Predigt von Nuntius Eterovic am Fest der Darstellung des Herrn

Berlin, 2. Februar 2020

(Mal 3,1-4; Ps 24; Hebr 2,11-18; Lk 2,22-40)

„Siehe, dieser ist dazu bestimmt, dass in Israel viele zu Fall kommen und aufgerichtet werden, und er wird ein Zeichen sein, dem widersprochen wird, - und deine Seele wird ein Schwert durchdringen. So sollen die Gedanken vieler Herzen offenbar werden“ (Lk 2,34-35).

Liebe Schwestern und Brüder!

Das Fest der Darstellung des Herrn im Tempel von Jerusalem ist reich an theologischer und geistlicher Bedeutung. In der Katholischen Kirche wird heute der Tag des geweihten Lebens begangen, das heißt der Menschen, die ihr ganzes Leben dem Lob Gottes und zum Dienst am Nächsten weihen und dabei in der Nachfolge Jesu gehorsam, arm und keusch sind. Das heutige Fest ist ebenso für jeden Christen bedeutsam, denn es erinnert uns an die Verpflichtung, dem Herrn Jesus nach der jeweiligen Natur der kirchlichen Berufung zu folgen. Das Wort Gottes beleuchtet in besonderer Weise drei Aspekte der Darstellung des Herrn: die Gabe (I); das Licht (II); die Begegnung (III). Lassen wir uns vom Heiligen Geist führen, um die Botschaft zu entdecken, die Gott an jeden von uns richtet, vor allem an die Gott geweihten Personen mit ihren religiösen Gelübden.

1. Die Gabe

Vierzig Tage nach der Geburt Jesu „brachten (sie) Maria und Josef das Kind nach Jerusalem hinauf, um es dem Herrn darzustellen, wie im Gesetz des Herrn geschrieben ist“ (Lk 2,22-23). Im Abschnitt des Evangeliums wird die Vorschrift des Gesetzes zitiert: „Jede männliche Erstgeburt soll dem Herrn heilig genannt werden“ (Ex 13,2; Lk 2,22). Jesus wird zum Tempel von Jerusalem gebracht, um dort dem Vater gegeben zu werden. Das war für jeden männlichen Erstgeborenen vorgesehen, doch hatte es bei Jesus eine außerordentliche Bedeutung. Er ist zu unserem Heil zum Dienst des Vaters gesandt. Das zeigt auch der Hebräerbrief, wenn es dort heißt, Jesus „musste in allem seinen Brüdern gleich sein, um ein barmherziger und treuer Hohepriester vor Gott zu sein und die Sünden des Volkes zu sühnen“ (Hebr 2,17). Diese Identifikation gründet sich darin, daß Jesus die Sünde der Welt und die damit verbundenen Leiden auf sich nimmt. Im Tempel von Jerusalem beginnt für Jesus also, für die Erfüllung des göttlichen Willens bereit zu sein, das heißt für unser Heil. Hierzu schreibt der inspirierte Verfasser des Hebräerbriefes, daß Jesus Anteil an unserer menschlichen Natur hatte, „um durch den Tod den zu entmachten, der die Gewalt über den Tod hat, nämlich den Teufel“ (Hebr 2,14).

Liebe Brüder und Schwestern, auch wir wurden durch das Sakrament der Taufe Gott gegeben. Wir wurden Kinder Gottes und sind daher darauf ausgerichtet, den Willen Gottvaters zu tun, wie er uns durch Jesus Christus im Heiligen Geist aufgezeigt wird. Erneuern wir daher unsere Hingabe und vereinigen wir uns mit jener vollkommenen Hingabe Jesu Christi, unseres Bruders und Herrn. Insbesondere die Menschen des geweihten Lebens sind dazu aufgerufen, ihre Weihe an Gott im Dienst am Nächsten zu erneuern.

2. Das Licht

Vom Heiligen Geist erleuchtet hat der greise Simeon Gott gedankt, daß ihm vergönnt war, den Messias vor seinem Tod zu sehen. Von seinen prophetischen Worten unterstreichen wir jene, die sich auf Jesus als Licht der Welt beziehen: „Ein Licht, das die Heiden erleuchtet, und Herrlichkeit für dein Volk Israel“ (Lk 2,32). Jesus selbst hat das Symbol des Lichts auf sich angewandt, um seine Sendung aufzuzeigen. Es genügt an seine Worte zu erinnern: „Ich bin das Licht der Welt. Wer mir nachfolgt, wird nicht in der Finsternis umhergehen, sondern wird das Licht des Lebens haben“ (Joh 8,12). Der greise Simeon verbindet das Licht des Messias mit dessen Passion. Zu Maria sagt er mit Blick auf ihren Sohn Jesus: „Dieser ist dazu bestimmt, dass in Israel viele zu Fall kommen und aufgerichtet werden, und er wird ein Zeichen sein, dem widersprochen wird. … So sollen die Gedanken vieler Herzen offenbar werden“ (2,34-35). Am Leiden Jesu wird auch seine Mutter Maria Anteil nehmen. Simeon prophezeit ihr: „Deine Seele wird ein Schwert durchdringen“ (Lk 2,35). Das Kreuz, jenes Zeichen der Erniedrigung Jesus, wird jedoch auch zum Ort seiner Erhöhung: „Und ich, wenn ich über die Erde erhöht bin, werde alle zu mir ziehen“ (Joh 12,32).

