Predigt von Nuntius Eterovic am 6. Ostersonntag

Wallfahrt nach Maria Sternbach im Bistum Mainz, 14. Mai 2023

(Apg 8,5-8; Ps 66; 1 Petr 3,15-18; Joh 14,15-21)

„Ich werde den Vater bitten und er wird euch einen anderen Beistand geben, der für immer bei euch bleiben soll" (Joh 14,16).

Liebe Brüder und Schwestern!

Mit pädagogischer Weisheit bereitet uns die Kirche auf das Hochfest von Pfingsten vor. Nach der Freude über die Auferstehung unseres Herrn Jesus Christus ist die Himmelfahrt Christi, die wir am Donnerstag feiern werden, eine wichtige Etappe auf diesem geistlichen Weg. Der verherrlichte Herr, der zum Himmel heimkehrt, lässt uns jedoch nicht allein, wie er es versprochen hat. Denn Er sendet uns den Heiligen Geist, einen anderen Tröster, der bei uns bleibt und uns alle Tage unseres persönlichen und kirchlichen Lebens begleitet, wenn wir es zulassen.

Herzlich danke ich Gott, diese Heilige Messe mit Euch im Heiligtum von Maria Sternbach feiern zu können (I). Ich bin Eurem Hochwürdigen Herrn Pfarrer Kai R. Wornath für die freundliche Einladung dankbar, der ich gerne gefolgt bin. Ich möchte mit Euch zwei Themen bedenken: Wie bedeutsam das Kommen des Heiligen Geistes ist (II), um auf positive Weise auf die Berufung zu antworten, den Willen Gottes zu erfüllen (III). Wir alle haben schon den Heiligen Geist empfangen, vor allem in den Sakramenten von Taufe und Firmung. Beleben wir dieses göttliche Geschenk in uns und öffnen wir unsere Herzen und unseren Geist der mächtigen Kraft des Heiligen Geist, der imstande ist, unser Leben, aber auch das der Brüder und Schwestern, der Glieder der einen, heiligen, katholischen und apostolischen Kirche zu verwandeln.

1. „Heiligt in eurem Herzen Christus, den Herrn! Seid stets bereit, jedem Rede und Antwort zu stehen, der von euch Rechenschaft fordert über die Hoffnung, die euch erfüllt“ (1 Petr 3,15).

In einem feindlich gesinnten Umfeld hatte die Kirche der ersten Zeit keine Angst, das Evangelium Jesu Christi nicht allein durch Worte, sondern vor allem durch die Hingabe des Lebens zu verkünden, was oft das Martyrium aus Treue zum Herrn Jesus bedeutet hat. Der Apostelfürst Petrus ermuntert die Christen aller Zeit, dem Beispiel Jesu Christi zu folgen, der Sünde und Tod besiegt hat: „Denn auch Christus ist der Sünden wegen ein einziges Mal gestorben, ein Gerechter für Ungerechte, damit er euch zu Gott hinführe, nachdem er dem Fleisch nach zwar getötet, aber dem Geist nach lebendig gemacht wurde“ (1 Petr 3,18). Der 265. Nachfolger des heiligen Petrus, der Heilige Vater Franziskus wiederholt durch mich, seinen Vertreter in der Bundesrepublik Deutschland, ebenso diese Aufforderung an Euch, die Ihr zur Verehrung der seligen Jungfrau Maria gekommen seid, zur Mutter Jesu und unserer Mutter. Stark im Glauben an den gestorbenen und auferstandenen Herrn Jesus, der in seiner Kirche gegenwärtig ist und uns in Fülle den Heiligen Geist schenkt (vgl. Joh 3,34), bleibt der christlichen Berufung treu, die Ihr empfangen habt. Mehr noch, lasst Euch vom Heiligen Geist verwandeln, damit Euer christliches Leben für die Menschen anziehend werde, die nach dem Sinn des Lebens, nach der Freude und der Hoffnung suchen, die wir Christen im Herrn Jesus finden. Er ist der einzige, der von sich wahrhaftig sagen konnte: „Ich bin der Weg, die Wahrheit und das Leben“ (Joh 14,6). Und so freue ich mich, Euch die herzlichen Grüße von Papst Franziskus zu überbringen, des Bischofs von Rom und Hirten der Universalkirche. In seinem Namen danke ich Euch für das immerwährende Gebet, womit Ihr seine wichtige Sendung für die Einheit der ganzen Kirche in Liebe begleitet. Als Zeichen der tiefen Einheit mit dem Papst, der als Nachfolger Petri „das immerwährende, sichtbare Prinzip und Fundament für die Einheit der Vielheit von Bischöfen und Gläubigen“ ist (Lumen gentium 23), erteile ich Euch und Euren Lieben, vor allem den Kranken, am Ende der Heiligen Messe gerne den Apostolischen Segen.

