegnung mit Ihm vorbereiten müssen, wenn er in seiner Herrlichkeit kommt, um die Lebenden und die Toten zu richten (II). Es handelt sich um eine tiefe Weisheit, die Gott allen in seiner Güte schenkt (III).
1. „Jesus ist gestorben und auferstanden“ (1 Thess 4,14).
Am 1. November haben wir das Hochfest Allerheiligen gefeiert. Der nachfolgende Tag erinnert uns an die verstorbenen Gläubigen. Auch der Abschnitt aus dem Brief des Heiligen Paulus an die Thessalonicher hilft uns, die Lehre der Kirche über das Schicksal unserer verstorbenen Brüder und Schwestern besser zu verstehen. Die Christen in Thessaloniki erwarteten die nahe Wiederkunft des Herrn noch zu ihren Lebzeiten. Sie dachten also, die Lebenden hätten für die Begegnung mit dem Herrn Jesus bei seinem Kommen in Herrlichkeit einen Vorteil gegenüber den Toten. Der Heilige Paulus unterstreicht die Bedeutung der Wahrheit der Auferstehung Jesu Christi: „Denn wenn wir glauben, dass Jesus gestorben und auferstanden ist, so wird Gott die Entschlafenen durch Jesus in die Gemeinschaft mit ihm führen“ (1 Thess 4,14). Daher haben die Lebenden keinerlei Vorteil gegenüber den Toten bei der Wiederkunft des verherrlichten Herrn, denn „zuerst werden die in Christus Verstorbenen auferstehen“ (1 Thess 4,16). Alle werden das gleiche Schicksal haben und zu den Wolken erhoben, „in die Luft entrückt zur Begegnung mit dem Herrn. Dann werden wir immer beim Herrn sein“ (1 Thess 4,17).
Der Glaube an die Auferstehung des Herrn Jesus ist das Fundament der Hoffnung auch auf unsere Auferstehung. Der Herr des Lebens lässt alle auferstehen, besonders jene, die mit ihm im Tod durch die Taufe auf Jesus Christus vereint sind. Die Christen sollen diese Wahrheit den Nahen verkünden, welche diese wegen der kleinen und großen Sorgen des Alltags vergessen haben, wie auch den Fernen, die sich von der Kirche und dem Glauben an den dreieinen Gott entfernt haben. Die wesentliche Aufgabe der Kirche besteht in der Verkündigung des Todes und der Auferstehung des Herrn Jesus, welcher „der Erstgeborene der Toten“ (Kol, 1,18) und somit die Voraussetzung für die Auferstehung aller Menschen ist. In der Begegnung mit dem verherrlichten Herrn und gerechten Richter wird jeder den Lohn erhalten, den er im Laufe seines irdischen Lebens verdient hat.
2. „Mit dem Himmelreich ist es wie mit den zehn Jungfrauen“ (Mt 25,1).
Im Gleichnis von den zehn Jungfrauen belehrt uns Jesus darüber, wie wir uns verhalten müssen, um den Lohn des ewigen Lebens zu erhalten und in sein Reich einzutreten, das ein Reich des Lebens, der Wahrheit und der Liebe ist. Die Botschaft des Herrn ist klar: man muss sich wie die fünf klugen Jungfrauen verhalten, denn sie „nahmen mit ihren Lampen noch Öl in Krügen mit“ (Mt 25,4). Die Erzählung ist von der traditionellen Prozession inspiriert, wo die Braut am Vorabend der Hochzeit zum Haus des Bräutigams begleitet wird. Deswegen müssen die Jungfrauen brennende Lampen tragen. Im Gleichnis heißt es, dass alle zehn Jungfrauen auf die Ankunft des Bräutigams warteten. Jener aber kommt spät und alle waren eingeschlafen. Um Mitternacht tönt der Ruf: „Siehe, der Bräutigam! Geht ihm entgegen!“ (Mt 25,6) und sie erwachen und bereiten ihre Lampen. In diesem Moment erkennen die törichten Jungfrauen das Problem. Sie stellen fest, dass sie kein Öl bei sich hatten und sie ihre erloschenen Lampen nicht wieder anzünden konnten. Diese fünf Jungfrauen waren auf die Begegnung mit dem Bräutigam nicht vorbereitet. Das Ergebnis ist tragisch, denn als sie sich auf den Weg machten, um Öl zu kaufen, wurde die Tür zum Hochzeitssaal verschlossen. Das Drama setzt sich fort, denn auf die Bitte dieser Jungfrauen: „Herr, Herr, mach uns auf“ antwortet er: „Amen, ich sage euch: Ich kenne euch nicht“ (Mt 25,11.12).
