Predigt von Nuntius Eterovic am Gründonnerstag
Apostolische Nuntiatur, 9. April 2020
(Ex 12,1-8.11-14; Ps 116; 1 Kor 11,23-26; Joh 13,1-15)
Gründonnerstag
Messe vom letzten Abendmahl
„Da er die Seinen liebte, die in der Welt waren, liebte er sie bis zur Vollendung“ (Joh 13,1).
Liebe Schwestern und Brüder!
Diese Worte des Evangelisten Johannes beschreiben gut das Geheimnis, das wir an diesem Gründonnerstag 2020 unter ganz besonderen Bedingungen feiern. Im größten Teil der christlichen Gemeinschaft wird diese Heilige Messe "vom letzten Abendmahl“ ohne die Gläubigen gefeiert. Die Gefahr der weiteren Verbreitung des Corona-Virus machte diese Restriktionen nötig. Doch dank moderner Technik können viele der Gläubigen den Feiern über die modernen Kommunikationsmittel folgen. So sind wir gehalten, über den Wert der geistlichen Kommunion im Allgemeinen, wodurch der auferstandene Herr alle Christen in einen einzigen Leib vereint, und über die eucharistische in besonderer Weise zu reflektieren, wenn viele den Leib und das Blut Jesu Christi nicht kommunizieren, doch alle an der geistlichen Kommunion teilhaben können. Dies geschieht, indem sie ihre Herzen der Gnade des Herrn Jesu öffnen, um Ihm zu ermöglichen, in ihr Leben einzutreten und ihre Liebe zu Gott und zum Nächsten zu stärken, insbesondere zu jenen, die in diesen Zeiten der Pandemie Hilfe und Unterstützung brauchen.
Liebe Brüder und Schwestern, der Heilige Johannes fügt das Ereignis, an das wir heute erinnern, in einen bedeutsamen Zusammenhang: „Es war vor dem Paschafest. Jesus wusste, dass seine Stunde gekommen war, um aus dieser Welt zum Vater hinüberzugehen. Da er die Seinen liebte, die in der Welt waren, liebte er sie bis zur Vollendung“ (Joh 13,1). Jesus hat die Feier des Paschafestes sorgfältig vorbereiten wollen, denn es ist das höchste Fest des jüdischen Volkes. Das Lamm, das den Juden zu diesem Fest zu essen vorgeschrieben ist, nachdem sie ihre Türpfosten mit dessen Blut bestrichen haben, ist das Symbol des Vorübergangs von JHWH und der Befreiung des erwählten Volkes aus der Knechtschaft in Ägypten. Das Abendmahl Jesu ist in diesen Kontext eingefügt, doch der Herr ändert ihn radikal, indem er das Sakrament der Eucharistie einsetzt (I) und das Liebesgebot hinterlässt (II), dem integralen Bestandteil des Sakramentes der Liebe (III).
1. „Das ist mein Leib ….. das ist mein Blut“ (1 Kor 11,24.25).
Im ersten Korintherbrief, der etwa 20 Jahre nach dem Tod des Herrn Jesus geschrieben wurde, ist durch den Heiligen Paulus der erste Bericht über die Einsetzung der Eucharistie überliefert. Dieser wird mit ähnlichen Worten auch von den drei synoptischen Evangelien des Markus, Matthäus und Lukas übernommen. Der Heilige Johannes fügt im sechsten Kapitel die sogenannte Brotrede ein. Die Worte sind uns sehr vertraut, denn wir hören sie während einer jeden Heiligen Messe. Heute am Gründonnerstag bekommen sie für uns einen noch tieferen Sinn. Wir müssen nämlich erkennen, daß der Grund zur Einsetzung der Eucharistie die Liebe der Herrn Jesus zu uns ist. Er hat uns bis zur Vollendung geliebt (vgl. Joh 13,1). Mit dieser Liebe hat er seine Niederlage antizipiert: sein Leiden und seinen Tod, aber auch seinen Sieg: die Auferstehung. Dies geschieht durch das Sakrament von Brot und Wein, die in der Kraft des Heiligen Geistes sein Leib und sein Blut werden. Das gebrochene Brot symbolisiert den leidenden und geschundenen Leib Jesu bis zum Tod. Der Kelch mit Wein wird das Zeichen des Neuen Bundes. Es handelt sich um eine grundlegende Transformation, zu der allein Jesus Christus, der Mensch und Gott, imstande war. Seine große Liebe hat den Tod, der das Ende aller Beziehung ist, in Auferstehung verwandelt, welche die neue Beziehung zwischen Mensch und Gott zu einer neuen Wirklichkeit erhebt und das ewige Leben vorwegnimmt. Vertrauen wir dieser großen Liebe des Herrn Jesus, liebe Brüder und Schwestern, die auch uns Sünder in gerechte, in neue Menschen zu verwandeln vermag, die im Wasser und im Heiligen Geist wiedergeboren sind. Bergen wir uns in dieser Liebe auch in diesen schmerz- und angstvollen Zeiten wegen der Konsequenzen, die das Corona-Virus bewirken kann. Allein Jesus kann unsere Angst in Hoffnung verwandeln, unsere Leiden in Freude und unseren Kummer in das Lachen des Ostersieges.