2. „Der Vater „wird euch einen anderen Tröster geben“ (Joh 14,16).

Tröster, das ist eine der Bezeichnungen für den Heiligen Geist, denn das griechische Wort Parakletos (παράκλητος) bedeutet auch: Anwalt, Beschützer, Mittler, Fürsprecher. Der Herr Jesus verheißt den Aposteln „einen anderen Beistand“ (Joh 14,16), der für immer bei ihnen bleiben wird. Auf diese Weise tröstet Jesus die Seinen, die nach seiner Ankündigung, zum Vater heimzukehren, traurig waren. Im Ostergeheimnis war seine Sendung vollendet. Aber er verspricht seinen Jüngern: „Ich werde euch nicht als Waisen zurücklassen, ich komme zu euch“ (Joh 14,18). In dieser Haltung erblicken wir die große Güte und Liebe Jesu Christi zu den Zwölf und zu jenen, die ihm folgen. Er wusste, dass sie ihn als wahren Tröster betrachteten. Er war es, der sie zu seinen Jüngern berufen hat und durch die Jahre seines öffentlichen Wirkens geführt hat. Er hat sie in Wort und Tat unterwiesen und ließ sie teilhaben an seinem Geheimnis der Lehre und Wundertaten. Er hat sie in den Momenten der Verzweiflung, der Zweifel und Schwierigkeiten getröstet. Er ermunterte sie immer wieder, an Gott und an Ihn zu glauben. In der Vorausschau seiner Himmelfahrt hat Jesus versprochen, einen anderen Tröster zu senden: „Ich werde den Vater bitten und er wird euch einen anderen Beistand geben, der für immer bei euch bleiben soll“ (Joh 14,16). Über seine bleibende Gegenwart bei den Jüngern hinaus, hat dieser zweite Tröster folgende Eigenschaften, denn er ist der „Geist der Wahrheit, den die Welt nicht empfangen kann, weil sie ihn nicht sieht und nicht kennt“ (Joh 14,17). Der Evangelist zeichnet hier die Welt im negativen Sinne und bezieht sich auf die Menschen, die in ihrem Egoismus und in ihren Sünden verschlossen sind, die auf negative Weise die menschlichen Beziehungen beeinflussen und ganz allgemein die Umwelt, in der sie leben. Im Unterschied zur in sich selbst verschlossenen Welt haben jene, die den Geist annehmen, die Möglichkeit, sich auf den Weg zu machen und die ganze Wahrheit zu entdecken (vgl. Joh 16,13), was zur vollkommenen Freude führt (vgl. Joh 15,11). Dabei ist immer die innige Einheit von Jesus und dem Heiligen Geist zu beachten, wie es übrigens der Herr gezeigt hat: „Wenn aber der Beistand kommt, den ich euch vom Vater aus senden werde, der Geist der Wahrheit, der vom Vater ausgeht, dann wird er Zeugnis für mich ablegen“ (Joh 15,26). Im Unterschied zu Jesus, der sichtbar war, bleibt der Heilige Geist unsichtbar. Er ist ein Tröster, der im Inneren der Gläubigen wirkt. Die Heilige Schrift beschreibt seine Gegenwart mit verschiedenen Symbolen. Der Geist ist wie der Wind, den man spürt, aber nicht weiß, woher er kommt und wohin er geht (vgl. Joh 8,3); der Geist erscheint in Form von „Zungen wie von Feuer“ (Apg 2,3), welche die Herzen der Gläubigen entflammen; der Geist ist wie das lebendige Wasser (vgl. Joh 7,39), das Leben schenkt. Die angemessenste Weise, den Heiligen Geist zu beschreiben, ist die Liebe. „Gott ist Liebe“ (1 Joh 4,8). Wir sehen die Liebe nicht, aber wir erfassen sie und sind uns ihrer Bedeutung bewußt. Ohne Liebe kann der Mensch nicht leben. Daher erfasst der Glaubende, der vom Heiligen Geist beseelt ist, die uns vom Herrn Jesus offenbarte Wahrheit. Im Unterschied zur Welt kennt der Glaubende den Heiligen Geist, der die Liebe zwischen Vater und Sohn ist.

