Predigt von Nuntius Eterovic am 4. Fastensonntag - Laetare

Apostolische Nuntiatur, 19. März 2023

(1 Sam 16,1.6-7.10-13; Ps 23; Eph 5, 8-14; Joh 9, 1-41)

„Solange ich in der Welt bin, bin ich das Licht der Welt“ (Joh 9,5).

Liebe Brüder und Schwestern!

Jedem von uns ist das Symbol des Lichtes unmittelbar einsichtig. Das Licht scheidet den Tag von der Nacht. Dank des Lichtes gut zu sehen und im Licht zu leben und zu arbeiten, sind Ausdrücke, die uns allen sehr vertraut sind. Auch in der Bibel ist die Wirklichkeit des Lichtes im materiellen und geistlichen Sinne sehr präsent. Denken wir nur an den Beginn der Bibel, wo das Licht das erste Schöpfungswerk Gottes ist (vgl. Gen 1,3-5). Auch der heilige Johannes gebraucht oft das Symbol des Lichtes, wie das heutige Evangelium zeigt. Es beschreibt die Heilung eines Blindgeborenen, was für eines der großen Themen der Katechesen der Fastenzeit steht. Durch Fasten, Gebet und Werke der Liebe bereiten wir uns auf das Hochfest von Ostern vor, wo das Licht Gottes zu einem wunderbaren Glanz wird, das alle Menschen erleuchtet, die sich für Jesus Christus öffnen. Wir wollen uns Ihm, dem Licht der Welt, mit Blick auf den Evangelientext unterwerfen und vor allem drei Haltungen von Menschen im Angesicht des Lichtes aufzeigen: die Haltung des Blindgeborenen (I), der Pharisäer (II) und die des Herrn Jesus (III). Öffnen wir unsere Herzen der Gnade des Heiligen Geistes, um die Bedeutung des Wortes Gottes, das auch an uns gerichtet ist, gut zu verstehen.

1. Der Blindgeborene

Der Blinde zieht die Aufmerksamkeit Jesu auf sich. Seine Blindheit gibt dem Herrn die Gelegenheit, Gott zu verherrlichen. Ohne dass der Blinde ihn darum bittet, sieht ihn Jesus und will ihn heilen. Die Heilung erfolgt in mehreren Schritten; es handelt sich gleichsam um einen Prozess, bei dem Jesus „auf die Erde spuckte; dann machte er mit dem Speichel einen Teig, strich ihn dem Blinden auf die Augen und sagte zu ihm: Geh und wasch dich in dem Teich Schiloach! Das heißt übersetzt: der Gesandte“ (Joh 9,6-7). Sodann kehrt der, welcher blind war, als Geheilter zurück, nachdem er sich im Teich gewaschen hatte. In einem neugierigen und feindseligen Umfeld hat er keine Angst, Zeugnis für die Wahrheit abzulegen. Angesichts der Neugierigen, die wissen wollen, ob es sich um ein dieselbe Person handelt, sagt er: „Ich bin es“ (Joh 9,9). Schwieriger war die Konfrontation mit den Pharisäern, die nach einem Vorwand suchten, Jesus zu verurteilen. Auch ihnen beschreibt er den Prozess seiner Heilung (vgl. Joh 9,15). Während sich die Pharisäern uneins über die Natur und die Macht Jesu waren, antwortet der von Blindheit Geheilte auf ihre ausdrückliche Frage, was er über Jesus zu sagen habe: „Er ist ein Prophet“ (Joh 9,17). Am Ende einer hitzigen Debatte mit den Pharisäern erklärt er mit Nachdruck: „Wenn dieser nicht von Gott wäre, dann hätte er gewiss nichts ausrichten können“ (Joh 9,33). Wäre Jesus nicht gottesfürchtig und bereit, den Willen Gottes zu erfüllen, hätte er kein Wunder vollbringen können, das ihn sehend gemacht hat. Aufgrund dieses Zeugnisses wurde der Mensch aus der Synagoge hinausgeworfen. Später aber begegnet er dem Herrn Jesus, der ihm hilft, nicht nur körperlich, sondern auch geistlich sehen zu können, nämlich die Fähigkeit, in ihm den Menschensohn zu erblicken. Voller Glauben bekennt der Mensch: „Ich glaube, Herr! Und er warf sich vor ihm nieder“ (Joh 9,38).

