Predigt von Nuntius Eterovic bei der 400-Jahrfeier der Stadtprozession Werne

Werne, 18. Juni 2023

(Ex 19,2-6; Ps 100; Röm 5,6-11; Mt 9,36-10,8)

11. Sonntag im Jahreskreis – LJ A

„Geht und verkündet: Das Himmelreich ist nahe!“ (Mt 10,7).

Exzellenz, verehrter Bischof Dr. Felix Genn,

Sehr geehrter Herr Bürgermeister Lothar Christ,

verehrter Herr Pfarrdechant Jürgen Schäfer,

liebe Mitbrüder und Ordensleute,

sehr geehrte Vertreterinnen und Vertreter der Religionen, der

Stadt, aus Politik und Verwaltung,

liebe Brüder und Schwestern!  

Das Wort Gottes: „Geht und verkündet: Das Himmelreich ist nahe! (Mt 10,7) richtet sich an alle Christen, die gerufen sind, glaubwürdige Jünger des Herrn und eifrige Verkünder Seines Evangeliums zu sein durch die Sendung, denen in der Nähe und den Fernen „Gottes große Taten (zu) verkünden“ (Apg 2,11). Diese Aufforderung Jesu Christi richtet sich heute besonders an die Christen und Bewohner Eurer schönen Stadt Werne, die seit 400 Jahren für den besonderen Schutz des allmächtigen und barmherzigen Gott mit einer Stadtprozession dankt, weil sie in einem dramatischen Augenblick der Stadtgeschichte vor Unheil bewahrt worden ist. Nachdem an dieses Ereignis der Hilfe Gottes erinnert worden ist (I), wollen wir bei zwei aktuellen Aspekten des christlichen Lebens verweilen, die uns die Lesungen dieses Elften Sonntags im Jahreskreis bieten: einmal die apostolische Dimension der Kirche (II) und zum anderen der Auftrag zur Evangelisierung, der allen Gliedern der Kirche aufgegeben ist (III).

1. „Als Jesus die vielen Menschen sah,hatte er Mitleid mit ihnen“ (Mt 9,36).

Der Herr Jesus zeigt sich oft als der gute Hirt, der seine Herde gut kennt (vgl. Joh 10,1-18), das heißt die Menschen, die gekommen sind, um mit ihm in Kontakt zu treten, und denen er das Evangelium, die Frohe Botschaft verkündet. Er war beseelt von tiefem Mitgefühl für das Leben jedes Menschen und es berührt ihn, wenn er die körperlichen und seelischen Leiden bemerkt, welche Menschen bedrücken. Bei seinen Zeitgenossen berührt ihn besonders die geistliche Verlassenheit und fehlende spirituelle Führung durch die verschlungenen Pfade der Menschheitsgeschichte. Daher war er betroffen, als er die Menge sah, „denn sie waren müde und erschöpft wie Schafe, die keinen Hirten haben“ (Mt 9,36). Der Herr aber blieb nicht passiv und begnügte sich nicht damit, Mitleid zu haben, sondern war entschlossen, durch Gebet und Tat die Situation zu verändern.

Liebe Schwestern und Brüder, auch die Geschichte der Stadt Werne, die im Jahr 1622 während des Dreißigjährigen Krieges von Zerstörung verschont wurde, kann man mit der Optik des Mitgefühls Jesu lesen. Gott hatte Mitleid mit den Bewohnern dieser Stadt, mit den Menschen und ihrem Hab und Gut, und rettete sie vor der Verwüstung, die in dieser Zeit weite Teile Europas und vor allem Deutschlands erfasst hatte. Die Antwort auf diese besondere Gnade verdient bis heute Hochachtung, denn der Rat der Stadt entschied, zum Dank in jedem Jahr eine festliche Heilige Messe zu feiern und eine eucharistische Prozession durch die Straßen ihrer Stadt zu veranstalten. Dieses Gelübde Eurer Vorfahren wird seit 400 Jahren gehalten. Als Vertreter des Heiligen Vaters Franziskus, den ich die Ehre habe, in der Bundesrepublik Deutschland zu vertreten, freue ich mich, dieser Eucharistiefeier vorstehen zu können und an der anschließenden Prozession teilzunehmen. Ich nehme dies zum Anlass, Euch die herzlichen Grüße des Bischofs von Rom und Hirten der Universalkirche zu übermitteln, der das Symbol der Einheit in Liebe der Katholischen Kirche ist. Am Ende dieser Heiligen Messe erteile ich Euch hier und allen, die mit uns geistliche verbunden sind, vor allem den alten und kranken Menschen, gerne den Apostolischen Segen.

