Predigt von Nuntius Eterovic am 4. Adventssonntag
Apostolische Nuntiatur, 18. Dezember 2022
(Jes 7,10-14; Ps 24; Röm 1,1-7; Mt 1,18-24)
„Sie werden ihm den Namen Immanuel geben“ (Mt 1,23)
Liebe Schwestern und Brüder,
Der vierte Adventssonntag stellt uns in besonderer Weise die Person des heiligen Josef vor, den Nährvater Jesu Christi. Er wurde vom guten und barmherzigen Gott erwählt, für die selige Jungfrau Maria und das Jesuskind zu sorgen und sie zu beschützen und mit ihnen eine Familie zu sein, welche Keimzelle von Kirche und Gesellschaft ist. Offen für den Heiligen Geist bedenken wir einige Aspekte der Haltung des heiligen Josef (I) und stellen ihr die des Königs Ahas gegenüber (II), damit wir dem heiligen Josef zu folgen suchen, um nach seinem Beispiel gut vorbereitet für das nahende Weihnachtsfest zu sein (III).
1. Josef „fürchte dich nicht“ (Mt 1,20).
Der Abschnitt aus dem Matthäusevangelium stellt mit wenigen Worten die Person und die Sendung des heiligen Josef vor. Er erlebte ein großes Drama. Seine geliebte Braut Maria war schwanger, und er wusste, daran gänzlich unbeteiligt zu sein. Es ist angebracht, die verschiedenen Etappen einer jüdischen Eheschließung in Erinnerung zu rufen. Am Ende der Verlobungszeit, welche die gleichen rechtlichen Wirkungen wie die Ehe hatte, stand das Zusammenleben der Verlobten. Josef und Maria befanden sich noch nicht in dieser Phase, und Josef hatte nichts mit der Empfängnis Jesu zu tun. Das beschreibt der Evangelist klar: Maria „war mit Josef verlobt; noch bevor sie zusammengekommen waren, zeigte sich, dass sie ein Kind erwartete“ (Mt 1,18). Josef ahnte noch nicht, dass es sich dabei um „das Wirken des Heiligen Geistes“ (Mt 1,18) handelte, und Maria ausersehen war, die Mutter des Herrn Jesus Christus zu werden. Wir können uns seine tiefe Verunsicherung und seinen großen Schmerz vorstellen. Die Frau, die er so sehr liebte und mit der er eine Familie gründen und eine gemeinsame Zukunft gestalten wollte, diese Frau erwartete ein Kind, das nicht das seine war. Josef wollte seiner Verlobten nicht schaden und dachte über eine weniger schmerzvolle Entscheidung nach, was bedeutete, „sich in aller Stille von ihr zu trennen“ (Mt 1,19).
In dieser zutiefst schwierigen Situation greift Gott mittels seines Engels ein. Seine Ermutigung lautet: „Josef, Sohn Davids, fürchte dich nicht, Maria als deine Frau zu dir zu nehmen; denn das Kind, das sie erwartet, ist vom Heiligen Geist“ (Mt 1,20). Darüber hinaus offenbart der Engel des Herrn die Sendung des Kindes, das Maria erwartete: „Sie wird einen Sohn gebären; ihm sollst du den Namen Jesus geben; denn er wird sein Volk von seinen Sünden erlösen“ (Mt 1,21). Der Name Jesus bedeutet: „Gott rettet“. Diese Worte erleuchten den heiligen Josef und befreien ihn von einer großen Last. Deshalb gehorchte er dem Willen Gottes „und nahm seine Frau zu sich. Er erkannte sie aber nicht, bis sie ihren Sohn gebar. Und er gab ihm den Namen Jesus“ (1,24-25).
2. „Sie werden ihm den Namen Immanuel geben“ (Mt 1,23).
Augenfällig ist die Parallele zwischen dem Abschnitt des Matthäusevangelium und der Stelle aus dem Buch des Propheten Jesaja über die Geburt eines Kindes, das Immanuel genannt wird und womit auch seine Sendung angezeigt ist. Der Prophet stellt den Willen Gottes heraus, in die Geschichte Israels und der Welt einzugreifen, auch nach der negativen Antwort des Königs Ahas von Juda, der im achten vorchristlichen Jahrhundert gelebt hat. Er wollte von Gott kein großes Zeichen erbitten, was praktisch bedeutete, nicht an diesem Plan mitzuwirken, wobei er als Entschuldigung anführte, den Herrn nicht versuchen zu wollen (vgl. Jes 7,12). Im Namen von JHWH bot der Prophet ihm die Rettung vor der Bedrohung der Assyrer an, wenn er zum Glauben zurückkehre und vom Götzendienst abließe. Andernfalls wurden Ahas und dem Volk Strafe angedroht, was mit der Unterdrückung durch die benachbarten Edomiter und Philister einherging. Der Plan Gottes ging trotz der Ablehnung von Ahas weiter, da JHWH beschloss, seinem Volk zu helfen: „Siehe, die Jungfrau hat empfangen, sie gebiert einen Sohn und wird ihm den Namen Immanuel geben“ (Jes 7,14). Der Evangelist Matthäus nimmt auf dieses Zeichen Bezug und schreibt: „Dies alles ist geschehen, damit sich erfüllte, was der Herr durch den Propheten gesagt hat: Siehe: Die Jungfrau wird empfangen und einen Sohn gebären und sie werden ihm den Namen Immanuel geben, das heißt übersetzt: Gott mit uns. (Mt 1,22-23).