2. Die Pharisäer

Im Gegensatz zum Blindgeborenen verhalten sich die Pharisäer feindlich gegenüber Jesus. Sie haben Augen und sehen das Tageslicht, doch ihre Herzen bleiben verschlossen für die Gnade Gottes. Sie sind im Geiste blind geworden und wollen das Wunder, das Jesus getan hat, nicht erkennen. Deswegen suchen sie nach Beweisen, um sich selbst und die anderen davon zu überzeugen, dass es kein wahres Wunder gewesen sei. Zu diesem Zweck befragen sie zweimal den von Blindheit Geheilten, wie auch seine Eltern. Sie wollten sich von der Identität des Menschen überzeugen, also wissen, ob es sich um ein und dieselbe Person handelt oder nicht doch um einen Betrug. Einer der Gründe für ihren Unglauben ist die Tatsache, dass Jesus das Wunder der Heilung an einem Sabbat tat. Deswegen sagen sie: „Dieser Mensch ist nicht von Gott, weil er den Sabbat nicht hält“ (Joh 9,16). Ihre vorgefasste Meinung war so stark, dass ihnen unmöglich erschien, den anderen Standpunkt einzunehmen, der darin besteht, die Heilung des Blindgeborenen zuzugeben. Doch in diesem Fall hätten sie ihre Haltung Jesus gegenüber ändern müssen, wozu sie aber nicht bereit waren. Und als der Geheilte vor ihnen bekennt: „Er ist ein Prophet“ (Joh 9,17) und auf seiner Überzeugung beharrt, dass der Herr im Namen Gottes gehandelt hat (vgl. Joh 9,33), schmeißen sie ihn aus der Synagoge. Die Pharisäer waren zur Zeit Jesu eine Gruppe von sehr einflussreichen Juden, die sich durch moralischen Rigorismus und skrupelhaften Formalismus in der Beachtung des Gesetzes und der mosaischen Traditionen auszeichneten. Der Grund für ihren Streit mit Jesus wird auch in den letzten Sätzen des heutigen Evangeliums deutlich. Sie haben die Aussage des Herrn gut verstanden: „Um zu richten, bin ich in diese Welt gekommen: damit die nicht Sehenden sehen und die Sehenden blind werden“ (Joh 9,39). Deshalb fragen sie ihn: „Sind etwa auch wir blind?“ (Joh 9,40). Die Antwort Jesu ist klar: „Wenn ihr blind wärt, hättet ihr keine Sünde. Jetzt aber sagt ihr: Wir sehen. Darum bleibt eure Sünde“ (Joh 9,41).

3. Jesus, das Licht der Welt

Im Abschnitt des Evangeliums sagt Jesus: „Solange ich in der Welt bin, bin ich das Licht der Welt“ (Joh 9,5). Zuvor schon hatte er gesagt: „Ich bin das Licht der Welt. Wer mir nachfolgt, wird nicht in der Finsternis umhergehen, sondern wird das Licht des Lebens haben“ (Joh 8,12). In seiner großen Güte und Barmherzigkeit will Jesus, dass auch wir als seine Jünger in das Reich des Lichtes eintreten und mit Ihm seine Sendung teilen, Licht der Welt zu sein. Es gibt auch die andere Möglichkeit, unter der Herrschaft der Finsternis zu bleiben und das Licht abzulehnen, das Jesus selbst ist. Deswegen gibt es ein Sehen des Leibes und die geistliche Einsicht. Ein Blinder kann im Licht des christlichen Glaubens leben. Ein sehender Mensch hingegen kann, was die Wahrheit des Glaubens angeht, im Dunkeln bleiben. Das ergibt sich klar aus dem Disput Jesu mit den Pharisäern. Ideal wäre, wie der Blindgeborene zu werden: Jesus hat ihm nicht nur das Augenlicht geschenkt, sondern auch die geistliche Einsicht; und auf diese Weise wurde er vollkommen geheilt. Denen, die nicht glauben, bietet der Herr die Gnade an, auch über das Lebenszeugnis von Christen, die geistliche Sehfähigkeit zu erlangen und von Gott die Gabe des Glaubens anzunehmen.

Die Aussage des Herrn: „Solange ich in der Welt bin, bin ich das Licht der Welt“ (Joh 9,5) ermuntert uns, aktive Zeugen Jesu Christi und eifrige Missionare seines Evangeliums zu sein. Als Jesus den Blindgeborenen sah, ergriff er die Initiative und heilte ihn, zuerst physisch, sodann geistlich. In beiden Fällen handelt es sich um einen Prozess, wo der Herr genügend Geduld hatte und Rücksicht nahm auf die Zeit, die der Blindgeborene brauchte. Nach dem Ostergeheimnis ist der auferstandene Herr immer in der Welt gegenwärtig und will alle unsere Dunkelheiten erleuchten, auch mit unserer, seiner Diener Hilfe. Angesichts der Blindheit von Nichtglaubenden können Christen nicht passiv bleiben. Im Gegenteil, sie müssen mit all den ihnen zur Verfügung stehenden Mitteln das Licht in die Welt bringen, angefangen bei der eigenen Familie und den Menschen, denen sie auf ihrem Lebensweg begegnen. Die Gnadenmittel hierzu sind das Wort Gottes, die Katechese, die Religionsunterweisung und besonders die Feier der Sakramente, vor allem die der Eucharistie, welche Quelle und Höhepunkt des Lebens und der Sendung der Kirche ist. Der Herr Jesus hat uns für dieses Werk befreit und will uns von legalistischem Rigorismus befreien, wenn er den Sabbat dem Menschen unterordnet: „Der Sabbat wurde für den Menschen gemacht, nicht der Mensch für den Sabbat“ (Mk 2,27).

Liebe Brüder und Schwestern, vertrauen wir unsere Überlegungen der Fürsprache der seligen Jungfrau und Gottesmutter Maria an, die auch unsere Mutter ist, damit sie der Kirche helfe, im Licht des Herrn Jesus zu leben und dieses Licht Jesu Christi bis an die Grenzen der Erde zu verbreiten. Amen.

 

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