Predigt von Nuntius Eterovic zum 100. Todestag des Seligen Kaiser Karl I.
St. Peter zu München, 1. April 2022
(Eph 6,10-13; Mt 7,21-27)
„Nicht jeder, der zu mir sagt: Herr! Herr!, wird in das Himmelreich kommen, sondern wer den Willen meines Vaters im Himmel tut“ (Mt 7,21).
Liebe Schwestern und Brüder!
Mit diesen Worten beschreibt der Herr Jesus, wie sich seine Jünger verhalten sollen. Sie sind solche, die ihrem Meister nicht nur dem Worte nach folgen, sondern vor allem durch das Zeugnis eines christlichen Lebens. Um Zweifel zu beseitigen, verwendet Jesus zwei Bilder, zwei Symbole, um das authentische christliche Leben vom falschen zu unterscheiden, das sich durch fragile Äußerlichkeit auszeichnet und schnell in sich zusammenbricht.
Das Haus, das auf Felsen gebaut ist.
Nach Jesus Christus ist das authentische christliche Leben wie ein auf Felsen gebautes Haus, das allen Stürmen des Lebens widersteht: „Als ein Wolkenbruch kam und die Wassermassen heranfluteten, als die Stürme tobten und an dem Haus rüttelten, da stürzte es nicht ein; denn es war auf Fels gebaut“ (Mt 7,25). Im Gegensatz dazu steht das auf Sand errichtete Gebäude für ein nur formales christliches Leben, das in sich zusammenbricht, wenn die Unwetter hereinbrechen: „Als ein Wolkenbruch kam und die Wassermassen heranfluteten, als die Stürme tobten und an dem Haus rüttelten, da stürzte es ein und wurde völlig zerstört“ (Mt 7,27). Das Geheimnis des Bestandes der zwei Häuser hängt vom Menschen und von der Bauweise ab, nämlich in der Weise des Wirkens mit Gott, der Annahme seiner Gnade, seiner Gaben, seines Segens oder im Gegenteil im Wirken ohne Gott, dem Verschließen in sich selbst und im Aufbau des Hauses seiner Existenz in einer Haltung, als gäbe es Gott nicht. Der Herr Jesus beschreibt den, der sein Leben auf festen Grund stellt: „Jeder, der diese meine Worte hört und danach handelt, ist wie ein kluger Mann, der sein Haus auf Fels baute“ (Mt 7,24). Im Gegensatz dazu heißt es von dem, der auf unsicherer Grundlage sich einrichtet: „Und jeder, der diese meine Worte hört und nicht danach handelt, ist ein Tor, der sein Haus auf Sand baute“ (Mt 7,26).
Der Selige Kaiser Karl
Die Seligen und Heiligen sind Personen, die ihr Leben auf Fels gebaut haben, auf Jesus Christus; „der Stein, den die Bauleute verworfen haben, er ist zum Eckstein geworden“ (Mt 21,42). Die Kirche präsentiert uns mit ihrem Leben ein Beispiel, dem man folgen kann. Im starken Glauben an die Gemeinschaft der Heiligen wenden wir uns außerdem an sie, damit sie für uns eintreten beim dreieinen Gott in der seligen Schau all der Gnaden und Gaben, um die wir flehen und derer wir so sehr bedürfen.
Heute erinnern wir in Dankbarkeit gegenüber Gott, dem Vater, Sohn und Heiligen Geist an das christliche Zeugnis des Seligen Kaisers Karl I. von Österreich, König Karl IV. von Ungarn, Kroatien, Slawonien und Dalmatien, König Karl III. von Böhmen an seinem 100. Todestag. Geboren wurde er am 17. August 1887 auf Schloss Persenbeug in Österreich; und heute vor 100 Jahren am 1. April 1922 ist er auf der portugiesischen Insel Madeira gestorben. Im Jahr 1922 wurde auch die Paneuropa-Union gegründet. Deren zweiter Präsident war über dreißig Jahre lang Otto von Habsburg (1912-2011), der älteste Sohn von Kaiser Karl und Kaiserin Zita. Ich danke der Paneuropa-Union Deutschland mit Herrn Dr. h.c. Bernd Posselt an der Spitze für die Einladung, mit Ihnen heute diese Heilige Messe zu feiern. Europa erlebt in diesen Tagen erneut Krieg. Darum ist die europäische Einigungsbewegung umso dringlicher als eine Mission zum Frieden zu sehen, für den sich die Familie des Seligen Karl so leidenschaftlich eingesetzt hat. Als Vertreter des Heiligen Vaters Franziskus in der Bundesrepublik Deutschland übermittle ich in diesen sorgenvollen Zeiten seine herzlichen Grüße und seine Bitte um das Gebet und um Taten der Solidarität und Liebe zu den vom Krieg in Ukraine betroffenen Menschen. Am Ende dieser Eucharistiefeier erteile ich Ihnen allen gerne den Apostolischen Segen.