Die Mahnung Jesu: „Seid also wachsam! Denn ihr wisst weder den Tag noch die Stunde“ (Mt 25,13) richtet sich an uns alle.
Wir alle sind angehalten, uns gut auf die Begegnung mit dem Herrn Jesus vorzubereiten. Wer vorbereitet ist, der kann auch einschlafen, sterben, jedoch beim Erwachen wird er neben der Lampe auch das Öl haben, um den Bräutigam zum ewigen Hochzeitsmahl zu begleiten. Symbolisch steht die Lampe für den Glauben, der durch ein christliches Leben erleuchtet werden muss. Aber nur das ist ohne die guten Werke nicht genug, ohne die Früchte der Caritas bleibt die Lampe ohne Öl und gibt also kein Licht. Der Heilige Jakobus schreibt: „Denn wie der Körper ohne den Geist tot ist, so ist auch der Glaube ohne Werke tot“ (Jak 2,26). Daher müssen wir den Glauben fruchtbar machen, indem wir der Lehre des Heiligen Paulus folgen: „Glaube, der durch die Liebe wirkt“ (Gal 5,6). Es gibt in unserer Welt genug Gelegenheiten, die von uns jene Werke der Liebe zugunsten der Armen und Hilfsbedürftigen verlangen. Ihre Zahl wächst leider in Folge der Corona-Pandemie weltweit immer mehr, vor allem in den ärmsten und benachteiligten Ländern.
3. „Strahlend und unvergänglich ist die Weisheit“ (Weish 6,12).
Das Wort Gottes öffnet jedem Menschen guten Willens unerwartete Horizonte. Die Weisheit, die Gnade Gottes ist offen für all jene, die lieben und ihn suchen. Die Aussagen der ersten Lesung beschreiben diese Offenheit Gottes für die Menschen: „Strahlend und unvergänglich ist die Weisheit; wer sie liebt, erblickt sie schnell, und wer sie sucht, findet sie“ (Weish 6,12). Wie Gott, so ergreift auch die Weisheit stets die Heilsinitiative. Sie macht sich auf, den Menschen zu suchen, der sie leicht finden kann, wenn er dafür würdig ist. Für uns ist Jesus Christus die Weisheit in Person. Er hat uns das Geheimnis, „das von Ewigkeit her in Gott, dem Schöpfer des Alls, verborgen war“ (Eph 3,9) offenbart, die Weisheit über Gott und den Menschen. Er fordert uns auf, der christlichen Berufung würdig zu sein und daher auf das Geschenk des ewigen Lebens vorzubereiten. Um würdig zu sein, ist nötig, dem Beispiel der fünf klugen Jungfrauen zu folgen, die „außer ihren Lampen noch Öl in Krügen mitnahmen“ (Mt 25,4). Der Weg, den Glauben in der Liebe fruchtbar zu machen, führt über ein authentisches christliches Leben, das uns das Tor zum ewigen Leben öffnet. Der Evangelist Matthäus zeigt diese Wahrheit, indem er das Jüngste Gericht beschreibt. Das vom Herrn Jesus vorgegebene Kriterium für das Urteil über die Menschen lautet: „Amen, ich sage euch: Was ihr für einen meiner geringsten Brüder getan habt, das habt ihr mir getan“ (Mt 25,40). Und wir wissen, jene Kleinen sind die Hungernden, Dürstenden, Fremden, Unbekleideten, Kranken und Gefangenen (vgl. Mt 25,31-46).
Liebe Brüder und Schwestern, danken wir dem dreieinen Gott für die Freude, zum Hochzeitsmahl seines Sohnes und unseres Herrn Jesus Christus geladen zu sein. Auf die Fürsprache der seligen Jungfrau Maria, der Mutter der Kirche, ergreifen wir die Gabe der Weisheit, der Gnade Gottes und wollen wie die fünf klugen Jungfrauen handeln. Wir nehmen außer der Lampe des Glaubens auch das Öl der Caritas mit, die während unseres christlichen Lebens zur Liebe gegenüber Gott und dem Nächsten reift. Amen.