Predigt von Nuntius Eterovic am Hochfest der Erscheinung des Herrn

Apostolische Nuntiatur, 6. Januar 2021

(Jes 60,1-6; Ps 72; Eph 3,2-3.5-6; Mt 2,1-12)

„Da fielen sie nieder und huldigten ihm“ (Mt 2,11).

Liebe Brüder und Schwestern,

mit großer Freude feiern wir das Hochfest der Erscheinung des Herrn. Das Licht Gottes, das sich in ganz besonderer Weise in der Person Jesu Christi offenbart, dem Eingeborenen Sohn des Vaters, ist nicht allein auf Israel beschränkt, sondern über das erwählte Volk gilt es der ganzen Welt. Denn das Wort Gottes, das wir gehört haben, bringt den universalen Heilswillen zum Ausdruck: Gott will mit seinem Licht alle Menschen erleuchten, die auf dieser Welt leben (I). Der tröstliche göttliche Wille fordert unsere menschliche Freiheit heraus (II). Lassen wir uns vom Stern der Weisen leiten, um die Person Jesu Christi, „das Licht der Welt“ (Joh 8,12), zu entdecken.

1. Der universale Heilswille

Das heutige Hochfest der Epiphanie unterstreicht, dass Jesus Christus in unsere Welt gekommen ist, um allen den Heilsweg anzubieten. Denn Gott will das Heil aller Menschen (vgl. 1 Tim 2,4). Jesus, der in der Fülle der Zeit in Bethlehem geboren worden war, ist das Licht, das in diese Welt gekommen ist (vgl. Joh 1,9) und alle Menschen guten Willens zu sich im Stall nach Bethlehem zieht. Sie werden von den Weisen repräsentiert, die „aus dem Osten nach Jerusalem“ (Mt 2,1) kamen, um den König der Juden zu sehen, dessen Stern sie haben aufgehen sehen. Mit der Geburt des Herrn Jesus ist die Ankündigung des Propheten Jesaja erfüllt, nach der das Licht des Herrn, das über Jerusalem leuchtet, alle Völker anzieht. „Nationen wandern zu deinem Licht und Könige zu deinem strahlenden Glanz“ (Jes 60,3). Es handelt sich um das große Geheimnis der Gnade Gottes, die nach dem Heiligen Paulus den „heiligen Aposteln und Propheten durch den Geist offenbart worden war: dass nämlich die Heiden Miterben sind, zu demselben Leib gehören und mit teilhaben an der Verheißung in Christus Jesus durch das Evangelium“ (Eph 3,5-6). Der auferstandene Herr hat vor seiner Himmelfahrt seine Jünger angewiesen, diese gute Nachricht zu verbreiten: „Darum geht und macht alle Völker zu meinen Jüngern; tauft sie auf den Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes und lehrt sie, alles zu befolgen, was ich euch geboten habe“ (Mt 28,19-20).

Der Herr Jesus hat Seiner Kirche die Sendung anvertraut, die gute Nachricht der ganzen Welt zu verkünden. Daher ist die Kirche nach göttlichem Willen von Natur aus missionarisch. Der Befehl, den der Herr seiner Kirche erteilt hat, bleibt sehr aktuell, wenn man bedenkt, dass die Christen weltweit lediglich einen Anteil von 33 Prozent an der Weltbevölkerung ausmachen, wovon 17,7 Prozent katholisch sind. Jesus ist das Licht der Welt, und dieses Licht will jeden Menschen erleuchten (vgl. Joh 1,9).

2. Unsere Beziehung zu Jesus ist allen Völkern offenbart

„Das Licht leuchtet in der Finsternis und die Finsternis hat es nicht erfasst“ (Joh 1,5). In der Welt gibt es Licht und Dunkel, die beide unser Leben beeinflussen. In der Aussage des Heiligen Johannes erkennen wir wiederum das Drama der menschlichen Freiheit. Der Mensch kann das Licht, das in der in Bethlehem geborenen Person Jesu erscheint (vgl. Mt 2,1), annehmen, es aber auch ablehnen und vor ihm fliehen. Das heutige Evangelium lässt drei Verhaltensweisen zum Herrn Jesus unterscheiden. Zwei davon sind negativ: jene des Herodes und der Hohepriester und Schriftgelehrten. Das Beispiel der Weisen dagegen ist positiv.

König Herodes zeigt sich als Mann, der nur am Machterhalt interessiert ist. Hierfür nimmt er Lügen in Kauf, wendet Gewalt an und tötet sogar zu diesem Zweck. Für beide Aussagen haben wir Belege im Evangelium. Die Worte des Herodes an die Weisen: „Geht und forscht sorgfältig nach dem Kind; und wenn ihr es gefunden habt, berichtet mir, damit auch ich hingehe und ihm huldige“ (Mt 2,8) waren falsch. Als er merkte, dass ihn die Weisen getäuscht hatten, „wurde er sehr zornig und er sandte aus und ließ in Betlehem und der ganzen Umgebung alle Knaben bis zum Alter von zwei Jahren töten, genau der Zeit entsprechend, die er von den Sterndeutern erfahren hatte“ (Mt 2,16).

