Predigt von Nuntius Eterovic am Hochfest des Heiligsten Herzen Jesu

Herz-Jesu-Kloster zu Berlin, 28. Juni 2019

(Ez 34,11-16; Ps 23; Röm 5,5-11; Lk 15,3-7)

„Ich sage euch: Ebenso wird im Himmel mehr Freude herrschen über einen einzigen Sünder, der umkehrt, als über neunundneunzig Gerechte, die keine Umkehr nötig haben“ (Lk 15,7). 

Liebe Brüder und Schwestern!

Das Wort des Herrn Jesus führt uns zum Herzen des heutigen Hochfestes. Am Freitag der dritten Woche nach Pfingsten feiert die Kirche das Hochfest des Heiligsten Herzens Jesu. Es handelt sich um ein Fest, das in der jüngeren Kirchengeschichte eingeführt wurde, sein Fundament jedoch in der Offenbarung hat, vor allem in der Heiligen Schrift. Wie viele andere Feste, so entstammt auch dieses einer mystischen Erfahrung, der außergewöhnlichen Vision einer Heiligen, nämlich der Heiligen Margareta Maria Alacoque (1647-1690). Ihrem Zeugnis nach hat ihr der verherrlichte Herr in einer Erscheinung gesagt: „Sieh hier das Herz, das die Menschen so sehr liebt, dass es nichts gespart hat, um sich zu opfern, und zu erschöpfen in Liebesbeweisen“ (19. Juni 1675). Papst Clemens XIII. hat das Herz-Jesu-Fest 1765 eingeführt. Einer seiner Nachfolger, der Selige Papst Pius IX. (1846-1878), hat es sodann auf die ganze Kirche ausgedehnt.

Das Herz-Jesu-Fest erschließt sich von einem besonderen Blickpunkt auf das Geheimnis der Inkarnation und das Leben Jesu Christi her. Daher finden sich seine Motive in der Bibel, wie wir es in den drei Lesungen gehört haben, die für die heutige Feier vorgesehen sind. Auch wir wollen kurz bei deren Bedeutung verweilen und über das Bild Jesu Christi als dem guten Hirten (I), wie auch bei der großen Liebe zu den Sündern (II) verweilen, um abschließend einige Überlegungen zu unserem christlichen und kirchlichen Leben anzustellen (III).

Zuvor jedoch möchte ich P. Tarcísio Darrós Feldhaus SCJ, dem Oberen des Herz-Jesu-Kloster Berlin in der deutschen Provinz des Ordens der Dehonianer, für die Einladung danken, dieser Heiligen Messe vorzustehen. Ich grüße Euch alle herzlich, nicht nur in meinem eigenen Namen, sondern vor allem im Namen des Heiligen Vaters Franziskus, den ich die Ehre habe, in der Bundesrepublik Deutschland zu vertreten. Lieber Pater Feldhaus, Ihnen und Ihren Mitbrüdern wünsche ich von Herzen ein frohes Patronatsfest, das mit dem Segen des auferstandenen Herrn erfüllt sein möge, der mitten unter uns ist. Er möge diesen Segen auf alle Mitglieder Eurer Gemeinschaft und alle Menschen guten Willens ausdehnen, denen Ihr auf dem Weg der Evangelisierung und der menschlichen Förderung begegnet. Am Ende dieser Eucharistiefeier erteile ich Euch und allen hier Anwesenden gerne im Namen von Papst Franziskus den Apostolischen Segen.

1. Jesus Christus der gute Hirt.

Die heutige Liturgie führt uns mit dem Bildes von Jesus als dem guten Hirten dazu, die große Liebe zu entdecken, die Gott zu den Menschen hat. Diese Liebe war schon vorgebildet im Alten Testament. Hierzu reicht, das Ende der ersten Lesung vorzulesen, das die Zärtlichkeit Gottes gegenüber den Juden, den Gliedern seines erwählten Volkes zum Ausdruck bringt. Angesichts der Zerstreuung der Israeliten verspricht Gott, der Herr: „Ich, ich selber werde meine Schafe weiden und ich, ich selber werde sie ruhen lassen – Spruch Gottes, des Herrn. Das Verlorene werde ich suchen, das Vertriebene werde ich zurückbringen, das Verletzte werde ich verbinden, das Kranke werde ich kräftigen. Doch das Fette und Starke werde ich vertilgen. Ich werde es weiden durch Rechtsentscheid“ (Ez 34,15-16). Auch der Antwortpsalm erinnert uns an die Nähe Gottes, des guten Hirten zu seinem Volk und zu jedem Gläubigen. Sie sollen Gott vertrauen, auch wenn sie durch ein dunkles Tal ziehen müssen (vgl. Ps 23,4).

