Predigt von Nuntius Eterovic bei der Antonius-Wallfahrt nach Worbis im Eichsfeld

St. Antonius zu Worbis, 13. Juni 2021

(Jes 61,1-3a; Eph 4,7-13; Ps 91; Lk 10,1-9)

Antonius-Wallfahrt

„Die Ernte ist groß, aber es gibt nur wenig Arbeiter. Bittet also den Herrn der Ernte, Arbeiter für seine Ernte auszusenden!“ (Lk 10,2).

Hochwürdige Herren Pfarrer Hampel und Kaplan Funke,
liebe Schwestern und Brüder!

Mit diesen Worten sendet der Herr zweiundsiebzig Jünger aus. Sie wurden nach der Wahl der zwölf Apostel ausgewählt (vgl. Lk 9,1-6), die nach dem Willen des göttlichen Meisters eine wichtige Rolle in der Kirche hatten. Die zwölf Apostel symbolisieren die zwölf Stämme Israels und wurden so zum Fundament des neuen Volkes Gottes, der Kirche. Sie waren Zeugen des öffentlichen Wirkens Jesu, seiner Predigten und Wunder, wie auch seines Todes, der Auferstehung und Himmelfahrt (vgl. Apg 1,21-22). Auf sie hat der Herr seine Kirche gegründet, die daher apostolisch ist. Unter den Zwölf hatte der Heilige Petrus eine ganz besondere Aufgabe. Er hat öffentlich bekannt, dass Jesus „der Christus ist, der Sohn des lebendigen Gottes“ (Mt 16,16). Wegen dieser vom Heiligen Geist inspirierten Antwort lobt der Herr Jesus den Apostel: „Selig bist du, Simon Barjona; denn nicht Fleisch und Blut haben dir das offenbart, sondern mein Vater im Himmel“ und fügt hinzu: „Du bist Petrus und auf diesen Felsen werde ich meine Kirche bauen und die Pforten der Unterwelt werden sie nicht überwältigen. Ich werde dir die Schlüssel des Himmelreichs geben; was du auf Erden binden wirst, das wird im Himmel gebunden sein, und was du auf Erden lösen wirst, das wird im Himmel gelöst sein“ (Mt 16,17-19). An anderer Stelle hat der Herr Jesus auch den übrigen Aposteln ähnliche Vollmacht gegeben (vgl. Mt 18,18).

Die Erinnerung an die Apostel und den Heiligen Petrus nehme ich zum Anlass, Euch allen, die Ihr vor dieses Heiligtum des Heiligen Antonius in Worbis gekommen seid, die herzlichen Grüße des Heiligen Vaters Franziskus zu übermitteln, des 265. Nachfolger des Heiligen Petrus, den ich die Freude habe in der Bundesrepublik Deutschland zu vertreten. Der Heilige Vater, Bischof von Rom und Hirte der Universalkirche hat dieselbe Aufgabe, wie der erste Papst, der Heilige Petrus: vor der Welt zu bekennen, dass Jesus Christus der Messias ist, das heißt der Christus, „der Sohn des lebendigen Gottes“. Nach dem Willen des Herrn Jesus muss der Nachfolger des Petrus darüber hinaus den Gläubigen diesen Glauben bestätigen (vgl. Lk 22,32). Während dieser Heiligen Messe werden wir in besonderer Weise für Papst Franziskus beten, dass er gut diese wichtige Mission in Kirche und Welt erfüllen kann. Als Zeichen der tiefen kirchlichen Einheit erteile ich Euch am Ende der Eucharistiefeier im Namen des Obersten Pontifex den Apostolischen Segen.

Liebe Brüder und Schwestern, wir wollen uns dem Heiligen Geist öffnen, der zu uns auch durch die Lesungen der Schrift spricht, die verkündet wurden, und verweilen bei der Sendung der zweiundsiebzig Jünger (I), wie auch bei der des Heiligen Antonius (II), wobei wir auch unseren Platz beim großen Werk der Evangelisierung finden mögen, zu dem jedes Mitglied unserer heiligen Mutter Kirche gerufen ist (III).

