Predigt von Nuntius Eterovic zur 12. Wallfahrt zum Geschändeten Heiland nach Waldsassen
Stiftsbasilika zu Waldsassen, 16. September 2018
(Jes 50,5-9; Ps 145; Jak 2,14-18; Mk 8,27-35)
24. Sonntag im Jahreskreis – LJ B
„Du bist der Messias!“ (Mk 8,29).
Liebe Brüder und Schwestern!
Wir sind in dieser prachtvollen Stiftsbasilika von Waldsassen zur 12. Wallfahrt zum Geschändeten Heiland versammelt. Ich danke dem dreieinen Gott für die Gnade seiner großen Güte und Barmherzigkeit, daß ich mit Euch diesen Tag feiern kann. Der beste Dank an die göttliche Vorsehung für diese Feier ist die Heilige Eucharistie, die wesentlich eine Gnadenhandlung an Gottvater für das Opfer seines eingeborenen Sohnes im Heiligen Geist ist. Dieser Gnadenhandlung fügen wir unseren persönlichen und gemeinschaftlichen Dank an, auf daß Gott immer und überall gepriesen werde, besonders in dieser schönen Stadt Waldsassen und der Oberpfalz.
Ich freue mich, Euren Hochwürdigen Herrn Stadtpfarrer Thomas Vogl zu grüßen und ihm für die freundliche Einladung zu danken, dieser Heiligen Messe vorzustehen. Seine Einladung, die ich gerne angenommen habe, gibt mir die Gelegenheit, Euch allen die herzlichen Grüße des Heiligen Vaters zu übermitteln, des Bischofs von Rom und Hirten der Universalkirche, den ich die Ehre habe, in der Bundesrepublik Deutschland zu vertreten. In dieser Eucharistiefeier wollen wir besonders für Papst Franziskus beten, der das Symbol der Einheit der über die ganze Erde verstreuten Katholischen Kirche ist. Unser Gebet soll auch der Ausdruck unserer erneuerten Gemeinschaft mit dem Bischof von Rom sein, welcher der ganzen Kirche in der Liebe vorsteht. Als Zeichen der Einheit mit dem 265. Nachfolger des Simon Petrus erteile ich Euch am Ende der Eucharistiefeier den Apostolischen Segen, der sich auch über alle Mitglieder Eurer Familien und der Pfarrgemeinde erstreckt.
Das Wort Gottes an diesem 24. Sonntag im Jahreskreis fügt sich gut ein in das Thema Eurer Wallfahrt. Wir sind offen für den Heiligen Geist und verweilen besonders beim Text des Evangeliums über die Frage nach der Identität Jesu Christi, wie sie von den Menschen gesehen wird (I) und von den Aposteln (II), damit wir sodann (III) vor Gott und unserem Gewissen auf die Frage antworten können, die der Herr an jeden von uns richtet: „Ihr aber, für wen haltet ihr mich?“ (Mk 8,29).
1. „Für wen halten mich die Menschen?“ (Mk 8,27).
Auf die Frage des Herrn berichteten die Jünger von den gängigen Meinungen ihrer Landsleute über Jesus. Einige hielten Jesus „für Johannes den Täufer, andere für Elija, wieder andere für sonst einen von den Propheten“ (Mk 8,28). Die Meinung der jüdischen Gemeinde war verständlich, denn Jesus lehrte das Volk mit Autorität, worin er Johannes dem Täufer ähnlich war. Der Herr Jesus tat Wunder wie der mächtige Prophet Elija, weswegen man den Vergleich der beiden versteht. Elija war außerdem nach der Bibel lebendig zum Himmel aufgefahren. Daher erwartet man seine Rückkehr zu den Menschen vor dem Kommen des Messias. Für andere spiegelte Jesus ihr Verständnis eines Propheten, der von Gott zum Dienst am Volk gesandt ist.