3. „Josef war gerecht“ (Mt 1,19).
Der heilige Matthäus charakterisiert den Bräutigam von Maria als „gerechten Mann“ (vgl. Mt 1,19), was nicht zuletzt bedeutet, dass Josef sich bemüht hat, in seinem Leben den Willen Gottes zu erfüllen, welcher der einzig Gerechte ist. Josef war ein frommer Jude, wohlerzogen und in Kenntnis der Schriften der Bücher des Alten Testaments. Daher war ihm auch die Ankündigung der Geburt eines Sohnes aus einer Jungfrau bekannt, der den Namen Immanuel erhalten solle. Allerdings war die Bedeutung der Prophezeiung im hebräischen Original nicht so klar, wie sie es jetzt mit den Worten des Engels an Josef geworden ist und sodann mit der Geburt Jesu aus der jungfräulichen Mutter und seinem Heilswerk. Josef hat nicht sogleich die Tiefe des Geheimnisses erfasst, in das er eingebunden wurde. Er hat aber Gott geglaubt, und dies wurde ihm wie Abraham, unserem Vater im Glauben, „als Gerechtigkeit angerechnet“ (Röm 4,3). In Wahrheit ist das Projekt, das Gott dem Josef durch den Engel offenbart hat, von erhabener Größe: eine Jungfrau, nämlich seine Braut Maria, wird durch das Wirken des Heiligen Geistes ein Kind empfangen und einen außergewöhnlichen Sohn das Licht der Welt erblicken lassen, Jesus, den Erlöser seines Volkes. Josef konnte aus den Worten des Engels schon ahnen, dass es sich um ein besonderes Heil handelte, nicht um ein politisches, sondern ein geistliches, denn Jesus „wird sein Volk von seinen Sünden erlösen“ (Mt 1,21). Im Matthäusevangelium sind die Bedeutungen beider Namen miteinander verbunden, um den reichen theologischen Gehalt dieser Synthese zu unterstreichen. Der Erlöser ist zugleich auch der Immanuel, also der „Gott mit uns“ (Mt 1,23). Daher ist Jesus Christus der Gott mit uns, der uns rettet. In der Person Jesu will Gott sich der Gemeinschaft der Menschen mit Ihm versichern, Seiner Gegenwart in unserem Leben. In der Annahme des Heiligen Geistes hat Josef seinen bis dahin unerwarteten Glaubensweg begonnen, auf dem er erkennen wird, dass dieser Immanuel nicht nur der Gott mit uns ist, sondern Er selbst Gott als Sohn des lebendigen Gottes ist. Im Licht des Ostergeheimnisses hat der heilige Paulus dieses Geheimnis beschrieben, das Gott in der Fülle der Zeit offenbart hat: das Geheimnis „von seinem Sohn, der dem Fleisch nach geboren ist als Nachkomme Davids, der dem Geist der Heiligkeit nach eingesetzt ist als Sohn Gottes in Macht seit der Auferstehung von den Toten“ (Röm 1,3-4). Der heilige Josef war berufen, an der Verwirklichung dieses tiefen Geheimnisses mitzuwirken, angefangen beim Recht und dem Privileg der davidischen Herkunft Jesu, insofern er über den heiligen Josef aus dem königlichen Geschlecht des David stammte. Der Weg war nicht frei von Hindernissen. Denken wir nur an die Flucht nach Ägypten, um Maria und Jesus zu retten (vgl. Mt 2,13-15). Mit Hilfe eines lebendigen Glaubens vertraute Josef Gott auch in den dunklen und schwierigen Zeiten seines Lebens und im Leben seiner heiligen Familie.
Liebe Brüder und Schwestern, in dieser Zeit der Vorbereitung auf das Weihnachtsfest danken wir Gott für das großartige Heilswerk, in das er auch uns einschließt. Vertrauen wir uns der Fürsprache der seligen Jungfrau Maria an, der Mutter Jesu und Braut des heiligen Josef, dass wir nicht dem schlechten Beispiel des Königs Ahas folgen. Er blieb dem Götzendienst verhaftet und verschloss sein Herz gegenüber der Liebe zum wahren Gott, dem Gott Abrahams, Isaacs und Jakobs (vgl. Ex 3,6). Wir wollen vielmehr dem guten Beispiel des heiligen Josef folgen, damit auch wir Gerechte werden, Christen, die sich gläubig Gott anvertrauen und sich im Dienst am Nächsten üben, angefangen bei der eigenen Familie, aber auch mit offenem Herzen für die Hilfsbedürftigen, die unserer geistlichen und materiellen Unterstützung bedürfen. Denken wir beispielsweise an die vielen Armen, Migranten, Flüchtlinge und Heimatvertriebenen, wie derzeit viele Ukrainer. Mit der Kraft des Heiligen Geistes und nach dem Beispiel des heiligen Josef wollen wir uns anstrengen, den Willen Gottes zu jeder Zeit zu erfüllen, auch in den dunklen und schwierigen Momenten unseres persönlichen, familiären und sozialen Lebens. Amen.