1. „Danach suchte der Herr zweiundsiebzig andere aus“ (Lk 10,1).


Der Herr Jesus war sich bewußt, dass die Ernte groß war, aber es nur wenige Arbeiter gab. Daher hat er, nachdem er zu Gottvater gebetet hatte, zweiundsiebzig Jünger berufen, unter denen sich auch der Verräter Judas befand, einer der Zwölf. Den Zweiundsiebzig gab er genaue Anweisungen. Sie sollten zu zweit gehen und das Kommen des Meisters vorbereiten „in allen Städten und Ortschaften, in die er selbst gehen wollte“ (Lk 10,1). Unter den Anweisungen verdient der Friedensgruß, den sie überbringen sollen, den ersten Platz. Denn Jesus hatte angewiesen: „Wenn ihr in ein Haus kommt, so sagt als Erstes: Friede diesem Haus“ (Lk 10,5). Die Reaktion der Personen, welche diesen Friedenswunsch hören, ist nicht selbstverständlich. Darum fügt der Herr hinzu: „Und wenn dort ein Sohn des Friedens wohnt, wird euer Friede auf ihm ruhen; andernfalls wird er zu euch zurückkehren“ (Lk 10,6). Jesus kannte die Herzen der Menschen und wusste auch, dass nicht alle gut auf ihn und das Evangelium zu sprechen waren. Im Gegenteil, einige waren Gegner und erklärte Feinde. Der Herr hat diese Abneigung erfahren bis hin zur Verfolgung und dem Tod am Kreuz. Der Jünger kann nicht größer sein als der Meister. Wenn sie Ihn verfolgt haben, so verfolgen sie auch seine Jünger (vgl. Joh 15,20). Diese Bedeutung haben auch seine Sendungsworte: „Geht! Siehe, ich sende euch wie Schafe mitten unter die Wölfe“ (Lk 10,3). Die Jünger aber sollen nicht auf materielle Dinge vertrauen, sondern allein Gott, der Kraft des Heiligen Geistes und der göttlichen Vorsehung. Sodann haben die Jünger die Vollmacht zu heilen und zu predigen: „Heilt die Kranken, die dort sind, und sagt ihnen: Das Reich Gottes ist euch nahe“ (Lk 10,9). Beides sind aufeinander bezogene und einander ergänzende Handlungen. Die Ankündigung des Reiches muss von der spirituellen und physischen Heilung des Menschen begleitet werden. Bei ihrer Rückkehr waren die Zweiundsiebzig voller Freude über den Erfolg und berichteten Jesus: „Herr, sogar die Dämonen sind uns in deinem Namen untertan“ (Lk 10,17).

