Predigt von Nuntius Eterovic im Pontifikalamt zur Nardini-Wallfahrt
St. Pirmin zu Pirmasens, 7. Mai 2022
(Apg 9,31-42; Ps 115; Joh 6,60-69)
„Die Worte, die ich zu euch gesprochen habe, sind Geist und sind Leben“ (Joh 6,63).
Liebe Schwestern und Brüder!
Die Worte Jesu im Johannesevangelium verstehen wir gut im Licht der Auferstehung unseres Herrn Jesus Christus, des Siegers über Sünde und Tod. Wir sind in der Osterzeit, in der uns die Kirche die Berichte über die Erscheinungen des Auferstandenen und dessen Zusage, ER bleibe bei uns „alle Tage bis zum Ende der Welt“ (Mt 28,20) der Betrachtung vorlegt. Über die Apostel hat der auferstandene Jesus den Heiligen Geist ausgegossen. Am ersten Tag der Woche trat Jesus durch die verschlossenen Türen des Abendmahlssaales, und nachdem er sie gegrüßt hatte, „hauchte er sie an und sagte zu ihnen: Empfangt den Heiligen Geist! Denen ihr die Sünden erlasst, denen sind sie erlassen; denen ihr sie behaltet, sind sie behalten“ (Joh 20,22-23). Wir alle haben den Heiligen Geist empfangen, den der auferstandene Herr in Fülle ausgießt (vgl. Joh 3,34), und er hat ihn uns in den Sakramenten der Taufe und sodann in der Firmung geschenkt. Gott ruft uns dazu auf, diese Gabe in uns zu erneuern, auch durch diese Eucharistiefeier, wenn wir das Wort Gottes hören und das Opfer Christi feiern, und auch, wenn wir auf das leuchtende Beispiel des seligen Josef Nardini (1821-1862) schauen.
Im Bewußtsein des Lebens des Seligen möchte ich im Licht des Wortes Gottes bei drei Aspekten verweilen: bei der großen Bedeutung der Eucharistie für das christliche Leben (I), wie auch bei den Werken der Liebe (II), wozu wir alle gerufen sind, und wir erinnern daran, dass alle Christen berufen sind, Zeugen des auferstandenen Herrn zu sein, der mitten unter uns, mitten in seiner Kirche gegenwärtig ist (III).
1. „Der Geist ist es, der lebendig macht“ (Joh 6,63).
Diese Worte sind auf jeden Christen anwendbar, der Teil des priesterlichen Volkes ist (vgl. 1 Petr 2,9). In besonderer Weise aber charakterisieren sie die Glieder des priesterlichen Dienstamtes, die eine besondere Sendung vom Herrn empfangen haben, da sie in persona Christi handeln, die Sakramente verwalten und vor allem die Eucharistie feiern oder die Sünden im Sakrament der Versöhnung vergeben. Das wußte der selige Josef Nardini gut, der im Jahr 1846 im Dom zu Speyer durch die Hände von Bischof Nikolaus von Weis zum Priester geweiht wurde. Dieser Bischof ernannte ihn sodann am 24. August desselben Jahres zum Kaplan in Frankenthal und schon am 1. Dezember zum Präfekten im Bischöflichen Seminar. Neben dieser Aufgabe war der junge Priester Nardini in der Seelsorge der umliegenden Pfarreien behilflich. Am 11. April 1850 zum Pfarrverwalter in Geinsheim ernannt, wurde er am 08. Mai 1851 zum Hirten, zum Pastor in Pirmasens bestellt, einer Industriestadt mit großen Schwierigkeiten bei der Entwicklung und den Problemen in der Frage der sozialen Gerechtigkeit seiner Zeit. Die Kraft der Evangelisierung des seligen Paul Josef fand ihr Fundament in der lebendigen Gegenwart Jesu Christi, vor allem in der Eucharistie. Das heutige Evangelium erinnert uns nachdrücklich daran, dass der Herr selbst dieses allerheiligste Sakrament eingesetzt hat. Er wußte, dass vielen seine Rede hart erschien, vor allem seine Aussage: „Ich bin das lebendige Brot, das vom Himmel herabgekommen ist. Wer von diesem Brot isst, wird in Ewigkeit leben. Das Brot, das ich geben werde, ist mein Fleisch für das Leben der Welt“ (Joh 6,51). Tatsächlich können diese Worte nur mit der Gnade des Heiligen Geistes in rechter Weise verstanden werden, wie der Herr selbst versichert: „Der Geist ist es, der lebendig macht; das Fleisch nützt nichts. Die Worte, die ich zu euch gesprochen habe, sind Geist und sind Leben“ (Joh 6,63). Allein im Glauben, der vom Vater kommt, kann der Mensch das große Geheimnis der Realpräsenz Jesu Christi unter den Gestalten von Brot und Wein erfassen. Hierzu hat sich Jesus klar ausgedrückt: „Deshalb habe ich zu euch gesagt: Niemand kann zu mir kommen, wenn es ihm nicht vom Vater gegeben ist“ (Joh 6,65). Während viele Jünger den Herrn Jesus nach seiner eucharistischen Rede verlassen haben, blieben die Apostel treu. Auf die Frage des Meisters: „Wollt auch ihr weggehen?“ (Joh 6,67) antwortet Simon Petrus im Namen aller: „Herr, zu wem sollen wir gehen? Du hast Worte des ewigen Lebens“ (Joh 6,68).
