Predigt von Nuntius Eterovic am 5. Sonntag im Jahreskreis

Berlin, 10. Februar 2019

(Jes 6,1-2.3-8; Ps 138; 1 Kor 15,1-11; Lk 5,1-11)

„Fürchte dich nicht! Von jetzt an wirst du Menschen fangen“ (Lk 5,10).

Liebe Brüder und Schwestern!

Das Wort Gottes an diesem 5. Sonntag im Jahreskreis bietet uns die Gelegenheit, über die Berufung der wichtigen Persönlichkeiten der Heilsgeschichte nachzudenken, so den Propheten Jesaja und die heiligen Apostel Petrus und Paulus. Aus den betreffenden Berichten können wir einige gemeinsame Haltungen ableiten. Angesichts der göttlichen Berufung zeigen die erwählten Personen gleichzeitig ihr Staunen und das Erschrecken (I), und es braucht ein spezielles Eingreifen des Herrn, damit sie ihre Sendung annehmen (II). Diese bringt reiche Frucht, wenn sie im Gehorsam dem empfangenen Auftrag gegenüber getan wird (III).

1. Das Staunen vor Gott.

In den drei biblischen Lesungen, welche die Kirche unserer Meditation vorlegt, begegnet uns das Staunen der Personen, welche die Heiligkeit Gottes erkennen und sich daher ihrer eigenen Sündhaftigkeit, ihrer Unzulänglichkeit bewußt werden. Dem Propheten Jesaja wird erlaubt, in das Haus von JHWH einzutreten und erlebt die Anbetung der Serafim, die rufen: „Heilig, heilig, heilig ist der HERR der Heerscharen. Erfüllt ist die ganze Erde von seiner Herrlichkeit“ (Jes 6,3). Diese dreifache Wiederholung ist die Höchstform, die unermessliche Heiligkeit Gottes zu preisen. Angesichts des dreimal heiligen Gottes fühlt der Prophet seine Unvollkommenheit, seine Grenzen, seine Sünden. Daher sagt er: „Weh mir, denn ich bin verloren. Denn ein Mann unreiner Lippen bin ich“ (Jes 6,5).

Auch der heilige Apostel Petrus fühlt sich klein und unwürdig angesichts der Größe Gottes. Nachdem der Herr seine Macht beim reichen Fischfang gezeigt hatte, fiel der Apostel „Jesus zu Füßen und sagte: Geh weg von mir; denn ich bin ein sündiger Mensch, Herr!“ (Lk 5,8).

Der Heilige Paulus erinnert seine Bekehrung und die Begegnung mit dem auferstandenen Herrn auf der Straße nach Damaskus. Im ersten Korintherbrief, der ältesten Schrift im Neuen Testament, ruft er diese außergewöhnliche Erfahrung ins Gedächtnis und fügt hinzu, diese Gnade nicht verdient gehabt zu haben. Hierzu schreibt der Apostel der Völker: „Zuletzt erschien er (Jesus) auch mir, gleichsam der Missgeburt. Denn ich bin der Geringste von den Aposteln; ich bin nicht wert, Apostel genannt zu werden, weil ich die Kirche Gottes verfolgt habe“ (1 Kor 15,8-9).

2. Das Eingreifen Gottes zugunsten der erwählten Person.

In allen drei Fällen greift Gottes ein, um die Angst der erwählten Personen zu zerstreuen und sie zu ermutigen, die Mission anzunehmen. Im Auftrag Gottes, reinigt einer der Serafim mit einer vom Altar genommenen glühenden Kohle die Lippen des Jesaja zum Symbol für das Hinwegnehmen der Schuld und für die Vergebung der Sünden. In der Folge hört der Prophet die Stimme des Allerhöchsten: „Wen soll ich senden? Wer wird für uns gehen?“ und er antwortet: „Hier bin ich, sende mich“ (Jes 6,8). Und Gott sendet Jesaja mit einer sehr schwierigen Aufgabe zu seinem erwählten Volk (vgl. Jes 6,9-13).
Petrus ist angesichts der Begrenzung als sündiger Mensch entmutigt, woraufhin Jesus die Initiative ergreift und den Apostel mit vertrauensvollen Worten ermutigt: „Fürchte dich nicht! Von jetzt an wirst du Menschen fangen“ (Lk 5,10). Nach der Erzählung des Heiligen Lukas hatten auch die Begleiter des Heiligen Petrus, Jakobus und Johannes, die Söhne des Zebedäus, die gleichen Gefühle. Nachdem sie über die Macht gestaunt hatten, die der Herr im reichen Fischfang gezeigt hat, wurden sie angesichts ihrer Begrenztheit mutlos. Daher hatten auch sie die Ermutigung Jesu nötig, um die Sendung anzunehmen, zu der sie der Meister berufen wollte.