2. Der Heilige Antonius (1195-1231) – doctor evangelicus

Auch in der kurzen Lebenszeit des Heiligen Antonius, der nur 36 Jahre alt wurde, war das Wort Jesu sehr aktuell: „Die Ernte ist groß, aber es gibt nur wenig Arbeiter“ (Lk 10,2). Das hatte besondere Begleiterscheinungen. In einer scheinbar christlichen Gesellschaft gab es verschiedene häretische Gruppen, wie zum Beispiel die Katharer, die vor allem in Südfrankreich und Norditalien verbreitet waren und die einfachen Gläubigen verwirrten. Auf der anderen Seite war der Klerus theologisch schlecht ausgebildet und in moralischer Hinsicht kein Vorbild. Der Heilige Antonius trat dem durch das Zeugnis eines heiligen Lebens, wie auch mit einem theologischen Studium, das für das Lehren und Predigen unerlässlich ist, entgegen. Er bekam eine ausgezeichnete theologische Bildung und lehrte zwei Jahre Theologie bei den Franziskanern in Bologna. Nach einer Entscheidung der Oberen wurde er von der Lehrtätigkeit entbunden und mit der Verkündigungsarbeit betraut. Der soziale und religiöse Kontext war sehr komplex, doch die göttliche Vorsehung hatte den Heiligen Antonius gerufen, der ein ausgezeichneter Prediger war und fähig, mit der Kraft des Gotteswortes die Herzen der Menschen zu entzünden und zur Umkehr zu bewegen, um den wahren Glauben und die Einheit in der Katholischen Kirche wiederzuentdecken. So berührte beispielsweise Gott dank der Predigt des Heiligen Antonius die Herzen der Bewohner von Padua und bewirkte eine Bußzeit mit reichen Früchten: die Feinde versöhnten sich, viele, die in Ausschweifung lebten, änderten ihr Leben, die Wucherer leisteten Schadensersatz für das unrechtmäßig erworbene Geld. Die Predigt des Heiligen wurde nicht selten von Wundern begleitet. Als zum Beispiel die Menschen unter dem Einfluss der Häresie der Katharer seine Predigt nicht hören wollten, rief der Heilige die Fische zusammen, und sie hörten ihm zu. Ein Maultier, das sein häretischer Besitzer erst hungern ließ, um ihm dann vor den Augen des Heiligen Antonius eine reiche Portion Futter zu geben, verschmähte das Futter, es fiel vielmehr auf die Knie vor dem Allerheiligsten, das Antonius bei sich trug, und gab so Zeugnis von der wahren Speise. Eines der schönsten Wunder geschah am Ende des Lebens des Heiligen. Das Jesuskind erschien in Camposampiero, wo der Heilige Antonius viele Stunden im Gebet, bei der Meditation und der Betrachtung des Gotteswortes verbrachte. In einer Vision erblickte er in seinen Armen das Jesuskind. Auch das Altarbild Eurer Kirche erzählt von dieser tröstenden Begegnung.

3. Die Ernte ist groß

Auch in unseren Tagen bleiben die Worte Jesu sehr aktuell: „Die Ernte ist groß, aber es gibt nur wenig Arbeiter“ (Lk 10,2). Wie am Anfang der Kirche, so ruft Jesus Christus auch heute den Papst in die Ernte, den Nachfolger des Heiligen Petrus, die Bischöfe, die Nachfolger der Apostel, wie auch die Priester und Ordensmänner, die zum priesterlichen Dienst gerufen sind. Es gibt aber auch ein gemeinsames Priestertum aller Gläubigen, die im Sakrament der Taufe zu Kindern Gottes und zu Gliedern der Katholischen Kirche geworden sind. Auch sie sind gerufen, das Evangelium, die gute Nachricht vor allem durch das Beispiel eines christlichen Lebens und, wenn nötig, durch das Wort zu verbreiten. Die große Herausforderung heute ist die Gleichgültigkeit vieler gegenüber der Religion und die leben, als gäbe es Gott nicht (etsi Deus non daretur). In Deutschland erreicht ihre Zahl einen Wert von 38,8 Prozent der Bevölkerung.

Die liturgische Feier des Heiligen Antonius, wie übrigens jedes Heiligen, erinnert uns, dass wir alle zur Heiligkeit gerufen sind. Der allmächtige Gott ruft uns allen zu: „Seid heilig, denn ich, der HERR, euer Gott, bin heilig“ (Lev 19,2). Sicher, wir sind alle Sünder, aber gerufen zur Umkehr und Heiligkeit. Das Zweite Vatikanische Konzil unterstreicht im fünften Kapitel der dogmatischen Konstitution Lumen Gentium den universalen Ruf zur Heiligkeit in der Kirche. Die Heiligkeit ist die einzige Weise für eine tiefgreifende Reform, wie auch für eine wirksame neue Evangelisierung, denn sie ist anziehend auf Menschen, welche die Wahrheit, die Liebe und die Hoffnung suchen.

Der Heilige Antonius hat die selige Jungfrau Maria, die Mutter der Kirche, tief verehrt. In geistlicher Vereinigung mit Eurem heiligen Schutzpatron vertrauen wir Eure Gebete der Fürsprache der Gottesmutter an, damit Gott auch in unseren Tagen in seiner Kirche viele und heilige Verkündiger des Evangeliums berufe, die das Werk fortsetzen, dem Menschen von heute die Großtaten Gottes zu verkünden und in der Kraft des Heiligen Geistes die an Leib und Seele kranken Menschen zu heilen. Amen.

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