2. Die Kirche „wurde gefestigt und lebte in der Furcht des Herrn“ (Apg 9,31).
Im Namen des Petrus unserer Tage, des Heiligen Vaters Franziskus, des Bischofs von Rom und Hirten der Universalkirche, grüße ich Euch alle herzlich. Im Namen des Papstes ermutige ich, Euch im Glauben stärken zu lassen (vgl. Lk 22,32) und Eure Entscheidung für den Herrn Jesus zu erneuern, welcher „der Weg, die Wahrheit und das Leben“ ist (Joh 4,16) und der allein Worte des ewigen Lebens hat. Als Zeichen der Einheit und der Liebe mit dem Bischof von Rom erteile ich Euch am Ende der Heiligen Messe den Apostolischen Segen, der auch allen denen gilt, die Euch lieb sind und vor allem auch jenen, die an dieser festlichen Eucharistie nicht teilnehmen können, insbesondere auf den Kranken und Schwachen. Besonders grüße ich Euren Hochwürdigen Herrn Pfarrer Johann Pioth und danke ihm für die freundliche Einladung, in die Südpfalz zu reisen und dieser Eucharistiefeier vorzustehen. Herzlich grüße ich auch Seine Exzellenz, Mons. Otto Georgens, den Weihbischof in Speyer, der für Euren Oberhirten, Hochwürdigsten Herrn Bischof Dr. Karl-Heinz Wiesemann, gekommen ist.
Im Abschnitt aus der Apostelgeschichte haben wir gehört, die Kirche „in ganz Judäa, Galiläa und Samarien hatte nun Frieden; sie wurde gefestigt und lebte in der Furcht des Herrn“ (Apg 9,31). Während in der Zeit der Verfolgung die Kirche vor allem durch das Blutzeugnis ihrer Glieder Zeugnis ablegte, wie das Beispiel des heiligen Stephanus zeigt (vgl. Apg 7,57-60), gaben die Christen in der Zeit relativen Friedens ihr Liebeszeugnis gegenüber Gott und den Nächsten durch die Werke der Liebe. In der Kraft des Heiligen Geistes heilte der heilige Petrus einen Gelähmten und erweckte die junge Christin Tabita, genannt Gazelle, von den Toten. Auch heute bezeugt die Kirche ihre Treue durch das Martyrium, vor allem da, wo sie verfolgt wird. Im vergangenen Jahr 2021 wurden weltweit 22 Missionare getötet, 13 Priester, ein Ordensmann, zwei Ordensfrauen und sechs Laien. Im Zeitraum von 2000 bis 2020 wurden insgesamt 536 Missionare und Missionarinnen getötet. Gleichzeitig gab die Kirche ihr Zeugnis der christlichen Liebe mittels der guten Werke, wie dies auch der selige Nardini zu seiner Zeit getan hat.
Ich danke der göttlichen Vorsehung, die mir nach verschiedenen Anläufen nunmehr erlaubt, mit Euch die Heilige Messe aus Anlass der Nardiniwallfahrt hier in Pirmasens zu feiern, wo der selige Paul Josef Nardini von 1851 bis zu seinem Tod im Jahr 1862 den Dienst als Pfarrer versehen hat. Trotz eines relativ kurzen Lebens war es erfüllt von Gnadengaben und Liebe, was einem menschlichen und priesterlichen Leben entsprang, das ganz dem Lob des dreieinen Gottes und dem Dienst am Nächsten, besonders den Armen und Hilfsbedürftigen geweiht war. Dieses beeindruckende Werk führen die Armen Franziskanerinnen von der Heiligen Familie, die Mallersdorfer Schwestern fort, die der selige Nardini im Jahr 1855 gegründet hat, um für die vernachlässigten Kinder seiner Pfarrei zu sorgen, wie auch, um den Alten und Kranken beizustehen. Die Mission der Schwestern sollte nach dem seligen Gründer darin bestehen, „das Evangelium den Armen durch Werke der Liebe zu verkünden“ und dies beseelt von großer Liebe zu tun. Ihr Charisma ist gut mit folgenden Worten beschrieben: „Die Liebe ist unser Leben. Die Liebe ist unsere Bestimmung. Liebe ist das einzige, was Gott von uns fordert“. Ihren Dienst hat die Kongregation über die Grenzen Deutschlands ausgeweitet, so dass die Mallersdorfer Schwestern Gott sei Dank ihren wertvollen Dienst auch in Rumänien und Südafrika versehen.