2. „Dann rief er seine zwölf Jünger zu sich“ (Mt 10,1).

Im nicäno-konstantinopolitanischen Glaubensbekenntnis bekennen wir: „Ich glaube an die eine, heilige, katholische und apostolische Kirche“. Das Evangelium, das wir gehört haben, hilft uns, die apostolische Dimension der Kirche besser zu verstehen. Jesus Christis hat die zwölf Apostel eingesetzt, damit sie die Gläubigen geistlich leiten. Der Evangelist erinnert deren Namen. Den Namen des ersten Apostels, Simon, ändert Jesus in Petrus, um seine besondere Sendung, die er für ihn vorgesehen hatte, anzuzeigen (vgl. Mt 10,2). Das Kollegium der zwölf Apostel, das an die zwölf Stämme Israels erinnert, wird zum Fundament der Kirche, dem Volk Gottes des Neuen Bundes. Die Apostel waren Zeugen des öffentlichen Wirkens Jesu, seiner Lehre ebenso wie der Wunder, die er wirkte, vor allem aber seiner Auferstehung (vgl. Apg 1,21-22). Der Herr Jesus hat sie ausgesandt, denn das Wort απόστολος bedeutet Gesandter, um das Evangelium zu verkünden und die Kranken zu heilen: „Geht und verkündet: Das Himmelreich ist nahe! Heilt Kranke, weckt Tote auf, macht Aussätzige rein, treibt Dämonen aus“ (Mt 10,7-8). Dabei handelt es sich um eine Gnade Gottes für die Menschen, die darum nicht zur käuflichen Ware gemacht werden darf, denn es gilt das Wort des Meisters: „Umsonst habt ihr empfangen, umsonst sollt ihr geben“ (Mt 10,8).

Liebe Brüder und Schwestern, danken wir dem dreieinen Gott für die Gabe, Glieder der katholischen und apostolischen Kirche zu sein. Bei der apostolischen Dimension ist zu unterstreichen, dass die Päpste, die Bischöfe von Rom, in ihrer Person die Nachfolger des ersten Papstes, des heiligen Petrus sind, der von Jesus selbst hierfür auserwählt worden war. Nach dem Prinzip der Sukzession ist Papst Franziskus der 265. Nachfolger des heiligen Petrus. Im Unterschied dazu sind alle anderen Bischöfe der Katholischen Kirche Nachfolger des Apostelkollegiums und sind durch die Bischofsweihe und den Auftrag des Heiligen Vaters hierin eingegliedert, weswegen sie auch mit dem Haupt dieses Kollegiums in Einheit verbunden bleiben. Für jeden Katholiken ist wesentlich, in Gemeinschaft mit dem Oberhirten seiner jeweiligen Diözese zu bleiben, also hier in Werne mit dem Bischof des verehrten Bistums Münster, Mons. Dr. Felix Genn, mit dem ich heute gemeinsam diese festliche Eucharistie feiere. Die Ortsbischöfe ihrerseits müssen in Gemeinschaft mit dem Papst sein und bleiben: „Daher stellen die Einzelbischöfe je ihre Kirche, alle zusammen aber in Einheit mit dem Papst die ganze Kirche im Band des Friedens, der Liebe und der Einheit dar“ (Lumen Gentium, 23).

3. „Die Ernte ist groß, aber es gibt nur wenig Arbeiter“(Mt 9,37).

