Predigt von Nuntius Eterovic im Pontifikalamt zum 125. Todestag von Pfarrer Msgr. Sebastian Kneipp

Bad Wörishofen, 19. Juni 2022

(Sach 12,10-11; 13,1; Ps 63; Gal 3,26-29; Lk 9,18-24)

12. Sonntag im Jahreskreis – LJ C

„Wer sein Leben retten will, wird es verlieren; wer aber sein Leben um meinetwillen verliert, der wird es retten“ (Lk 9,24).

Liebe Schwestern und Brüder!

Das Wort Gottes am heutigen Sonntag führt uns im Lukasevangelium zum Bekenntnis des heiligen Petrus (vgl. Lk 9,20) zu Jesus als dem Christus (I). Die zweite Lesung aus dem Galaterbrief ruft uns in Erinnerung, dass wir durch die Taufe diesen „Christus als Gewand angelegt haben“ (Gal 3,27) und in den einen Leib Christi, der die Kirche ist, eingegliedert worden sind (II). Im Christusereignis erfüllt sich die Prophetien des Alten Testament, dass uns eine Quelle fließt zur „Reinigung von Sünde und Unreinheit“ (III).

Wenn wir dies heute in dieser schönen Stadtpfarrkirche von St. Justina bedenken, erinnern wir uns an den 125. Todestag von Pfarrer Sebastian Kneipp, der am 17. Juni 1897 gestorben ist, nachdem er 42 Jahre hier gewirkt hat, zuerst als Spiritual im Kloster der verehrten Dominikanerinnen und ab 1881 als Ortspfarrer. Bad Wörishofen ist ohne diesen Pfarrer kaum vorstellbar, der in den letzten Jahren seines Lebens zu einer überaus bekannten Persönlichkeit in Europa geworden war. Er ist in dieser Pfarrkirche in einem Deckengemälde als Prediger dargestellt, der den Gesunden und Kranken die Quellen des Glaubens und die Quellen der Heilung von Leiden erschließt. Im Namen des Heiligen Vaters Franziskus, den ich die Ehre habe, in der Bundesrepublik Deutschland zu vertreten, danke ich für die Einladung, dieser festlichen Eucharistie vorzustehen. Hochwürdigen Herrn Pfarrer Andreas Hartmann danke ich für die freundliche Begrüßung und allen, die für die Gestaltung meines Besuches und die Gastfreundschaft in ihrer schönen Stadt Sorge tragen, bin ich herzlich dankbar. Papst Franziskus, der Bischof von Rom und Hirte der Universalkirche, lässt durch mich seine herzlichen Grüße überbringen. In seinem Namen werde ich am Ende dieser Heiligen Messe den Apostolischen Segen spenden – Euch, die ihr hier anwesend seid, aber auch allen, die Euch lieb sind, vor allem den Kranken und denen, die aus anderen Gründen nicht hier sein können.

1. „Ihr aber, für wen haltet ihr mich?“ (Lk 9,20).