Diese Bilder des Alten Testamentes verdichten sich im Licht des Christusereignisses. Im Stück des Lukasevangeliums wird verkündet, daß sich Jesus Christus selbst mit dem guten Hirte vergleicht, der die neunundneunzig Schafe zurücklässt, um sich auf die Suche nach dem einen verlorenen Schaf zu machen. „Und wenn er es gefunden hat, nimmt er es voll Freude auf die Schultern, und wenn er nach Hause kommt, ruft er die Freunde und Nachbarn zusammen und sagt zu ihnen: Freut euch mit mir, denn ich habe mein Schaf wiedergefunden, das verloren war“ (Lk 15,5-6). Das Verhalten Jesu übersteigt die menschliche Logik. Tatsächlich würden viele Hirten die neunundneunzig Schafe nicht verlassen, um ein einzelnes Schaf, das verloren gegangen ist, zu suchen, vor allem nicht in der Nacht und unter kaum zu kontrollierenden Bedingungen. Die Logik Jesu übersteigt jene menschliche. Er will zeigen, wie wichtig ihm jede Person ist, die gerufen wurde, Teil seiner Herde zu sein. Die Freude darüber, es wiedergefunden zu haben, ist eine Freude, die er mit seinen Freunden teilen muss, was die Größe des Herzens Jesu zeigt. Jesus Christus, Mensch und Gott, hat ein fühlendes Herz, das offen ist, denn er ist der Freund der Menschen und seiner Brüder. Aber in seiner Liebe offenbart uns Jesus, daß auch Gottvater ähnliche Empfindungen hat, daß auch Er sich freut, wenn das verlorene Schaf wiedergefunden wird: „Ich sage euch: Ebenso wird im Himmel mehr Freude herrschen über einen einzigen Sünder, der umkehrt, als über neunundneunzig Gerechte, die keine Umkehr nötig haben“ (Lk 15,7). Gottvater hat kein menschliches Herz wie Sein Eingeborener Sohn Jesus Christus. Doch auch der Vater leidet an den Sünden und unter der Entfernung seiner Kinder, und er freut sich über die Rückkehr zur Kirche, dem Haus Gottes auf dieser Erde.

2. „Christus ist für die Gottlosen gestorben“ (Röm 5,6).

Auch der Heilige Paulus beschreibt in seinem Brief an die Römer das Übermaß der Liebe Gottes, die uns im Opfer seines Sohnes Jesus Christus gezeigt worden ist, und was wir durch den Heiligen Geist erkannt haben, der in unseren Herzen ausgegossen ist. „Denn Christus ist, als wir noch schwach waren, für die zu dieser Zeit noch Gottlosen gestorben“ (Röm 5,6). Die Größe der Liebe erweist sich in der Unverhältnismäßigkeit zwischen dem dreimal heiligen Gott und uns sündigen Menschen. „Gott aber erweist seine Liebe zu uns darin, dass Christus für uns gestorben ist, als wir noch Sünder waren“ (Röm 5,8). Der Völkerapostel spielt auf den Tod Jesu am Kreuz an. Mit großer Dankbarkeit erinnern auch wir den eindrücklichen Moment seines Leidens und Todes, gemäß der Beschreibung des Evangelisten Johannes: „Also kamen die Soldaten und zerschlugen dem ersten die Beine, dann dem andern, der mit ihm gekreuzigt worden war. Als sie aber zu Jesus kamen und sahen, dass er schon tot war, zerschlugen sie ihm die Beine nicht, sondern einer der Soldaten stieß mit der Lanze in seine Seite und sogleich floss Blut und Wasser heraus“ (Joh 19,32-34). Das Blut symbolisiert das Opfer Jesu Christi, wie auch die Eucharistie. Das Wasser weist hin auf die Gabe des Heiligen Geistes und die Taufe. Diese Bezüge sind ausreichend, um die unbeschreibliche Größe der Liebe Gottes zu erfassen, die aus dem durchbohrten Herzen Jesu hervorströmt.

3. Die Liebe Gottes verkünden.

Liebe Brüder und Schwestern, das Herz-Jesu-Fest erfüllt uns mit Freude über das erneuerte Bewusstsein, daß wir alle unter dem Schutz der großen Liebe Gottvaters stehen, welche der sichere Weg zum Heil ist. „Da wir mit Gott versöhnt wurden durch den Tod seines Sohnes, als wir noch Gottes Feinde waren, werden wir erst recht, nachdem wir versöhnt sind, gerettet werden durch sein Leben“ (Röm 5,10). Das heutige Fest ermuntert uns, unseren Glauben an den Gott der Liebe zu erneuern. Das erfordert ein Offensein für die unendliche Liebe Gottes mit unseren begrenzten menschlichen Kräften, die aber mit der Gnade Gottes für die Ewigkeit offen bleiben. „Gott ist Liebe, und wer in der Liebe bleibt, bleibt in Gott und Gott bleibt in ihm“ (1 Joh 4,16).