Die Feststellung, dass es zu wenig Arbeiter für die große Ernte gibt, galt nicht nur zur Zeit Jesu, sondern gilt auch in unseren Tagen, weswegen der Herr als erstes zum Gebet aufruft: „Bittet also den Herrn der Ernte, Arbeiter für seine Ernte auszusenden“ (Mt 9,38). In der Folge hat er seine wichtigsten Mitarbeiter, die Apostel berufen. Auch hier gilt: das Gebet wird durch Tun begleitet. Es ist wichtig, jene Kandidaten angemessen vorzubereiten, die Gott in den Dienst der Kirche und des Evangeliums beruft. Im Kontext der Wahl der Apostel scheint sich das Gebet Jesu auf die Zwölf und ihre Nachfolger im Bischofsamt und dem priesterlichen Dienst zu beziehen. Doch das Wort Gottes, das wir gehört haben, spricht von einem zweifachen Priestertum. Im Buch Exodus lässt Gott durch den Patriarchen Mose verkünden: „Ihr aber sollt mir als ein Königreich von Priestern und als ein heiliges Volk gehören“ (Ex 19,6). Diese Worte meinen also alle Glieder des jüdischen Volkes, das Gott sich erwählt hat. Diese Wirklichkeit bleibt auch im Neuen Testament aktuell. Es genügt, an das zu erinnern, was der heilige Petrus, der erste Papst schreibt: „Ihr aber seid ein auserwähltes Geschlecht, eine königliche Priesterschaft, ein heiliger Stamm, ein Volk, das sein besonderes Eigentum wurde, damit ihr die großen Taten dessen verkündet, der euch aus der Finsternis in sein wunderbares Licht gerufen hat“ (1 Petr 2,9). Daher gibt es ein gemeinsames, ein königliches Priestertum, das durch Taufe und Firmung empfangen wird, und das Amtspriestertum, das in der Priesterweihe gespendet wird. Beide dienen dem Aufbau der Kirche. Hierzu lehrt das Zweite Vatikanische Konzil: „Das gemeinsame Priestertum der Gläubigen aber und das Priestertum des Dienstes, das heißt das hierarchische Priestertum, unterscheiden sich zwar dem Wesen und nicht bloß dem Grade nach. Dennoch sind sie einander zugeordnet: das eine wie das andere nämlich nimmt je auf besondere Weise am Priestertum Christi teil. Der Amtspriester nämlich bildet kraft seiner heiligen Gewalt, die er innehat, das priesterliche Volk heran und leitet es; er vollzieht in der Person Christi das eucharistische Opfer und bringt es im Namen des ganzen Volkes Gott dar; die Gläubigen hingegen wirken kraft ihres königlichen Priestertums an der eucharistischen Darbringung mit und üben ihr Priestertum aus im Empfang der Sakramente, im Gebet, in der Danksagung, im Zeugnis eines heiligen Lebens, durch Selbstverleugnung und tätige Liebe“ (Lumen Gentium, 10). Beten wir um Priesterberufungen, damit es immer Priester gibt, die überall die Eucharistie feiern, besonders hier in Werne, auf dass auch in Zukunft diese schöne Tradition der festlichen Feier der Heiligen Messe und der eucharistischen Prozession begangen werden kann.

Beten wir aber auch, dass die Zahl der Gläubigen wachse, die ihrer priesterlichen Berufung bewußt sind, welche sich vor allem im persönlichen, familiären und sozialen Leben, im Gebet und in Werken der Liebe ausdrückt, besonders gegenüber den an Seele und Leib hilfsbedürftigen Menschen.

Liebe Schwestern und Brüder, vertrauen wir diese guten Vorsätze der Fürsprache der seligen Jungfrau Maria an, der Mutter der Kirche, damit diese 400-Jahrfeier der Gelübde der Stadt Werne für die Christen eine Gelegenheit werde, den eigenen Glauben an den Gott, den Vater, Sohn und Heiligen Geist zu erneuern und die Sendung anzunehmen, die wir vom Herrn Jesus empfangen haben: „Geht und verkündet: Das Himmelreich ist nahe!“ (Mt 10,7).

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