3. „Ihr werdet meine Zeugen sein“ (Apg 1,8).
Vor der Himmelfahrt hat der Herr Jesus seinen Jüngern verheißen: „Ihr werdet Kraft empfangen, wenn der Heilige Geist auf euch herabkommen wird; und ihr werdet meine Zeugen sein in Jerusalem und in ganz Judäa und Samarien und bis an die Grenzen der Erde“ (Apg 1,8). Einer dieser leuchtenden Zeugen ist der selige Paul Josef Nardini, der im Alter von 40 Jahren an Lungenentzündung erkrankte und starb. In dieser relativ kurzen Lebensspanne ist er ein authentischer Zeuge Jesus Christi gewesen, der gestorben und auferstanden ist und der in seiner Kirche vor allem im Wort, in den Sakramenten und in den Armen gegenwärtig ist (vgl. Mt 25,31-46). Die Feier der Heiligen Messe war ihm das tägliche Brot, wo er die Kraft für sein eindrückliches pastorales und soziales Wirken fand. Seine tiefe Verbundenheit mit dem auferstandenen Herrn erscheint in seinem Lebensprogramm: „Nichts soll mich von Jesus scheiden, weder Freude noch Leid, weder Angst noch Qual. Ihm will ich anhangen in demütigem Gehorsam, tiefer Selbstverleugnung und in brennender Liebe. Er ist mein Wendepunkt, der Brennpunkt meines Herzens“. Sein ganzes Streben war, „Gott immer mehr zu erkennen, ihm allein anzuhangen, an ihm allein Geschmack zu finden, …. ihm, der sich ganz für ihn hingegeben hat, seine ganze Liebe, all seine Jugendkraft zu weihen, und so im wahrsten Sinne mit seiner heiligen Gnade ein Brandopfer der himmlischen Liebe zu werden“. Es wundert daher nicht, dass Papst Benedikt XVI. seine Seligsprechung am 22. Oktober 2006 im Dom zu Speyer approbiert hat.
Wenn ich an das Beispiel des seligen Priesters Paul Josef Nardini denke, so kann ich nicht anders, als den vielen Priester in Deutschland und weltweit zu danken, die so großherzig in Treue, Einheit und selbstloser Nächstenliebe ihre Sendung der Evangelisierung und menschlichen Förderung verfolgen. Sie wirken zur größeren Ehre Gottes und zum Wohl der ihrer Seelsorge anvertrauten Menschen, vor allem der Armen, Kranken, der Immigranten und allgemein der an den Rand der Gesellschaft Gedrängten und Verbannten. Denken wir besonders an die vielen Ukrainer, die wegen des kriegerischen Überfalls durch die Armee der russischen Föderation ihr Land verlassen haben. Liebe priesterliche Brüder, die Fürsprache des seligen Paul Josef Nardini möge Euren Glauben an Gott, den Vater, Sohn und Heiligen Geist stärken. Nährt den Glauben insbesondere durch die tägliche Feier der heiligen Eucharistie und durch eine immer tiefere Vertrautheit mit dem Wort Gottes, damit ihr mit erneuertem Eifer die priesterliche Sendung verfolgen könnt, die Jesus Christus, der ewige Hohepriester Euch zur Seligkeit seines heiligen Volkes anvertraut hat. Mit allen Gläubigen hört nicht auf zu beten, dass der selige Paul Josef Nardini bald zur Ehre Gottes und zum Wohl der Kirche heiliggesprochen werde.
Vertrauen wir diese guten Vorsätze der seligen Jungfrau Maria an, der Mutter der Kirche und Königin des Friedens, damit wir, wenn wir ihrem Beispiel folgen, durch ihre Fürsprache gestärkt die Gnade einer erneuerten Dynamik erhalten für die Evangelisierung Deutschlands, Europas und der ganzen Welt. Amen.