2. „Auch ihr müsst einander die Füße waschen“ (Joh 13,14).
Die Liebe Jesu im Geschenk der Eucharistie verwirklicht sich in der Liebe zum Nächsten. Ein sprechendes Zeichen ist das Waschen der Füße. Er, der Meister, gibt den Zwölf ein Beispiel, wie sie sich verhalten müssen: „Wenn nun ich, der Herr und Meister, euch die Füße gewaschen habe, dann müsst auch ihr einander die Füße waschen“ (Joh 13,14). Dies Verhalten unterscheidet sich nicht von dem, das Jesus verkündet, wenn er beispielsweise sagt: „Denn auch der Menschensohn ist nicht gekommen, um sich dienen zu lassen, sondern um zu dienen und sein Leben hinzugeben als Lösegeld für viele“ (Mk 10,45). Bei der Diskussion darüber, wer unter ihnen der Größte sei, hat Jesus die Apostel ermahnt: „Der Größte unter euch soll werden wie der Jüngste und der Führende soll werden wie der Dienende“ (Lk 22,26). Er gibt ihnen sodann ein Beispiel für sein Verhalten: „Denn wer ist größer: Der bei Tisch sitzt oder der bedient? Ist es nicht der, der bei Tisch sitzt? Ich aber bin unter euch wie der, der bedient“ (Lk 22,27). Nunmehr, da er aus dieser Welt und ins ewige Leben geht, vor seinem Pascha, bestärkt der Herr Jesus diese Lehre: „Ich habe euch ein Beispiel gegeben, damit auch ihr so handelt, wie ich an euch gehandelt habe“ (Joh 13,15). Die Jünger Jesu müssen einander die Füße waschen, was bedeutet, sie sollen einander im brüderlichen Dienst übertreffen.
3. Sakrament der Liebe – Sacramentum caritatis.
Liebe Brüder und Schwestern, an diesem Abend sind wir auf besondere Weise mit dem Herrn Jesus verbunden, der sich für uns opfert, seinen Leib als Brot des Lebens und sein Blut, das Siegel des neuen und ewigen Bundes. Lassen wir uns vom Sakrament der Eucharistie, dem Sakrament der Liebe verwandeln. Indem er einen wunderbaren Ausdruck des Heiligen Thomas von Aquin aufgriff, hat Papst Benedikt XVI. das Nachsynodale Apostolische Schreiben über die Eucharistie vom 22. Februar 2007 mit den Worten überschrieben: Sacramentum caritatis. Wir lesen den Anfang dieses wichtigen Dokumentes, das in theologischen und spirituellen Begriffen das Geheimnis zusammenfasst, das wir feiern: „Sakrament der Liebe: Die Heilige Eucharistie ist das Geschenk der Selbsthingabe Jesu Christi, mit dem er uns die unendliche Liebe Gottes zu jedem Menschen offenbart. In diesem wunderbaren Sakrament zeigt sich die „größte“ Liebe, die dazu drängt, „das eigene Leben für die Freunde hinzugeben“ (vgl. Joh 15,13). Ja, Jesus liebte die Seinen „bis zur Vollendung“ (Joh 13,1). Mit dieser Formulierung führt der Evangelist auf die Geste unendlicher Demut hin, die Jesus vollbracht hat: Bevor er am Kreuz für uns starb, wusch er, umgürtet mit einem Leintuch, seinen Jüngern die Füße. In gleicher Weise liebt Jesus uns im eucharistischen Sakrament immer noch „bis zur Vollendung“, bis zur Hingabe seines Leibes und seines Blutes. Welch ein Staunen muß die Herzen der Apostel ergriffen haben angesichts der Gesten und Worte des Herrn während jenes Abendmahles! Welch eine Verwunderung muß das eucharistische Geheimnis auch in unserem Herzen auslösen!“ (SC 1).
Unsere Überlegungen vertrauen wir der Fürsprache der seligen Jungfrau Maria an, der Mutter der Kirche, auf daß wir in jeder Eucharistiefeier die große Liebe Jesu für uns erfahren, der uns bis zur Vollendung liebte (vgl. Joh 13,1). Auf diese Weise werden wir verwandelt werden und in der Liebe zu Gott und zum Nächsten wachsen. Amen.