Der Christ ist gerufen, diese Liebe im alltäglichen Leben auf personaler, familiärer, kirchlicher und sozialer Ebene zu leben. Der erhabene Moment hierbei ist die Mitfeier der Heiligen Messe, wo sich auf unblutige Weise das Opfer Jesu Christi für das Heil der Welt erneuert. Die Eucharistiefeier, Mitte und Höhepunkt von Leben und Sendung der Kirche, muss stets gut und vorbereitet zelebriert werden. Der beste Weg der Vorbereitung ist die Eucharistische Anbetung. Sie kann auch darüber hinaus der bevorzugte Weg der Danksagung nach der Feier der heiligen Geheimnisse sein. Die Eucharistische Anbetung ist zugleich die angemessene Weise, die Verbrechen gegen Jesus Christus in Kirche und Welt zu sühnen. Es sind also zwei Einladungen, die der Herr Jesus heute an uns richtet: die regelmäßige Vorbereitung auf die Heilige Messe des Sonntags und der vorgeschriebenen Feiertage, wie auch die Wichtigkeit der Eucharistischen Anbetung.

Die Logik des heutigen Festtages spornt uns sodann zur Evangelisierung an. Auch wir alle sind gerufen, eine ähnliche Freude auszustrahlen wie Jesus, als er einem verlorenen Schaft half, zum Schafstall zurückzukehren. Mit unserem Leben sollen wir zeigen, wie stark wir dem Gott der Liebe glauben und daß wir bereit sind, diese Liebe den Nahen und Fernen zu erweisen. Die Kirche ist in ihrer Natur missionarisch. Ein Christ kann die Freude über die heilende Begegnung mit Jesus Christus nicht für sich behalten, sondern will sie mit anderen teilen. Wir alle sind gerufen und jeder nach seiner Berufung in der Kirche, überzeugte Jünger Jesus Christi und seine eifrigen Missionare zu werden, was der Heilige Vater Franziskus immer wieder sagt.

Beim Werk der Evangelisierung haben wir die Nähe Gottes zu jedem Menschen zu verkünden. Unser Gott hat in Jesus Christus ein menschliches Herz. Er hat Mitleid mit jedem, vor allem mit denen, die seine materielle und spirituelle Hilfe nötig haben. Das Worte ist Fleisch geworden und war uns in allem gleich, „ausgenommen die Sünde“ (Heb 4,16). Jesus Christus hatte daher Herz und Verstand, zwei komplementäre Dimensionen seiner Person und der Predigt des Evangeliums. Beides müssen auch wir bei der Verkündigung der guten Nachricht an den Menschen von heute einsetzen. Der Glaube, der dem Menschen würdig ist, muss mit seiner emotionalen und rationalen Natur korrespondieren, mit seinem Herzen und mit seinem Verstand. Dies hat sehr schön der Heilige Petrus ausgedrückt: „Heiligt vielmehr in eurem Herzen Christus, den Herrn! Seid stets bereit, jedem Rede und Antwort zu stehen, der von euch Rechenschaft fordert über die Hoffnung, die euch erfüllt“ (1 Petr 3,15).

Liebe Brüder und Schwestern, vertrauen wir diese guten Vorsätze der Fürsprache der seligen Jungfrau Maria an, der Mutter Jesu und Mutter der Kirche. Zum Herzen Jesu, das voller Gnade und Erbarmen ist, gesellen wir auch das Herz Mariens. Wie der greise Simeon prophezeite: „Deine Seele wird ein Schwert durchdringen“ (Lk 2,35), hat Maria am Opfer ihres Sohnes und Gottes Jesus teilgenommen. Folgen wir ihrem Beispiel beständigen Gottvertrauens, auch in den schweren Augenblicken, wo man sein eigenes Kreuz aufnehmen und dem Herrn Jesus Christus folgen muss (vgl. Lk 9,23). Geöffnet für die Gnade des Heiligen Geistes erflehen wir die Gabe der Ausdauer im christlichen Leben und ebenso den Eifer bei der Evangelisierung, damit auch wir die Freude haben, von der Jesus Christus, der gute Hirte spricht: „Ich sage euch: Ebenso wird im Himmel mehr Freude herrschen über einen einzigen Sünder, der umkehrt, als über neunundneunzig Gerechte, die keine Umkehr nötig haben“ (Lk 15,7).

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