Was würden unsere Zeitgenossen auf eine so einfache Frage antworten? Mit Bezug auf verschiedene Umfragen können wir sagen, daß die Antworten sicherlich nicht mit denen der Zeitgenossen Jesu übereinstimmen, weder mit den Namen, noch mit den Inhalten. Die Persönlichkeiten eines Johannes des Täufers oder eines Elija sind den Zeitgenossen fern. Auch die Bezeichnung Prophet hat heute eine andere Bedeutung als zur Zeit Jesu. Mit Blick auf den Inhalt betrachten einige Menschen unserer Zeit Jesus weniger vom religiösen Standpunkt aus, sondern sehen in ihm vielmehr einen großen Humanisten, der das Gute tat und allen geholfen hat, die es nötig hatten, einen Idealisten, der die Beziehungen zwischen den Menschen verbessern wollte. Andere unterstreichen seine soziale Lehre und sehen in ihm den ersten Sozialisten, der sich für eine bessere Welt eingesetzt hat. Einige nennen ihn einen Revolutionär und reduzieren seine Mission auf eine politisch-soziale Dimension. In unserer Zeit wächst sodann die Zahl derer, die an der Person Jesu Christi uninteressiert sind und erklären, sie seien ohne Religion (religionslos). Damit träfen sie auch, mehr oder weniger, kein Urteil über Jesus von Nazareth. In diesem Zusammenhang haben die Christen die Pflicht, die Erinnerung an die Person Jesu lebendig zu halten und mit neuer Sprache und erneuerter Dynamik sein Evangelium den Menschen vorzuschlagen, die auch die gute Nachricht für jene Personen ist.
2. „Ihr aber, für wen haltet ihr mich?“ (Mk 8,29).
Im Namen der Apostel hat Petrus, inspiriert vom Heiligen Geist, mit Überzeugung auf diese Frage geantwortet: „Du bist der Messias!“ (Mk 8,29). Man versteht allerdings aus dem Verlauf des Gespräches mit dem Herrn, daß er den Inhalt eines solchen Bekenntnisses nicht wirklich tief verstanden hat. Offensichtlich aber hat Jesus die Antwort des Petrus gefallen, die ihn als Christus anerkennt, als Gesalbten Gottes, was Messias bedeutet. Jesus wusste aber, daß das Volk einen politischen Messias erwartete, der mit Gewalt das jüdische Volk von der römischen Unterdrückung befreien würde. Weil er nicht wollte, daß sich solch falsche Erwartungen verbreiten, „gebot ihnen Jesus, niemandem etwas über ihn zu sagen“ (Mk 8,30). In ähnlicher Weise hatte sich Jesus nach der wunderbaren Brotvermehrung verhalten, als die Menge ihn zum König machen wollte. „Daher zog er sich wieder auf den Berg zurück, er allein“ (Joh 6,15).
Die Messianität Jesu ist von anderer Natur, was er seinen Jüngern zu erklären suchte: „Er begann, sie darüber zu belehren: Der Menschensohn muss vieles erleiden und von den Ältesten, den Hohepriestern und den Schriftgelehrten verworfen werden; er muss getötet werden und nach drei Tagen auferstehen“ (Mk 8,31). Diese Aussage war hart für den Apostel Petrus, der den Meister vom Kreuzweg abbringen wollte. Diese Haltung zeigt, daß Petrus und die anderen Apostel die Erwartung des Volkes teilten und einen Messias als sozialen und politischen Befreier erwarteten. Die Reaktion Jesu ist sehr klar, und mit harschen Worten tadelt er Petrus: „Weg mit dir, du Satan! Denn du hast nicht das im Sinn, was Gott will, sondern was die Menschen wollen“ (Mk 8,33). Und der Herr hat den Kreuzweg als Weg zum Sieg der Auferstehung bekräftigt. Dabei handelt es sich nicht nur um sein Leben, sondern um das eines jeden Christen, denn Jesus hat gesagt: „Wenn einer hinter mir hergehen will, verleugne er sich selbst, nehme sein Kreuz auf sich und folge mir nach“ (Mk 8,34). Außerdem betont der Herr die Wichtigkeit der Umkehr, der Änderung des Lebens seiner Jünger, um das Heil zu erlangen: „Denn wer sein Leben retten will, wird es verlieren; wer aber sein Leben um meinetwillen und um des Evangeliums willen verliert, wird es retten“ (Mk 8,35). Um diese Worte in rechter Weise zu verstehen, müssen wir uns daran erinnern, daß Gott die Liebe ist (1 Joh 4,8) und daß Er uns in seinem Sohn Jesus Christus bis zum Ende geliebt (vgl. Joh 13,1) und sein Leben für uns und zu unserem Heil hingegeben hat. In ähnlicher Weise muss auch ein Jünger Jesu den Egoismus abtöten, um von der Liebe zu Gott und dem Nächsten in der eigenen Familie, bei den Begegnungen mit dem Nächsten im Umfeld von Leben und Arbeit erfüllt zu sein. Allein mit der Liebe lässt sich die menschliche und christliche Berufung verwirklichen und das ewige Leben gewinnen.
