Predigt von Nuntius Eterović am 4. Sonntag im Jahreskreis

(Dtn 18,15-20: Ps 95; 1 Kor 7,32-35; Mk 1,21-28)

Berlin, 28. Januar 2018

„Was ist das? Eine neue Lehre mit Vollmacht“ (Mk 1,27).

 

Liebe Brüder und Schwestern!

Jesus war ein frommer Jude. Wie seine Landsleute, ging auch er gemäß der Vorschrift des Gesetzes am Sabbat in die Synagoge. Die Juden versammeln sich am Tag des Herrn in der Synagoge, um das Wort Gottes und die Auslegung durch die Schriftgelehrten und Gesetzeslehrer zu hören.

In diesen Kontext des erwählten Volkes fügt sich Jesus ein. Er ist aber kein passiver Zuhörer. Im Gegenteil, „er ging in die Synagoge und lehrte“ (Mk 1,21) mit Vollmacht. Bei der heutigen Betrachtung wollen wir bei drei Aspekten verweilen, die uns das heute Evangelium des Markus anbietet: 1. das Staunen des Volkes über die Predigt Jesu; 2. die Befreiung eines Besessenen; 3. die Lehre für die Verkündiger des Evangeliums heute.

1. Das Staunen des Volkes über die neue Lehre.

Der Evangelist Markus hat die staunende Reaktion der Gläubigen in der Synagoge von Kafarnaum, die Jesus hörten, notiert. Er gibt auch den Grund hierfür an. In dem kurzen Text kommt viermal das Wort lehren oder die Lehre und zweimal die Wendung Vollmacht, was anzeigt, daß der Evangelist diese Begriffe hervorheben wollte, denn er hielt sie für sehr bedeutsam. Am Beginn des heutigen Evangelium lesen wir: „Die Menschen waren voll Staunen über seine Lehre; denn er lehrte sie wie einer, der Vollmacht hat, nicht wie die Schriftgelehrten“ (Mk 1,22). Nach dem Wunder der Heilung erfahren wir erneut von der Reaktion der Gläubigen, die voller Furcht fragten: „Was ist das? Eine neue Lehre mit Vollmacht: Sogar die unreinen Geister gehorchen seinem Befehl“ (Mk 1,27). Den Zuhörern in der Synagoge in Kafarnaum ging sogleich der Unterschied der Lehre der Schriftgelehrten und jener durch Jesus auf. Die Schriftgelehrten bezogen sich auf die heiligen Schriften und die durch schriftliche und mündliche Tradition überlieferten Auslegungen. Sie nahmen Bezug auf Mose, die Propheten, die in der Materie geschulten Rabbiner. Jesus von Nazareth dagegen war sehr viel kühner. Er durchdrang den tiefen Sinn der Schrift, der den Schriftgelehrten mehr oder weniger verborgen geblieben war, präsentierte ihn überzeugend und – eben – mit Vollmacht. Das typische Beispiel, wie Jesus dabei vorgeht, ist die Form, die er in der Bergpredigt anwendet: „Ihr habt gehört, dass den Alten gesagt worden ist ….. Ich aber sage euch ….. (vgl. Mt 5,21-43). Darin zeigen sich zwei Eigenschaften der Lehre Jesu. Die Vollmacht kommt aus seiner eigenen göttlichen Natur, die den Dämon dazu bringt Jesus den „Heiligen Gottes“ (Mk 1,24) zu nennen. Das Neue besteht in der Entdeckung der Kraft des Wortes Gottes und in dessen Begleitung durch die Wunder.

2. Die Befreiung eines Besessenen.

Jesus lehrt und setzt seine Lehre in die Tat um. Das zeigt sein Verhalten dem Besessenen gegenüber. Der Teufel hatte erfasst, dass Jesus viel stärker war als er, denn er konnte ihn vertreiben und den Besessenen befreien. Er suchte ihn mit den Worten abzuhalten: „Was haben wir mit dir zu tun, Jesus von Nazaret? Bist du gekommen, um uns ins Verderben zu stürzen? Ich weiß, wer du bist: der Heilige Gottes“ (Mk 1,24). Der Herr Jesus aber ließ sich nicht vom Satan beirren. Er begann erst gar nicht, mit ihm zu diskutieren. Im Gegenteil, er gab ihm den Befehl: „Schweig und verlass ihn!“ (Mk 1,25). Die Worte Jesu wirken. Der Evangelist bemerkt: „Der unreine Geist zerrte den Mann hin und her und verließ ihn mit lautem Geschrei“ (Mk 1,26). Das Ereignis bewirkte natürlich das Staunen der Anwesenden. Sie konnten das, was geschehen war und wovon sie Zeugen wurden, nicht für sich behalten und verbreiteten diese Nachricht, so daß sich der Ruf Jesu in ganz Galiläa verbreitete.