Diese Frage des Herrn Jesus findet sich in allen drei synoptischen Evangelien bei Matthäus (16,15), Markus (8,29) und im Abschnitt des Lukasevangeliums, den wir gehört haben. Und jedes Mal legt der heilige Apostel Petrus das Bekenntnis für alle Apostel ab und spricht: „Du bist der Christus“ (Lk 9,20 par.). Dieses Bekenntnis ist kein menschliches Lippenbekenntnis, sondern die Offenbarung des himmlischen Vaters zur Identität seines Eingeborenen Sohnes und Seiner Mission auf Erden. Dafür preist der Herr Jesus den Apostel Petrus selig: „Selig bist du, Simon Barjona; denn nicht Fleisch und Blut haben dir das offenbart, sondern mein Vater im Himmel“ (Mt 16,17). Jesus ist der Christus, der Erlöser und Heiland, der den Willen seines Vaters erfüllt, „dass alle Menschen gerettet werden“ (1 Tim 2,4). Um dies zu vollbringen, kündet der Meister seinen Jüngern an: „Der Menschensohn muss vieles erleiden und von den Ältesten, den Hohepriestern und den Schriftgelehrten verworfen werden; er muss getötet und am dritten Tage auferweckt werden“ (Lk 9,22). Dass Jesus durch Leiden, Kreuz und Tod zur Auferstehung gelangen wird, um so das Menschengeschlecht zu erlösen, verstehen die Jünger zunächst nicht. Zu unterschiedlich sind die Erwartungen in das, was der Messias, der Christus sein soll. Für die einen ist er eine politische Figur, die das Joch der römischen Besatzung in Israel abschütteln wird, für andere ist er ein Wunderheiler, der die irdische Not und die Krankheiten des Leibes heilt, wieder andere glauben, er werde ein neuer geistlicher Führer im Sinne eines Propheten oder auch gegen die damaligen Pharisäer und Schriftgelehrten. Der Heilswille des dreieinen Gottes umfasst das alles und ist doch ganz anders. Denn Jesus verkündet das Reich Gottes und nicht ein neues Reich Israel, er heilt von Krankheiten, doch nicht allein von denen des Leibes, sondern auch von Krankheiten der Seele, wobei er auf den Glauben von Menschen schaut oder sie zur Umkehr des Lebens aufruft. Jesus ist ein Prophet, doch einer, der den Weg zum ewigen Leben weist. Um das Heil, das in Ihm „in der Fülle der Zeit gekommen war“ (Gal 4,4) durch die Zeiten und zu allen Menschen auf der ganzen Erde zu tragen, beruft er Menschen in seine Nachfolge und gründet Seine Kirche auf den Felsen des Petrus: „Du bist Petrus und auf diesen Felsen werde ich meine Kirche bauen und die Pforten der Unterwelt werden sie nicht überwältigen“ (Mt 16,18).

Der Petrus in der Zeit von Pfarrer Sebastian Kneipp war Papst Leo XIII., der Kenntnis von diesem Priester und seinen Wasserkuren und Therapien bekommen hatte und ihn im Jahr 1894 nach Rom bestellte und mehrfach empfangen hat. Es muss eine glückliche Fügung gewesen sein, welche die beiden so unterschiedlichen Männer zueinander geführt hat. Die Gespräche mit dem Nachfolger des heiligen Petrus waren für den Priester Sebastian Kneipp unvergessliche Höhepunkte seines Lebens. Die Ernennung zum Päpstlichen Geheimkämmerer und Monsignore im Jahr 1893 zeigt außerdem, dass der alte Papst in dem ruppigen Priester Kneipp eine Geistesgabe anerkannte, denn der Heilige Geist schenkte ihm im Übermaß „die Gabe, Krankheiten zu heilen“ (1 Kor 12,9).

2. Ihr „habt Christus angezogen“ (Gal 3,27).

In der Waschküche der Dominikanerinnen hier in Bad Wörishofen begann Sebastian Kneipp mit seinen Aufgüssen und Wasserkuren. Das Lebenselement Wasser hatte ihn in jungen Jahren von der Tuberkulose geheilt. Das Wasser und seine Kraft sollte ihn sein ganzes Leben nicht mehr los lassen. Das Wasser machte ihn und seine Therapien berühmt. Dennoch wollte Sebastian Kneipp nichts anderes als Priester sein. Und der Weg zum Priestertum war schwer und steinig. Doch er hatte Christus nicht nur in der Taufe als Gewand angezogen, wie wir alle, die wir getauft sind, sondern der Herr Jesus verlor sein ganzes Leben nicht an Anziehungskraft, so dass er den Ruf annahm, das ihm geschenkte Leben ganz und gar dem Dienst an Gott zu weihen und so den Menschen zu dienen. Darum geht es also, Christus nicht nur einmal als ein Gewand anzuziehen, sondern sich seiner Anziehungskraft ein Leben lang nicht zu entziehen. Der Heilige Vater Franziskus ermahnt immer wieder die Christen, die Taufgnade wirksam werden zu lassen und zu eifrigen Zeugen Christi und Missionaren Seines Evangeliums zu werden. Dafür braucht es keine Worte, sondern ein glaubwürdiges christliches Leben genügt. Sebastian Kneipp reichte das Wasser. Und seine bis heute aktuellen Ratschläge zur Gesundheitsvorsorge: mehr Bewegung, gesunde Ernährung und Wassergüsse auf die Gelenke können auf ein christliches Leben ins Verhältnis gesetzt werden: mehr Bewegung im Gebet, ein einfaches Leben nach dem Willen Gottes, die Gelenke unserer Seele beweglich halten in der Liebe zu Gott und dem Nächsten, vor allem zu denen, die unserer Hilfe bedürfen. Auf diese Weise werden wir als Getaufte für andere Menschen anziehend, unser Glaube kräftiger und unsere Liebe überzeugender. Sebastian Kneipp war Priester. Und dies war ihm gleichsam eine „Sonnenhöhe“, wie er selbst sagte. Nichts anderes wollte er sein. Wenn er sich der Krankheiten des Leibes angenommen hat, so galt seine Sorge immer auch der unsterblichen Seele eines jeden Menschen, der ihm anvertraut war. Und so war er in seinem priesterlichen Element, wenn er getauft hat – mit Wasser und Heiligem Geist – und ein Menschenkind zum Gotteskind wurde, dem die Mahnung des Taufritus gilt: „Bewahre diese Würde dein ganzes Leben“.

