Predigt von Nuntius Eterovic am 33. Sonntag im Jahreskreis

Apostolische Nuntiatur, 14. November 2021

(Dan 12,1-3: Ps 16; Hebr 10,11-14.18; Mk 13,24-32)

„Himmel und Erde werden vergehen, aber meine Worte werden nicht vergehen“ (Mk 13,31).

Liebe Schwestern und Brüder!

Das Wort Gottes an diesem 33. Sonntag im Jahreskreis beschreibt auf apokalyptischen Weise das Ende der Welt, was in der Zerstörung Jerusalems ein Symbol findet. Auf diese Weise ermahnt uns die Kirche, diese liturgische Zeit, die ihrem Ende entgegengeht, gut zu leben. Der kommende Sonntag nämlich, der 21. November, ist der Christkönigsonntag, mit dem das liturgische Jahr schließt. Mit dem ersten Advent am 28. November beginnt das neue liturgische Jahr. Angesichts des dramatischen Horizonts herabstürzender Himmelskörper und Katastrophen auf Erden muss der Gläubige besonders in zwei Haltungen verankert sein: im Vertrauen (I) und in der Wachsamkeit (II). Heute begehen wir außerdem den V. Welttag der Armen (III). Aus diesem Anlass hat der Heilige Vater eine Botschaft an die Christen und alle Menschen guten Willens gerichtet. Rufen wir die Gnade des Heiligen Geistes an, die Ihm ermöglicht, uns aus der Tiefe des Wortes Gottes zu führen, welches für jeden von uns das Licht ist, wie auch für die Kirche und die ganze Menschheit.

1. Das Vertrauen

Die apokalyptischen Bilder der ersten Lesung aus dem Buch Daniel und im Markusevangelium sind uns sehr vertraut. Auch wir sind Zeugen von Erdbeben, Tsunamis, Feuerwalzen und Wasserfluten. In unserer Welt, die in den rasant schnellen Kommunikationsmöglichkeiten zu einem globalen Dorf geworden ist, hören wir rasch von den Katastrophen, die überall geschehen. Auch für uns sind die Worte der Hoffnung aktuell, die der Prophet Daniel uns überliefert: In jener Zeit wird Gott sein Volk erlösen, „jeden, der im Buch verzeichnet ist“ (Dan 12,1). Der Prophet sieht auch die Auferweckung und das Schicksal der Herrlichkeit oder der Verdammung, je nachdem, wie der einzelne sich in seinem irdischen Leben verhalten hat. Die folgenden Worte erfüllen uns mit Vertrauen: „Die Verständigen werden glänzen wie der Glanz der Himmelsfeste und die Männer, die viele zum rechten Tun geführt haben, wie die Sterne für immer und ewig“ (Dan 12,3). Auch im heutigen Evangelium verbreitet der Herr Jesus innerhalb seiner Jünger Hoffnung. Den inmitten der großen Katastrophen wird Er sie nicht vergessen. Im Gegenteil, sie werden den Menschensohn auf den Wolken kommen sehen „mit großer Kraft und Herrlichkeit. Und er wird die Engel aussenden und die von ihm Auserwählten aus allen vier Windrichtungen zusammenführen, vom Ende der Erde bis zum Ende des Himmels“ (Mk 13,26-27). Sein Gericht wird eines sein, das Heil und ewiges Leben all jenen verheißt, die an Ihn geglaubt und sein Liebesgebot gelebt haben.

2. Die Wachsamkeit

Liebe Brüder und Schwestern, auch wenn wir den Tag und die Stunde nicht kennen, an dem der Herr in seiner Herrlichkeit kommen wird, so mahnt er uns doch, stets wachsam und immer bereit für diese Begegnung der Wahrheit zu sein. Wir alle wissen, dass wir eines Tages sterben werden. Der gegenwärtige Lebensstil kann dies für einen Teil der Menschen beschleunigen: denken wir nur an die Toten im Straßenverkehr, an die Herzkrankheiten und nicht zuletzt auch durch die Corona-Pandemie. Es gibt viele Gründe, wachsam zu bleiben und Gott den ersten Platz in unserem Leben einzuräumen, auch in der Gebetsbeziehung mit Gott, dem Vater, dem Sohn und dem Heiligen Geist, bei der Feier der Eucharistie an Sonn- und Feiertagen, in unserem Glauben, der unser ganzes persönliches, familiäres und soziales Leben durchdringen soll. Die Verheißung des Herrn Jesus: „Himmel und Erde werden vergehen, aber meine Worte werden nicht vergehen“ (Mk 13,31 sollte unser Vertrauen in Ihn stärken und sodann auch unsere Wachsamkeit, die uns bereit und vorbereitet für seine glorreiche Rückkehr findet.

3. „Die Armen habt ihr immer bei euch“ (Mk 14,7).