Aus anderen historischen Quellen wissen wir, dass Herodes fähig war, Familienmitglieder umzubringen, wenn er dachte, sie würden seiner Macht gefährlich werden können. Leider werden auch in unserer Welt viele Menschen getötet, vor allem Christen durch die Herodesse dieser Zeit. Die Christen sind unter den Angehörigen der Weltreligionen die am meist Verfolgten. Nach Open Doors vom Jahr 2020 leiden in vielen Ländern rund 260 Millionen Christen unter Verfolgung. Herodes und alle, die ihm folgen, wollen das Jesuskind in seinen kleinen und großen Jüngern, in den Männern und Frauen töten.
Symbolisch können wir die negative Figur des Herodes auch auf unser Leben übertragen. Auch wir können ihm ähnlich werden, wenn wir beispielsweise aus Egoismus oder Hochmut jeden Lichtstrahl auslöschen, der in uns eindringen möchte, um in uns Jesus Christus entdecken zu lassen, damit er unser Leben erleuchte, uns leite und zur Umkehr führe. Man kann Menschen auch moralisch töten, so durch falsche Anschuldigungen, die man auch mittels der Massenmedien verbreiten kann, oder haltlose Lästerungen. Mit der Hilfe Gottes suchen wir, diesen Versuchungen zu widerstehen, die uns zu Sklaven der Finsternis dieser Welt machen können.

Die Gleichgültigkeit der Hohepriester und Schriftgelehrten. Die Haltung der führenden Schicht Israels auf die Nachricht der Geburt des Messias ist erstaunlich. Sie kannten die Schriften gut und wussten, was der Prophet Micha verkündet hatte: „Du, Betlehem im Gebiet von Juda, bist keineswegs die unbedeutendste unter den führenden Städten von Juda; denn aus dir wird ein Fürst hervorgehen, der Hirt meines Volkes Israel“ (Mt 2,6). Trotz dieses theoretischen Wissens blieben sie regungslos in Jerusalem und machten keinerlei Anstalten, sich nach Bethlehem aufzumachen, das übrigens nicht weit von der Hauptstadt Israels entfernt liegt. Es genügt eben nicht, gewisse Vorstellungen von Religion oder der Person Jesus Christi zu haben. Es braucht das Geschenk des Glaubens, das Werk des Heiligen Geistes, um sich auf den Weg nach Bethlehem und zur heiligenden Begegnung mit dem Herrn Jesus zu machen.

Das Erstaunen über die passive Haltung der religiösen Vertreter des auserwählten Volkes wiederholt sich in gewisser Weise in der Gleichgültigkeit nicht weniger unserer Zeitgenossen, die genug über das Leben Jesu Christi wissen und möglicherweise als junge Menschen eine christliche Bildung erhielten, doch dann haben sie sich von der Kirche und von Jesus Christus abgewandt. In Deutschland bezeichnen sich beispielsweise 38 bis 39 Prozent der Bewohner als religionslos. Jedes Jahr verlässt eine beträchtliche Zahl von Menschen die Kirche. Wir wollen heute darum beten, dass sie das große Geschenk des Glaubens wiederentdecken, um Jesus Christus begegnen zu können, dem Kind, das sie mit ausgebreiteten Händen erwartet, um sie zu umarmen und zu segnen.

Die Weisen bleiben das positive Beispiel, dem wir alle folgen sollten. Sie stehen für die gelehrten Heiden, und als Astronomen repräsentieren sie die Wissenschaftler ihrer Zeit, welche die Wahrheit suchten. Über die Deutung der Konstellation der Sterne am Himmel haben sie sich dem König der Juden genähert, Jesus Christus. Vielleicht kannten sie die Bibel und die Prophetie: „Ein Stern geht in Jakob auf, ein Zepter erhebt sich in Israel“ (Num 24,17). In jedem Fall haben sie einen langen und mühevollen Weg auf sich genommen. Sie baten die politischen und religiösen Führer in Jerusalem um Hilfe, um zum Ort der Geburt Jesu zu gelangen. Alles drängt hin zum Höhepunkt der Begegnung mit dem Jesuskind: „Sie gingen in das Haus und sahen das Kind und Maria, seine Mutter; da fielen sie nieder und huldigten ihm“ (Mt 2,11). Sodann brachten die Weisen Jesus die Gaben dar, die vor allem Königen zuteilwurden: „Gold, Weihrauch und Myrrhe“ (Mt 2,11).

Liebe Brüder und Schwestern, an diesem Hochfest der Offenbarung Gottes an alle Völker wollen wir unseren Glauben erneuern und bekennen, dass er die kostbare Gabe des Heiligen Geistes ist, die wir über unsere Eltern und die kirchliche Gemeinschaft empfangen haben. Zugleich besiegen wir gegenüber Jesus Christus und seiner Kirche die Versuchungen der religiösen Gleichgültigkeit und der Abneigung. Wir wollen vielmehr dem Beispiel der Weisen folgen, die wussten, in ausgeglichener Weise die Beziehung zwischen Wissenschaft und Glaube zu leben. Sie sind aufgebrochen, um dem Messias in Gestalt des Jesuskindes zu begegnen. Folgen wir ihrem Beispiel auch in der Verehrung und Anbetung (vgl. Mt 2,11), wie auch im Überbringen der Gaben, weil wir wissen, dass das beste und schönste Geschenk für Jesus unser Leben ist. Amen.

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