Predigt von Nuntius Eterovic am 4. Adventssonntag

Berlin, 23. Dezember 2018

Liebe Schwestern und Brüder!

Nur noch wenige Tage sind es bis zum Hohen Weihnachtsfest. Die Liturgie bereitet uns auf dieses große Fest vor und zeigt klar den Ort der Geburt Jesu an (I). Darüber hinaus wird der tiefe Grund beschrieben, warum der Herr Mensch werden wollte (II). Die Entscheidung zur Fleischwerdung bewirkt eine Dynamik der Liebe, welche die beiden Frauen erfasst, die heute besonders hervorgehoben werden: Maria und Elisabeth, sowie alle Christen (III).

1. „Du, Betlehem-Efrata“ (Mi 5,1).

Der Prophet Micha, der im 8. Jahrhundert vor Christus gelebt hat, prophezeite dessen Geburt in Bethlehem in Efrata im Landes Juda, um es von einem anderen Bethlehem in Galiläa zu unterscheiden. Gott hat keine große und bekannte Stadt gewählt, etwa Jerusalem, sondern einen kleinen und einfachen Ort, daß dort der Messias geboren werde. Übrigens war Jerusalem ein Symbol des Unglaubens geworden und hatte die Erwartungen des Herrn enttäuscht. Für JHWH zählen nicht sichtbare Großartigkeit und menschliche Kriterien. Er erwählt, was in den Augen der Menschen zu bescheiden wirkt, um große Werke zu vollbringen. Das, was Bethlehem groß macht, ist die Tatsache, daß von dort der messianische König ausgeht, der zurückgeht auf das Geschlecht des Königs David. Aus Bethlehem stammt ursprünglich die davidische Dynastie, welcher der Allerhöchste einen ewigen Thron verheißen hat (vgl. 2 Sam 7). Daher liegen die menschlichen Ursprünge des Messias in einem weit in die Geschichte zurück reichenden Familienstamm, doch seine göttliche Herkunft ist ewig. Es beindruckt, daß die Prophezeiung des Geburtdortes des Messias etwa 800 Jahre vor seiner Erfüllung gemacht wurde. Das war auch wichtig dafür, die Erinnerung an das Kommen des Messias bis zu seiner Erfüllung wach zu halten, wie es in den Evangelien geschrieben steht (vgl. Mt 2,6), woran wir in einigen Tagen erinnert werden.

2. „Siehe, ich komme, um deinen Willen zu tun“ (Hebr 10,7.9).

Nachdem Bethlehem als Ort der Geburt des Messias genannt wurde, zeigt uns das Wort Gottes die tiefen Empfindungen Jesu, weswegen er Fleisch annehmen und Mensch werden wollte. Geführt vom Heiligen Geist dringt der Verfasser des Hebräerbriefes in das Geheimnis Gottes vor und offenbart uns die Verfügbarkeit des Wortes, der zweiten Person der Allerheiligsten Dreifaltigkeit, aus dem schon lange verborgenen Geheimnis herauszutreten, um Mensch zu werden, uns allen ähnlich, ausgenommen die Sünde (vgl. Hebr 4,15). In dem kurzen Text kommen zweimal jene Worte vor, die den Grund der Entscheidung Jesu Christi zusammenfassen: „Siehe, ich komme, um deinen Willen zu tun“ (Hebr 10,7.9). Jesus Christus wollte den Willen Gottvaters erfüllen. Diesem gefielen nicht länger die Opfer und Gaben; schätze nicht mehr die Brandopfer und Sündopfer (vgl. Hebr 10,6). Die Tieropfer brachten keine wirkliche Begegnung zwischen Gott und Mensch zustande. Daher wollte Jesus, der Gottessohn, die Tiere ersetzen und dem Vater das einzige Opfer geben, das ihm ein für allemal gefällt. Tatsächlich wiederholt sich dieses Opfer auf unblutige Weise in jeder Heiligen Messe und damit an jedem Tag und in jedem Winkel der Erde. Der Grund der Menschwerdung des Gottessohnes ist Liebe, der Entschluss, den Willen des Vaters zum Heil der Menschen zu erfüllen, die durch die Fleischwerdung seine Brüder und Schwestern geworden waren.