Das wahre Licht aber, das niemals untergeht, kommt von der Auferstehung Jesu Christi. Es ist dazu bestimmt, auch das Angesicht der Kirche und somit ihrer Glieder, also uns Christen zu erleuchten. Es ist der Wille des Herrn Jesus, der nicht nur sagt, Er sei das Licht der Welt, sondern betont: „Ihr seid das Licht der Welt. Eine Stadt, die auf einem Berg liegt, kann nicht verborgen bleiben. Man zündet auch nicht eine Leuchte an und stellt sie unter den Scheffel, sondern auf den Leuchter; dann leuchtet sie allen im Haus. So soll euer Licht vor den Menschen leuchten, damit sie eure guten Taten sehen und euren Vater im Himmel preisen“ (Mt 5,14-16). Wir sollen wir diese erhabene Berufung verwirklichen, wenn wir auf unsere Grenzen und Sünden schauen? Jesus Christus erinnert uns daran, daß Gott uns zur Heiligkeit berufen hat: „Seid heilig, denn ich, der HERR, euer Gott, bin heilig“ (Lev 19,2; vgl. Mt 5,48). Mit der Gnade des Heiligen Geistes können wir die Sünde besiegen und dem Herrn immer mehr gleichgestaltet werden, um sein ursprüngliches Licht auf dem Angesicht der Kirche, unserer Gemeinschaft und unserem eigenen widerzuspiegeln. Die Personen des geweihten Lebens haben dazu eine besondere Berufung: die Menschen unserer säkularisierten Welt hin zum Licht des Lebens zu lenken, zu Jesus Christus.

3. Die Begegnung

Das Fest der Darstellung des Herrn wird in der Ostkirche das Fest der Hypapante (Ὑπαπάντη), der Begegnung genannt. Denn als Maria und Josef Jesus zum Tempel bringen, begegnen sie zwei alten Menschen: Simeon und Hanna. Beide warten auf das Kommen des Messias. Beide waren im Heiligen Geist fromm. Und es war tatsächlich der Geist, der sie dazu führte, dem Jesuskind zu begegnen. Voller Freude und Dankbarkeit nahm Simeon das Kind in seine Arme und pries Gott: „Nun lässt du, Herr, deinen Knecht, wie du gesagt hast, in Frieden scheiden. Denn meine Augen haben das Heil gesehen, das du vor allen Völkern bereitet hast“ (Lk 2,29-31). Auch die Prophetin Hanna begegnete Jesus und verkündete voller Freude diese gute Nachricht allen, mit denen sie zusammentraf. Denn es heißt: „Zu derselben Stunde trat sie hinzu, pries Gott und sprach über das Kind zu allen, die auf die Erlösung Jerusalems warteten“ (Lk 2,38).

Liebe Brüder und Schwestern, das Fest der Darstellung des Herrn ermuntert uns dazu, die Herzen zu öffnen, um Jesus zu begegnen. Als Christen sind wir ihm schon begegnet und kennen ihn. Aber ein christliches Leben besteht darin, den Herrn immer öfter zu begegnen und ihn immer besser zu kennen. Das tun wir durch sein Wort, in der Begegnung mit dem Nächsten, vor allem mit den Kleinen, mit denen sich Jesus identifiziert (vgl. Mt 25,31-46). Eine ganz besondere Weise, dem verherrlichten Herrn zu begegnen, bieten die Sakramente. In der Eucharistie wird er unsere Speise und unser Trank. Aus dieser Heilsbegegnung sollten wir den Lebensnerv saugen, um unser Leben zur Gabe an Gott zu verwandeln und Jesus zu ermöglichen, durch uns und seine Kirche fortdauernd in der Welt zu strahlen, und auch, um Menschen der Begegnung auf dem Weg des Heils zu werden.

Der Fürsprache der Gottesmutter Maria, die ihren Sohn Jesus zum Tempel in Jerusalem getragen hat, und die gemeinsam mit dem Heiligen Josef „über die Worte, die über Jesus gesagt wurden“ staunte, vertrauen wir unsere guten Vorsätze an, damit sie zu unserem Heil und zum Wohl von Kirche und Welt Wirklichkeit werden. Amen.

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