Predigt von Nuntius Eterovic am Fest der Heiligen Familie

Berlin, 30. Dezember 2018

(1 Sam 1,20-22.24-28; Ps 84; 1 Joh 3,1-2.21-24; Lk 2,41-52)

„Jesus aber wuchs heran und seine Weisheit nahm zu und er fand Gefallen bei Gott und den Menschen“ (Lk 2,52).

Liebe Brüder und Schwestern!

Wir feiern heute das Fest der Heiligen Familie von Jesus, Maria und Josef. Dies ist eine willkommene Gelegenheit, im Licht der Heiligen Schrift das ursprüngliche Familienprojekt Gottes zu bedenken (I). Indem wir in besonderer Weise die im heutigen Evangelium beschriebene heilige Familie betrachten (II), können wir einige Beobachtungen festhalten, die auch für die Familien in heutiger Zeit aktuell bleiben (III).

1. Das Familienprojekt Gottes.

In unserer Welt, in der man unterschiedlichen Religionen und verschiedenen Kulturen begegnen kann, ist wichtig, an die Gedanken Gottes zur Familie zu erinnern, die Keimzelle von Gesellschaft und Kirche ist. Hierfür ist nötig, zurück an den Anfang der Offenbarung zu gehen, zum Buch Genesis. Schon im ersten Kapitel wird nach dem Bericht über die Schöpfung der Welt auch die Erschaffung des Menschen beschrieben. JHWH sagt: „Lasst uns Menschen machen als unser Bild, uns ähnlich! Sie sollen walten über die Fische des Meeres, über die Vögel des Himmels, über das Vieh, über die ganze Erde und über alle Kriechtiere, die auf der Erde kriechen“ (Gen 1,26). Das, was Gott sprach, das geschah. Die Bibel führt weiter aus: „Gott erschuf den Menschen als sein Bild, als Bild Gottes erschuf er ihn. Männlich und weiblich erschuf er sie. Gott segnete sie und Gott sprach zu ihnen: Seid fruchtbar und mehrt euch, füllt die Erde und unterwerft sie und waltet über die Fische des Meeres, über die Vögel des Himmels und über alle Tiere, die auf der Erde kriechen“ (Gen 1,27-28). Die Erschaffung des Menschen, der Krönung der Schöpfung, ist eingefügt in das Gute der von Gott gewollten Schöpfung: „Gott sah alles an, was er gemacht hatte: Und siehe, es war sehr gut. Es wurde Abend und es wurde Morgen: der sechste Tag“ (Gen 1,31).
Jesus Christus hat den ursprünglichen Plan Gott zur Institution der Familie bestätigt. Es genügt, an seine Worte zur Unauflöslichkeit der Ehe zu erinnern: „Habt ihr nicht gelesen, dass der Schöpfer sie am Anfang männlich und weiblich erschaffen hat und dass er gesagt hat: Darum wird der Mann Vater und Mutter verlassen und sich an seine Frau binden und die zwei werden ein Fleisch sein? Sie sind also nicht mehr zwei, sondern ein Fleisch. Was aber Gott verbunden hat, das darf der Mensch nicht trennen“ (Mt 19,4-6).

2. Die Heilige Familie, Jesus, Maria und Josef.

Indem wir uns den Plan Gottes zur menschlichen Familie vor Augen halten, bedenken wir die heilige Familie von Nazareth, eine in allem ganz eigene Familie, die aber in vielerlei Hinsicht das Ideal jeder christlichen Familie sein kann und muss. Der Glaube an Gott ist der Mittelpunkt in der Familie von Nazareth. Dieser Glaube ist die Säule ihres Lebens in all seinen Formen. Das überrascht nicht, insofern Jesus eine bevorzugte Beziehung zu Gott seinem Vater hat. Die Jungfrau Maria hatte eine außergewöhnliche Erfahrung in der Berufung zur Mutterschaft, die mit der Empfängnis Jesu durch den Heiligen Geist beginnt. Dem Heilige Josef ist ebenfalls eine Offenbarung Gottes zuteil geworden, er solle Maria als seine Frau zu sich nehmen. Später folgte er der Weisung des Engels, mit Jesus und Maria nach Ägypten zu fliehen, um das Kind vor dem Hass des Herodes zu retten. Es wundert daher nicht, daß die Heilige Familie ganz selbstverständlich die religiösen Vorschriften des jüdischen Volkes erfüllte, was das tägliche Gebet einschloss und auch die jährlichen Wallfahrten nach Jerusalem für jene, die eine Tagesreise weit von Jerusalem lebten. Als Jesus zwölf Jahre alt war, nahmen ihn seine Eltern auf die Pilgerreise nach dorthin mit. Er jedoch blieb im Tempel von Jerusalem zurück, ohne daß es die Eltern bemerkten. Maria und Josef waren in tiefer Sorge. Nach einer dreitägigen Suche voller Kummer und Angst fanden sie ihn im Jerusalemer Tempel wieder; „er saß mitten unter den Lehrern, hörte ihnen zu und stellte Fragen“ (Lk 2,46). Es handelte sich um die erste eigene Initiative des jungen Jesus, was seine Mutter Maria und seinen Pflegevater Josef überrascht hat. Auch die Antwort Jesu war für sie nicht wirklich nachvollziehbar. Auf den Vorwurf der Mutter: „Kind, warum hast du uns das angetan? Siehe, dein Vater und ich haben dich mit Schmerzen gesucht“ antwortet Jesus ruhig: „Warum habt ihr mich gesucht? Wusstet ihr nicht, dass ich in dem sein muss, was meinem Vater gehört?“ (Lk 2,48-49). Diese Episode und auch die Worte Jesu, die seine Eltern nicht verstanden, zeigen, daß auch in der Heiligen Familie nicht alles problemlos verlief, daß es auch in dieser idealen Familie Sorgen und Schwierigkeiten gab, die gelöst werden mussten. Der Glaube, den alle drei teilten, hat ihnen bei dieser anspruchsvollen Aufgabe geholfen. Sie vertrauten der göttlichen Vorsehung und wollten stets den Willen Gottes erfüllen, auch wenn sie das Handelns JHWH nicht sofort völlig und in seiner Tiefe verstanden haben. In diesem Sinne können wir die Worte des Evangelisten verstehen, wenn er überliefert: „Seine Mutter bewahrte all die Worte in ihrem Herzen“ (Lk 2,51).