Erlauben Sie mir, nur an einiges zu erinnern, was in seinem Leben besonders auf seinen lebendigen christlichen Glauben verweist. Karl Franz Josef von Habsburg heiratete am 21. Oktober 1911 die Prinzessin Zita von Bourbon-Parma, mit der er acht Kinder hatte. Ihre Eheringe trugen als Gravur: Sub tuum praesidium – unter deinen Schutz – womit das älteste christliche Mariengebet beginnt, und die beiden ihre Ehe somit unter den Schutz der Gottesmutter Maria stellten. Der Hochzeitstag ist nunmehr der liturgische Gedenktag des Seligen Karl. Nach der Ermordung seines Onkels Franz Ferdinand in Sarajevo im Jahr 1914 wurde Karl Kronprinz und folgte Kaiser Franz Josef, der am 21. November 1916 in Wien starb, auf den kaiserlichen und königlichen Thron. Vom ersten Moment seiner Regentschaft an versuchte er alles in seiner Macht stehende zu tun, um Frieden zu erreichen und die große Tragödie zu beenden, die der Erste Weltkrieg vor allem in Europa brachte. Bei diesem Bemühen achtete er aufmerksam auf die Friedensinitiativen von Papst Benedikt XV. (1914-1922), der diesen großen Krieg ein „sinnloses Blutvergießen“ (nutzloses Massaker) nannte, eine große Katastrophe, welche die Welt heimgesucht hat (vgl. Friedensnote Dès les débuts vom 01. August 1917 an die Staatsoberhäupter der kriegsführenden Länder). Hierauf hat Papst Johannes Paul II. bei der Seligsprechung von Kaiser Karl am 03. Oktober 2004 hingewiesen und sein stetes Bemühen hervorgehoben, den Willen Gottes zu suchen, der in diesen tragischen Zeiten der Geschichte kein anderer als der Wille zum Frieden gewesen war. „Die entscheidende Aufgabe des Christen besteht darin, in allem Gottes Willen zu suchen, zu erkennen und danach zu handeln. Dieser täglichen Herausforderung stellte sich der Staatsmann und Christ Karl aus dem Hause Österreich. Er war ein Freund des Friedens. In seinen Augen war der Krieg ‚etwas Entsetzliches‘. Mitten in den Stürmen des Ersten Weltkriegs an die Regierung gelangt, versuchte er die Friedensinitiative meines Vorgängers Benedikt XV. aufzugreifen“ (Johannes Paul II., Predigt bei der Seligsprechung, 03. Oktober 2004). Auch der Heilige Vater Franziskus hat die Anstrengungen um den Frieden von Kaiser Karl gewürdigt: „Karl von Österreich war in erster Linie ein guter Familienvater und als solcher ein Diener des Lebens und des Friedens. Er kannte den Krieg, denn er war zu Beginn des Ersten Weltkrieges ein (einfacher) Soldat. Nach Antritt der Herrschaft im Jahr 1916 war er empfindsam für die Stimme von Papst Benedikt XV. und hat sich mit all seinen Kräften für den Frieden eingesetzt, auch auf die Gefahr hin, nicht verstanden und verlacht zu werden. Auch darin gibt er uns ein höchst aktuelles Beispiel, und wir können ihn als Fürsprecher anrufen, dass Gott den Frieden für die Menschheit erhalte“ (Papst Franziskus, Grußwort an die Mitglieder der Familie von Habsburg, Vatikan, 05. Oktober 2016). So überrascht es nicht, dass er nach der Niederlage im Ersten Weltkrieg dennoch am Te Deum an Silvester 1919 teilnehmen wollte. Auf die Frage nach dem Grund für dieses Ansinnen gab er zur Antwort: „Wichtig ist, dass die Völker den Frieden wiedergefunden haben“ und deswegen sei es gut und richtig, Gott zu danken. Bei der Seligsprechung hob Papst Johannes Paul II. den sozialen Aspekt der Handlungen des Kaisers und seine Sorge für die Hilfsbedürftigen hervor. „Von Anfang an verstand Kaiser Karl sein Herrscheramt als heiligen Dienst an seinen Völkern. Sein ernstes Bestreben war es, der Berufung des Christen zur Heiligkeit auch in seinem politischen Handeln zu folgen. Dabei war ihm der Gedanke der sozialen Liebe wichtig. Sei er uns allen ein Vorbild, besonders denen, die heute in Europa politische Verantwortung tragen“ (ebd.). Vor seinem Tod sagte der Selige Karl: „Ich habe immer danach gesucht, den Willen Gottes zu kennen und ihn auf stets vollkommenere Weise zu erfüllen“. An seinem Todestag setzte ein Priester das Allerheiligste Sakrament im Sterbezimmer aus und Karl rief: „Jesus, ich vertraue auf dich. Jesus, in dir lebe ich, in dir sterbe ich. Jesus, dein bin ich, im Leben und im Tod“.