Der Heilige Paulus ist sich bewußt, daß seine Bekehrung vom Christenverfolger zum eifrigen Apostel Jesu Christi allein der Gnade des auferstandenen Herrn geschuldet war. Das kann man dem Abschnitt aus dem ersten Korintherbrief, den wir gehört haben, entnehmen, besonders in der Aussage: „durch Gottes Gnade bin ich, was ich bin, und sein gnädiges Handeln an mir ist nicht ohne Wirkung geblieben“ (1 Kor 15,10). Die Einzelheiten über seine Bekehrung finden sich in der Apostelgeschichte (vgl. Apg 9,1-30) und auch in den Briefen des Apostels (vgl. Gal 1,11-17; Phil 3,3-17; 1 Tim 1,12-17).

3. Die Fruchtbarkeit der Mission

Aus den biblischen Texten wird klar und deutlich, daß die Wirksamkeit der Verkündigung vom Gehorsam zum Willen Gottes, von der Treue zum erhaltenen Auftrag abhängt. Der Prophet Jesaja soll den Führern seines Volkes eine strenge Verwarnung übermitteln. Da er Gott und seinem Befehl treu bleibt, braucht er sich nicht zu fürchten. Ähnliches hat JHWH dem Propheten Jeremia versichert: „Mögen sie dich bekämpfen, sie werden dich nicht bezwingen; denn ich bin mit dir, um dich zu retten“ (Jer 1,19).

Der Heilige Petrus hat mit dem reichen Fischfang die Wirksamkeit des Wortes Jesu erkannt. Entgegen der Erfahrung der Fischer, daß es bei Tag keinen guten Fischfang gibt, gehorcht der Apostel der Weisung Jesu: „Fahr hinaus, wo es tief ist, und werft eure Netze zum Fang aus“ (Lk 5,4). Das Ergebnis ist phänomenal, denn der Fang ist so reich, daß Petrus und seine Begleiter die Hilfe anderer Fischer und ein weiteres Boot erbitten, um alle Fische bergen zu können (vgl. Lk 5,6-7).
Auch der Heilige Paulus ist überzeugt, daß seine Bemühungen bei der Verkündigung des Evangeliums, die Bewunderung verdient, ohne die Gnade Gottes nicht ausgereicht hätten. Daher schreibt er: „Mehr als sie alle habe ich mich abgemüht - nicht ich, sondern die Gnade Gottes zusammen mit mir“ (1 Kor 15,10).

Liebe Brüder und Schwestern, vertrauen wir die Erfüllung unserer Überlegungen der Fürsprache der allerseligsten Jungfrau und Gottesmutter Maria an. Sie kennt das Staunen, das Erschrecken und jene Wirkmacht im Vertrauen auf den Herrn. Sie möge uns helfen, daß auch wir das Staunen vor der Heiligkeit Gottes wiedererlangen. In jeder Eucharistiefeier vereinen wir uns mit Gesang der Serafim und rufen: „Heilig, heilig, heilig ist der HERR der Heerscharen. Erfüllt ist die ganze Erde von seiner Herrlichkeit“ (Jes 6,3). Suchen wir, das Staunen mittels des Gesangs von der Heiligkeit des dreieinen Gottes wieder neu zu entdecken. Wir spüren in der Folge unvermeidbar unsere Unzulänglichkeit, unsere Grenzen und unsere Sünden. Diese Haltung möge uns helfen, erneut die Ermutigung des Herrn zu empfinden: „Fürchte dich nicht!“ und die erneuerte Sendung und die Zusicherung ihrer Wirksamkeit: „Von jetzt an wirst du Menschen fangen“ (Lk 5,11). Amen.

 

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