3. „Wenn ihr mich liebt, werdet ihr meine Gebote halten“ (Joh 14,15).

Der christliche Glaube ist nicht allein affektiv und erschöpft sich nicht in Gefühlen von Liebe zu Gott und dem Nächsten. Unser Glaube muss auch effektiv sein: Der Christ soll das in die Tat umsetzen, was er verkündet: das Wort Gottes. Es verwirklicht sich auf konkrete Weise in den zehn Geboten. Das ganze Gesetz und die Propheten können sodann auf das neue Gebot reduziert werden. Nach Jesu Lehre besteht es in der Liebe zu Gott und dem Nächsten: „Du sollst den Herrn, deinen Gott, lieben mit ganzem Herzen, mit ganzer Seele und mit deinem ganzen Denken. Das ist das wichtigste und erste Gebot. Ebenso wichtig ist das zweite: Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst“ (Mt 22,36-39). Es ist eine trinitarische Liebe, denn insofern wir die Gebote halten, erfüllen wir den Willen Gottes. Der Herr selbst sagt: „Wer meine Gebote hat und sie hält, der ist es, der mich liebt; wer mich aber liebt, wird von meinem Vater geliebt werden und auch ich werde ihn lieben und mich ihm offenbaren“ (Joh 14,21). Diese Wahrheit wird durch das Geschenk des Heiligen Geistes verständlich, den wir mit den Sakramenten von Taufe und Firmung empfangen haben. Der Geist prägt sich uns als unauslöschliches Siegel ein und bleibt für immer als willkommener Gast in unseren Herzen. Er lässt uns nie allein. Allein wir vermögen ihn mit unseren Sünden unwirksam zu machen. Es genügt jedoch zu bereuen und umzukehren, um in der Tiefe des Herzens den Heiligen Geist wiederzufinden, der bereit ist, in uns das trinitarische Leben wiederherzustellen. Denn im Geist verstehen wir, dass auch wir an der innigen Einheit zwischen Vater und Sohn teilhaben durch das enge Band mit dem Herrn Jesus: „An jenem Tag werdet ihr erkennen: Ich bin in meinem Vater, ihr seid in mir und ich bin in euch“ (Joh 14,20). Diese Wirklichkeit ist der Lebensquell, „weil ich lebe und auch ihr leben werdet“ (Joh 14,19).

Liebe Schwestern und Brüder, in dieser Zeit der Vorbereitung auf das Hochfest von Pfingsten richten wir unseren Blick auf die Gottesmutter Maria, die Königin des Himmels. In diesem Heiligtum von Maria Sternbach rufen wir ihre Fürsprache an, damit wir uns gut auf das Kommen des Heiligen Geistes vorbereiten. Maria war voll der Gnade (vgl. Lk 1,28) und von jeder Sünde bewahrt, um die Mutter Gottes zu werden. Sie hat ihren Sohn durch das Wirken des Heiligen Geistes empfangen (vgl. Lk 1,35). Auch wir sind dazu ermuntert, ihrem Beispiel zu folgen. Wir alle sind Sünder, doch zur Heiligkeit berufen. Ein sehr wirksames Mittel auf diesem Weg der Umkehr ist das Sakrament der Versöhnung, das Gott uns zur Verfügung stellt, vor allem an den marianischen Wallfahrtsorten. Neben der leiblichen Mutterschaft Mariens, welche ihr Privileg bleibt, gibt es auch eine geistliche Mutterschaft, an der wir alle teilhaben können und sollen. Sie besteht darin, dass Jesus in unseren Herzen durch die Gnade des Heiligen Geistes geboren werden will – im Gebet, durch das Wort Gottes, in der Feier der Sakramente, vor allem der Eucharistie. Auf diese Weise werden wir dem lebendigen Jesus Christus als Glieder der kirchlichen Gemeinschaft persönlich begegnen und zu dazu gestärkt, Seine glaubwürdigen Zeugen und eifrige Missionare Seines Evangeliums zu sein, wie es der Heilige Vater Franziskus oft fordert. Mit dieser Haltung werden auch wir den Heiligen Geist empfangen, wie es der Herr sagt: „Ich werde den Vater bitten und er wird euch einen anderen Beistand geben, der für immer bei euch bleiben soll“ (Joh 14,16). Amen.

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