Gebet um Frieden in Ukraine
In dieser Eucharistiefeier wollen wir besonders für den Frieden in Ukraine beten. Der Selige Karl war Galizien besonders zugetan, das Teil des Kaiserreiches Österreich war und heute zu Ukraine gehört. Am Hochfest der Verkündigung des Herrn am 25. März 2022 hat der Heilige Vater in Gemeinschaft mit allen Bischöfen der Katholischen Weltkirche die Welt und vor allem Russland und Ukraine dem Unbefleckten Herzens Marien geweiht. Mit diesem Akt wollte der Papst die Fürsprache der Gottesmutter, der Königin des Friedens, erflehen, damit das unermessliche Leid der ukrainischen Bevölkerung aufhöre, das über die Menschen nach dem Einmarsch der russischen Armee gekommen ist. Angesichts der dramatischen und tragischen Ereignisse rebelliert in der ganzen demokratischen Welt das Gewissen. Elementare Normen von Ethik und Moral wurden in diesem Fall ebenso gebrochen wie das Völkerrecht. „Du sollst nicht töten“ heißt das fünfte Gebot des Herrn, das kraftvoll in den Herzen und im Geist vieler Menschen guten Willens widerhallt. Jene, die töten oder töten lassen, werden dem Gericht unterworfen, nicht allein den internationalen Tribunalen, sondern dem Gericht Gottes, der barmherzig und zugleich gerecht ist. Mit diesem Angriffskrieg der Russischen Föderation auf Ukraine wurden fundamentale Normen des Internationalen Rechts gebrochen und ein Sicherheitssystem zerstört, das sich nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges in Europa entwickelt hatte. Es ist nicht erlaubt, in ein souveränes und unabhängiges Land einzumarschieren, das Mitglied der Vereinten Nationen ist, um die demokratisch gewählte und rechtmäßige Regierung zu stürzen und ein ganzes Volk unterwerfen zu wollen. Das Gewissen rebelliert, wenn Städte, Häuser, Schulen, Kirchen, Krankenhäuser wahllos bombardiert werden und unschuldige Menschen umgebracht werden.
Angesichts dieser großen Katastrophe verstehen wir die Worte des Heiligen Paulus besser, die nicht nur Menschen zugeschrieben werden, sondern auch den unsichtbaren Kräften des Bösen und den Schrecken von Krieg und Gewalt. „Denn wir haben nicht gegen Menschen aus Fleisch und Blut zu kämpfen, sondern gegen Mächte und Gewalten, gegen die Weltherrscher dieser Finsternis, gegen die bösen Geister in den himmlischen Bereichen“ (Eph 6,12). Daher müssen auch wir Christen „die Waffenrüstung Gottes anziehen, um den listigen Anschlägen des Teufels zu widerstehen“ (Eph 6,11). Beten wir, dass diese Barbarei schnellstens ende, das Blutvergießen aufhöre und dass Ukraine und jedes Land in Frieden und Freiheit leben kann, fernab jeder Tyrannei und Diktatur. Zugleich wollen wir das Mögliche tun, um die Leiden der Kriegsopfer, der Flüchtlinge und an Leib und Seele Verwundeten zu lindern. Der Friede möge mit Gottes Hilfe auf unseren geliebten Kontinent Europa zurückkehren, der dem Seligen Kaiser Karl und seiner ganzen Familie bis in unsere Tage so sehr am Herzen lag und liegt.
Vertrauen wir unsere Gebete unseren heiligen Fürsprechern an, dem Seligen Karl von Österreich und vor allem der seligen Jungfrau und Gottesmutter Maria, der Königin des Friedens, unter deren Schutz wir fliehen. Sie mögen für uns bei Gott die Gabe des Heiligen Geistes erbitten, auf dass wir unser christliches Leben auf dem Felsen Jesu Christi errichten können. Er gibt uns die Gnade, in dieser dunklen Stunde der Menschheitsgeschichte den tieferen Sinn seiner Worte zu verstehen: „Nicht jeder, der zu mir sagt: Herr! Herr!, wird in das Himmelreich kommen, sondern wer den Willen meines Vaters im Himmel tut“ (Mt 7,21). Amen.