Der Vorfall von Jerusalem bleibt im Leben Jesu singulär. Gemäß dem heutigen Evangelium war er seinen Eltern folgsam, und sie lebten ein normales alltägliches Familienleben: „Dann kehrte er mit ihnen nach Nazareth zurück und war ihnen gehorsam“ (Lk 2,51). In dieser Weihnachtszeit ist angebracht zu unterstreichen, daß Jesus als Mensch den Prozess in der menschlichen und geistlichen Entwicklung einer jeder Person durchlaufen hat. „Jesus aber wuchs heran und seine Weisheit nahm zu und er fand Gefallen bei Gott und den Menschen“ (Lk 2,52). Er wollte uns Menschen in allem gleich sein, außer der Sünde (vgl. Hebr 4,15).

3. Die Werte der Familie.

Im Licht des Wortes Gottes können wir folgende Punkte festhalten:

- Das Evangelium der Familie.

Die Kirche wird nicht müde, den ursprünglichen Plan Gottes von der Familie zu fördern. Die Tatsache, daß die Katholische Kirche in jüngster Zeit drei Synodenversammlungen zur Familie in den Jahren 1980, 2014, 2015 durchgeführt hat, zeigt die große Beachtung, die diese fundamentale Institution für die Gesellschaft und für die Kirche hat. Das Leitwort des 9. Weltfamilientreffens in Dublin vom 22. bis 28. August diesen Jahres: „Das Evangelium der Familie - Freude für die Welt“ sollte das Wirken der Kirche und all ihrer Glieder inspirieren.

- Das ursprüngliche Familienprojekt Gottes.

Die Heilige Familie von Jesus, Maria und Josef ruft das ursprüngliche Projekt Gottes über die menschliche Familie in Erinnerung, die sich aus einem Mann und einer Frau zusammensetzt, die ein Ambiente der Liebe und des Respekts schaffen, wo Kinder geboren und erzogen werden. Die menschliche Liebe wurde sodann zur Würde des Ehesakramentes erhoben. Die Kirche erwartet von allen staatlichen Ebenen, die auf diesem Gebiet Verantwortung tragen, Unterstützung und auch materielle Hilfe für die Familien, vor allem für jene in Schwierigkeiten.

- Die Beziehungen der Familienmitglieder.

Christen wissen, daß sie als Kinder Gottes eine besondere Würde haben, woran der Heilige Johannes in seinem ersten Brief erinnert: „Geliebte, jetzt sind wir Kinder Gottes“ (1 Joh 3,2). Darüber hinaus sollen sie Gott und den Nächsten lieben, was bei den eigenen Angehörigen der Familie anfängt: „Wir sollen an den Namen seines Sohnes Jesus Christus glauben und einander lieben gemäß dem Gebot, das er uns gegeben hat“ (1 Joh 3,23). Der Glaube an Gott und die Liebe befähigen dazu, auch die Schwierigkeiten zu bewältigen, die es notgedrungen in jeder Familie gibt.

- Kinder sind ein Geschenk Gottes.

Die Erfahrung von Hanna, die unfruchtbar war, jedoch durch die Gnade JHWH einen Sohn geboren hat, der Samuel hieß (vgl. 1 Sam 1,20-28), was bedeutet: von Gott erbeten- Gott hat erhört, lehrt uns, daß jedes Kind ein Geschenk Gottes ist. Das erfordert besonderen Respekt vor jedem Kind. Kinder sind menschliche Personen und keine Spielzeuge, mit denen spielen kann und unterschiedliche Experimente machen darf. Sie haben ein familiäres Umfeld der Liebe nötig, wo sie sich entwickeln und wachsen können. Sie haben ihre Persönlichkeit, die sich zuweilen auf unerwartete Weise zeigt, wie es auch beim zwölfjährigen Jesus geschehen ist, als er im Tempel von Jerusalem zurückblieb. Die Eltern haben das zu respektieren und orientieren daran den ausgleichenden Prozess von Erziehung und Reifung.

Liebe Brüder und Schwestern, vertrauen wir die Erfüllung dieser Vorsätze der Fürsprache der Heiligen Familie von Nazareth an. Maria und Josef mögen erflehen, daß Jesus die Fülle der Gnade auf unsere Familien ausgieße, damit sie auch heute in unserer Welt den Plan Gottes zur Familie erfüllen können, die gerufen ist, Hauskirche zu werden, ein Umfeld, wo Kinder an Weisheit zunehmen und Gefallen finden bei Gott und den Menschen (vgl. Lk 2,52). Amen.

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