3. Was antworten wir auf die Frage Jesu?
Wer ist Jesus für uns? Jeder Christ sollte mit den Worten des Petrus bekennen: „Du bist der Messias“. Wir wissen aber aus dem Dialog zwischen Petrus und Jesus, daß dieses verbale Bekenntnis nicht ausreicht. Es ist vielmehr nötig, seine Bedeutung zu verstehen und besonders das Geheimnis des Kreuzes anzunehmen. Das war schon nicht einfach für Petrus, und es ist nicht einfach für uns. Dennoch wiederholt uns der Herr nachdrücklich die Aufforderung, das Kreuz anzunehmen und ihm zu folgen. Es gibt kein Christentum ohne Kreuz. Diesbezüglich unterstreicht Papst Franziskus, daß „das Kreuz ein Geheimnis der Liebe ist, das uns mahnt, die beiden geistlichen Versuchungen zu vermeiden: jene, Christus ohne Kreuz zu denken, und jene, das Kreuz ohne Christus“ (Heilige Messe am 14. September 2017).
Das Kreuz des Geschändeten Heilands in Waldsassen erinnert uns an diese Wahrheit des Glaubens, das heißt, Jesus Christus hat es auf seinen Schultern getragen, er wurde gekreuzigt und ist am Holz des Kreuzes gestorben. Aber das Kreuz ist allein die erste Stufe des Heilsgeheimnisses. Nach drei Tagen ist der Herr auferstanden und er ist zum Himmel aufgefahren und sitzt zur Rechten des Vaters. So wurde das Kreuz vom Zeichen der Niederlage und des Todes zum Symbol des Sieges des Guten über das Böse, des Lebens über den Tod.
Wenn wir die Bedeutung des Kreuzes für jeden von uns persönlich und als Mitglied der Gemeinde betrachten, erfassen wir die Einladung des Herrn: Wenn du mir nachfolgst, verleugne dich selbst und nimm dein Kreuz auf dich. Im Bewußtsein, daß es kein Christentum ohne Kreuz geben kann, folgen wir Jesus Christus und entdecken dabei die Fruchtbarkeit des Kreuzes, das zum Leben und zur Auferstehung führt. Erbitten wir vom Herrn die Gnade, stets im Kreuz den gekreuzigten Jesus zu sehen. Ohne den Herrn würde das Kreuz unerträglich schwer, bedrückend und hoffnungslos. Er aber versichert uns vom Kreuz herab: „Kommt alle zu mir, die ihr mühselig und beladen seid! Ich will euch erquicken. Nehmt mein Joch auf euch und lernt von mir; denn ich bin gütig und von Herzen demütig; und ihr werdet Ruhe finden für eure Seele“ (Mt 11,28-29). Mit Christus erhalten unsere Kreuze, die kleinen wie die großen, eine tiefe Bedeutung und werden zum Heilszeichen und zu Mitteln der Versöhnung. Der Geschändete Heiland zeigt unter anderem diese Kraft des gekreuzigten Christus, der die Versöhnung zwischen zwei benachbarten Völkern wollte, den Deutschen und den Tschechen, indem er den Weg des Verzeihens und des Friedens, der Einheit und der Brüderlichkeit eröffnete. Im Kreuz des geschändeten Heilands, der ohne Arme aufgefunden und gerettet wurde, wird der Beginn eines Gebetes aus dem 4. Jahrhundert verständlich, der diesen Weg als unseren Auftrag unterstreicht: „Christus hat keine Hände, nur unsere Hände, um seine Arbeit heute zu tun“.
Liebe Brüder und Schwestern, unter dem Kreuz stand seine und unsere Mutter, die selige Jungfrau Maria (Joh 19,25), die Mutter der Kirche und der Patron dieser herrlichen Kirche, der Heilige Johannes Evangelist. Ihrer mächtigen Fürsprache vertrauen wir unser Leben und unsere christliche Berufung an. Geführt vom Heiligen Geist wollen wir mit Worten bekennen, aber vor allem mit unserem Leben bezeugen, daß Jesus der Christus ist: „Du bist der Messias“ (Mk 8,29), was bedeutet, er ist der Heiland der Welt zur Ehre Gottes des Vaters. Amen.