3. Jesus Christus ist das lebendige Wasser (vgl. Joh 4,10-14).

Die Ankündigung von Leiden und Tod des Herrn Jesus im heutigen Evangelium erfüllt sich am Kreuz. Es erfüllte sich die Prophetie des Propheten Sacharja, der gesagt hat: „Sie werden auf den blicken, den sie durchbohrt haben“ (Sach 12,10). Durch alle Zeiten haben Christen auf den Durchbohrten am Kreuz geschaut. Doch sie sind nicht verzweifelt, sondern fanden darin die Kraft zum Zeugnis für den Gekreuzigten. Und wir leben heute in Zeiten, wo es nach den Worten von Papst Franziskus die meisten Blutzeugen für Christus in der Geschichte gibt. Es genügt an die jüngsten Opfer in Nigeria zu denken, die am Ende des Pfingstgottesdienstes umgebracht worden sind. Wir sind überzeugt davon, dass die Märtyrer, die Blutzeugen für Christus, nicht einfach tot sind, sondern zum Ansporn werden, lebendigere Glieder der Kirche zu werden, deren Haupt Christus ist (vgl. Eph 4,15). Wenn der Prophet Sacharja prophezeit, es werde „eine Quelle fließen zur Reinigung von Sünde und Unreinheit“, so ist sie im durchbohrten Herzen Jesu am Kreuz aufgetan, denn „einer der Soldaten stieß mit der Lanze in seine Seite und sogleich floss Blut und Wasser heraus“ (Joh 19,34). Hier haben wir die Quelle aller Gnaden und der Sakramente der Kirche. Hiervon war auch Pfarrer Sebastian Kneipp überzeugt, denn wie das Wasser für den Leib, so ist das Blut Christi für das Leben der Seele unverzichtbar. Die Patronin dieser Pfarrkirche, die heilige Justina, gibt hiervon Zeugnis, denn in der Verfolgung der Christen durch Kaiser Diocletian zu Beginn des 4. Jahrhunderts wurde sie in Padua von einem Soldaten durchbohrt und getötet. Doch sie lebt in der Ewigkeit bei Christus. Und hier in Bad Wörishofen wird sie verehrt als Patronin und Mahnerin für die Wahrheit, dass wir in Jesus Christus das lebendige Wasser haben (vgl. Joh 4,10-14).

Liebe Brüder und Schwestern, danken wir dem dreieinen Gott für das christliche und priesterliche Zeugnis von Pfarrer Sebastian Kneipp, das mit den Worten von Johannes dem Täufer zum Ausdruck gebracht werden kann: „Er (Jesus) muss wachsen, ich aber geringer werden“ (Joh 3,30). Und so vertrauen wir seine Seele und uns selbst der mächtigen Fürsprache der seligen Jungfrau Maria an, der Mutter der Kirche und Königin des Friedens. Sie möge bei Gottvater dafür eintreten, dass wir unter der Führung des Heiligen Geistes immer neu zur Quelle des Lebens zurückkehren, die in Jesus Christus ist, der uns rettet, auch wenn wir das Leben um seinetwillen verlieren (vgl. Lk 9,24). Amen.

Zurück