In seiner Botschaft unterstreicht der Heilige Vater Franziskus, dass uns diese Aussage nicht träge im Angesicht der Armut sein lassen darf, die weltweit nicht zuletzt wegen der Corona-Pandemie immer mehr zunimmt. Die bleibende Gegenwart der Armen bei uns „darf nicht zur Gewohnheit werden, die zur Gleichgültigkeit führt, sondern muss vielmehr zu einem Teilen des Lebens führen, das nicht an andere delegiert werden kann. Die Armen sind keine „Außenstehenden“ in Bezug auf die Gemeinschaft, sondern Brüder und Schwestern, deren Leid geteilt werden muss, um ihre Not und Ausgrenzung zu lindern, damit ihnen so die verlorene Würde zurückgegeben und die notwendige soziale Inklusion gesichert wird. Zudem ist bekannt, dass eine wohltätige Geste einen Wohltäter und einen Empfänger der Wohltat voraussetzt, während das Teilen Geschwisterlichkeit wachsen lässt. Das Almosen ist etwas Gelegentliches; Teilen ist dagegen dauerhaft. Ersteres birgt die Gefahr, den, der es gibt, zufriedenzustellen, und den, der es empfängt, zu demütigen. Das Teilen hingegen stärkt die Solidarität und schafft die notwendigen Voraussetzungen, um Gerechtigkeit zu erreichen. Kurz gesagt: Wenn die Gläubigen Jesus persönlich sehen und ihn mit Händen greifen wollen, dann wissen sie, wohin sie sich wenden müssen, denn die Armen sind das Sakrament Christi, sie repräsentieren seine Person und verweisen auf ihn“ (Nr. 3).

Tatsächlich ist Jesus der erste Arme, „der Ärmste unter den Armen, weil er für alle Armen steht“ (Nr. 1). Sein ganzes Wirken zeigt, „dass Armut nicht die Folge schicksalhaften Unglücks ist, sondern konkretes Zeichen seiner Gegenwart unter uns. Wir finden ihn nicht, wann und wo wir wollen, sondern wir erkennen ihn im Leben der Armen, in ihrem Leiden, ihrer Bedürftigkeit, in den zuweilen unmenschlichen Situationen, in denen zu leben sie gezwungen sind. Ich werde nicht müde zu wiederholen, dass die Armen wahrhaft evangelisieren, weil sie zuerst evangelisiert und berufen wurden, die Seligkeit des Herrn und sein Reich zu teilen (vgl. Mt 5,3)“ (Nr. 2).

Papst Franziskus ermuntert, sich der neuen Armut aufgrund von Covid-19 zu stellen, die beispielsweise in Arbeitslosigkeit besteht. Er kritisiert die mangelnde Sensibilität und grausame Gleichgültigkeit der Verantwortlichen. „Das Evangelium Christi drängt uns, eine ganz besondere Aufmerksamkeit für die Armen zu haben, und es erfordert, die vielfachen – zu vielen – Formen moralischer und sozialer Unordnung zu erkennen, die stets neue Formen der Armut hervorrufen. Es scheint sich immer mehr die Auffassung durchzusetzen, dass die Armen nicht nur für ihre Situation selbst verantwortlich sind, sondern dass sie auch eine unerträgliche Last für ein Wirtschaftssystem darstellen, das die Interessen einiger privilegierter Gruppen in den Mittelpunkt stellt. Ein Markt, der die ethischen Prinzipien ignoriert oder selektiv betrachtet, schafft unmenschliche Bedingungen, welche Menschen in Mitleidenschaft ziehen, die bereits in prekären Verhältnissen leben. So entstehen immer neue Fallstricke des Elends und der Ausgrenzung, die von skrupellosen Wirtschafts- und Finanzakteuren ohne humanitäres Bewusstsein und ohne soziale Verantwortung verursacht werden“ (Nr. 5).

Die gegenwärtige Ungerechtigkeit ruft alle Menschen guten Willens auf und verlangt von Reichen und Armen eine Umkehr. Hierzu schreibt der Heilige Vater: „Armut ist nicht das Ergebnis des Schicksals, sie ist die Folge von Egoismus. Daher ist es entscheidend, Entwicklungsprozesse anzustoßen, bei denen die Fähigkeiten aller genutzt und geschätzt werden, damit die Komplementarität der Kompetenzen und die Verschiedenheit der Rollen zu einer gemeinsamen Ressource der Teilnahme führt. Es gibt viele Formen der Armut bei den „Reichen“, die durch den Reichtum der „Armen“ geheilt werden könnten, wenn sie nur einander begegnen und sich kennenlernen würden! Niemand ist so arm, dass er nicht wechselseitig etwas von sich selbst geben könnte. Die Armen dürfen nicht nur Empfangende sein; sie müssen in die Lage versetzt werden, geben zu können, denn sie wissen sehr gut, wie man dem entspricht. Wie viele Beispiele des Teilens haben wir vor Augen! Die Armen lehren uns häufig Solidarität und das Teilen. Es ist wahr, es sind Menschen, denen etwas fehlt, häufig fehlt ihnen viel und sogar das Notwendige, aber es fehlt ihnen nicht alles, denn ihnen bleibt die Würde der Gotteskinder, die ihnen nichts und niemand nehmen kann“ (Nr. 6).

Liebe Brüder und Schwestern, öffnen wir unsere Herzen dem Heiligen Geist, damit uns diese Überlegungen auf die Fürsprache der seligen Jungfrau Maria, der Mutter der Armen, helfen, für die Anliegen der Armen bei uns und in der Welt sensibler zu werden. Sie mögen uns alle zur Umkehr bewegen und in uns die Haltung der Wachsamkeit und des Vertrauens in den Herrn Jesus stärken, der auch uns versichert: „Himmel und Erde werden vergehen, aber meine Worte werden nicht vergehen“ (Mk 13,31). Amen.

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