3. Die Begegnung zwischen Maria und Elisabet (vgl. Lk 1,39-48).

Die Menschwerdung Jesu, des eingeborenen Sohnes des Vaters in der Gnade des Heiligen Geistes, setzt Maria in Bewegung, die eilig aufbricht, um ihre Cousine Elisabeth in einer Stadt in Judäa zu besuchen. Der Engel Gabriel hat verkündet, daß Elisabeth im sechsten Monat schwanger ist (vgl. Lk 1,36) und Maria wollte ihr bis zur Niederkunft des Kindes beistehen. Das heutige Evangelium konzentriert sich auf die Begrüßung der beiden Frauen. Aus den Worten, die beide austauschen, wird klar, daß der Heilige Geist der wahre Handelnde ist, der die beiden Frauen inspiriert hat, in dieser so bedeutsamen und wichtigen Situation die richtigen Worte zu finden. Die Stimme Marias lässt im Schoß von Elisabeth auch ihren Sohn Johannes vor Freude hüpfen, von dem verheißen worden war: „Vom Mutterleib an wird er vom Heiligen Geist erfüllt sein“ (Lk 1,15). Und der Evangelist Lukas notiert weiter: „Da wurde Elisabet vom Heiligen Geist erfüllt und rief mit lauter Stimme: Gesegnet bist du unter den Frauen und gesegnet ist die Frucht deines Leibes“ (Lk 1,41-42). Elisabeth betont den großen Glauben Marias. „Und selig, die geglaubt hat, dass sich erfüllt, was der Herr ihr sagen ließ“ (Lk 1,45), weswegen sie würdig war, die Mutter Jesu zu werden. Elisabeth konnte nur in der Gnade des Geistes folgende Worte sagen: „Wer bin ich, dass die Mutter meines Herrn zu mir kommt?“ (Lk 1,43).

Auch Maria ist vom Heiligen Geist erfüllt und lobt Gott, der sich ihr zugewandt hat, ihr, der demütigen Magd aus Nazareth: „Meine Seele preist die Größe des Herrn und mein Geist jubelt über Gott, meinen Retter. Denn auf die Niedrigkeit seiner Magd hat er geschaut“ (Lk 1,46-48). In den Worten Marien nimmt Gott den ersten Platz ein, ihr und aller Menschen Erlöser. Maria erkennt die Souveränität und Transzendenz des Allmächtigen und bekennt ihre Bescheidenheit und Demut. Es handelt sich um eine stets gleichbleibende Haltung ihres Seins, die schon vorher im Evangelium beschrieben wird. Nachdem der Engel Gabriel ihr eröffnet hat, daß JHWH Sie erwählt hat, das unerwartete und großartige Werk der Geburt Jesu Christi zu wirken, hat Maria ihre Bereitschaft bekundet, den Willen Gottes zu erfüllen: „Siehe, ich bin die Magd des Herrn; mir geschehe, wie du es gesagt hast“ (Lk 1,38).

Liebe Brüder und Schwestern, das Wort Gottes ermahnt uns, das Mögliche zu tun, um auf das Kommen des Herrn Jesus vorbereitet zu sein. Wenn wir die Eingebung der Heiligen Schrift annehmen, müssen wir uns auf den Weg nach Bethlehem machen, dem Ort der Geburt des Messias. Das Beispiel Mariens, die ihre Cousine Elisabeth besucht, um ihr beizustehen, lehrt uns, daß unser wahres Bethlehem die Begegnung mit den Hilfsbedürftigen ist, die unsere materielle und geistliche Unterstützung brauchen. Es genügt nicht, den irdischen Geburtsort Jesu zu kennen. Das haben auch „die Hohenpriester und Schriftgelehrten des Volkes“ gewusst (vgl. Mt 2,4-6), und dennoch sind sie nicht aus Jerusalem gezogen, um dem neugeborenen Kind zu begegnen. Daher müssen wir aus unserem Egoismus, unserer Alltäglichkeit, unseren Sicherheiten aufbrechen und uns auf den Weg machen, den Messias da zu suchen und zu finden, wo er heute geboren wird, in den zeitgenössischen Orten, die Bethlehem sind: unter den verfolgten Menschen, unter denen viele Christen sind, unter den Exilsuchenden, den Migranten, den Sklaven, den ausgebeuteten Personen, den Hungernden, den Armen. Es ist sodann wichtig, dem Kind Jesu das Herz zu öffnen und an seinen Empfindungen für Gottvater in der Gnade des Heiligen Geistes, wie auch an denen für die Menschen teilzuhaben. Auch wir, die Kinder im Sohn, müssen den Willen des Vaters in unserem persönlichen, familiären, gemeinschaftlichen und sozialen Leben erfüllen. Für uns ist diese Aufgabe insofern leichter, als wir das Beispiel des Herrn Jesus und die Kraft der Gnade des Geistes haben, den der auferstandene Herr in Fülle über jeden seiner Jünger ausgießt (vgl. Joh 3,34). Diese Haltung sollte unser Leben in dem Sinn ändern, daß auch wir Jünger Jesu werden und Missionare seines Evangeliums, das die gute Nachricht auch für den zeitgenössischen Menschen ist. Die in Jesus Christus offenbarte Liebe Gottes betrifft auch uns und muss die ganze Kirche, alle ihre Glieder bewegen, den Nahen und den Fernen mit Worten und mehr noch mit Werken die unergründliche Liebe Gottes zu verkünden, die in der Heiligen Nacht von Weihnachten offenbar werden wird. Amen.

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