Das Wunder in der Synagoge von Kafarnaum zeigt, daß Jesus der Heilige Gottes ist, also der Messias, der Sohn Gottes, der gesalbt ist, das Heilswerk zu vollbringen. Angesichts der Heiligkeit Jesu kann der Teufel nicht ruhig bleiben, der an seinem bisher ungestörten Verführungswerk gehindert wird. Der Herr Jesus befreit den Besessenen, aber auch den Ort des Gebetes, die Synagoge von der Gegenwart des Bösen.

3. Die Lehre für die Verkündiger des Evangeliums.

In der Person Jesu erfüllt sich die Verheißung Gottes, die er dem Patriarchen Mose gegeben hatte: „Einen Propheten wie mich wird dir der HERR, dein Gott, aus deiner Mitte, unter deinen Brüdern, erstehen lassen. Auf ihn sollt ihr hören“ (Dtn 18,15). Zur Zeit Jesu war die Erwartung eines solch‘ verheißenen Propheten lebendig. Daher glaubten viele, Jesus sei womöglich dieser Prophet: „Als die Menschen das Zeichen sahen, das er getan hatte, sagten sie: Das ist wirklich der Prophet, der in die Welt kommen soll“ (Joh 6,14). Zu Beginn seines öffentlichen Wirkens glaubten auch seine Jünger, er sei der Prophet. So sagte zum Beispiel Philippus zu seinem Freund Nathanael: „Wir haben den gefunden, über den Mose im Gesetz und auch die Propheten geschrieben haben“ (Joh 1,45). Durch seine Lehre und Gesten hat Jesus gezeigt, daß er mehr ist, als ein Prophet. Er war der Sohn Gottes. So hat Gottvater bei der Taufe im Jordan Zeugnis für ihn abgelegt: „Dieser ist mein geliebter Sohn, an dem ich Wohlgefallen gefunden habe; auf ihn sollt ihr hören“ (Mt 17,5).
Diese Worte Gottvaters richten sich auch an uns, die wir Schüler des Herrn Jesus sind. Alles, was wir tun, sollen wir für Ihn tun. In der Gnade des Heiligen Geistes, den der auferstandene Herr in Fülle ausgießt (vgl. Joh 3,34), können auch wir das Werk der Proklamation des Evangeliums, der frohen und freudigen Botschaft an den Menschen von heute fortsetzen. Auf Christus getauft, haben wir den Herrn Jesus gleichsam angezogen (vgl. Gal 3,27) und können daher wie der Meister mit Vollmacht eine neue Lehre verkünden. Jesus Christus ist immer neu! Hierzu sagt der Heilige Irenäus: „Omnem novitatem attulit, semetipsum afferens“ – „(Christus) hat alle Neuheit mit sich gebracht, indem er sich selbst brachte“ (Adversus haereses, IV, Kap. 34, Nr. 1: PG 7, 1083). Der Heilige Vater Franziskus hat diesen Satz in seinem Apostolischen Schreiben Evangelii gaudium aufgegriffen und führt dazu aus: „Er kann mit seiner Neuheit immer unser Leben und unsere Gemeinschaft erneuern, und selbst dann, wenn die christliche Botschaft dunkle Zeiten und kirchliche Schwachheiten durchläuft, altert sie nie. Jesus Christus kann auch die langweiligen Schablonen durchbrechen, in denen wir uns anmaßen, ihn gefangen zu halten, und überrascht uns mit seiner beständigen göttlichen Kreativität. Jedes Mal, wenn wir versuchen, zur Quelle zurückzukehren und die ursprüngliche Frische des Evangeliums wiederzugewinnen, tauchen neue Wege, kreative Methoden, andere Ausdrucksformen, aussagekräftigere Zeichen und Worte reich an neuer Bedeutung für die Welt von heute auf. In der Tat, jedes echte missionarische Handeln ist immer ‚neu‘“ (EG 11).

Liebe Brüder und Schwestern, vertrauen wir unser Gebet der Fürsprache der seligen Jungfrau Maria an, der Mutter Jesu und Mutter der Kirche, auf daß der dreieine Gott uns die Gnade gewähre, stets Jesus Christus und Sein Evangelium in der Kraft des Heiligen Geistes, der Gabe des auferstandenen Herrn, zu verkünden. So seien auch unsere Verkündigung und unsere Predigten eine neue Lehre, die mit Vollmacht verkündet wird. Erbitten wir außerdem die Gnade, immer mehr Christus anzuziehen, damit wir mit seiner Kraft den Satan bekämpfen und das Böse immer und überall besiegen können. Amen.

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