Predigt von Nuntius Eterovic zur Rückführung des Gnadenbildes nach der Renovierung der Gnadenkapelle in Altötting

Stiftskirche zu Altötting, 30. Oktober 2022

(Weish 11,22-12,2; Ps 144; 2 Thess 3, 1-11-2,2; Lk 19, 1-10)

31. Sonntag im Jahreskreis - LJ C

„Denn der Menschensohn ist gekommen, um zu suchen und zu retten, was verloren ist.“ (Lk 19, 10)

Exzellenz,
liebe Brüder und Schwestern,

In diesem berühmten Marienwallfahrtsort, Unserer Lieben Frau von Altötting, kommen einem spontan die Worte in den Sinn, die die Mutter Jesu bei der Hochzeit zu Kanaan in Galiläa an die Diener richtete: „Was er euch sagt, das tut!“ (Joh 2,5). Maria ist auch unsere Mutter und Mutter der Kirche und sagt uns daher auch heute, auf das zu hören und zu tun, was der Herr Jesus uns sagt. Wie in Kanaan ist er auch heute bereit, Wunder zu vollbringen, vor allem auf die Fürsprache der Heiligen Jungfrau Maria. Sie ist eng und untrennbar mit ihrem Sohn Jesus verbunden, wie auch ihre schöne Statue in Altötting zeigt. Maria trägt das Jesuskind in ihren Armen. Deshalb bin ich sehr dankbar für die Einladung, dieser Heiligen Messe (I) vorzustehen und Ihnen einige Gedanken vorzutragen, die Jesus Christus auf die Bitte der Gottesmutter an uns richtet, insbesondere durch das Wort Gottes, das wir gehört haben. Sie lädt uns ein, das wahre Bild Gottes wiederzuentdecken (II), der nicht gekommen ist, um die Gerechten zu rufen, sondern die Sünder (vgl. Mt 9,13), wie der Fall des Zöllners Zachäus zeigt (III).

1) „Was er euch sagt, das tut!“ (Joh 2,5)

Ich danke Seiner Exzellenz Dr. Stefan Oster, Bischof von Passau, sowie Hochwürden Dr. Klaus Metzl, Wallfahrtsrektor, sehr herzlich für die freundliche Einladung, der feierlichen Eucharistiefeier anlässlich der Rückführung des verehrten Marienbildes aus der Stiftspfarrkirche an seinen angestammten Platz in der Gnadenkapelle nach ihrer Restaurierung vorzustehen. Zu diesem feierlichen Anlass gilt der Dank auch dem Bauleiter, Herrn Wolfgang Wegner, sowie allen, die in der relativ kurzen Zeit von acht Monaten liebevoll und professionell zur hervorragenden Restaurierung der Gnadenkapelle beigetragen haben. Neben der Ehre, daran teilzunehmen, bietet mir diese Feierlichkeit die willkommene Gelegenheit, allen die herzlichsten Grüße des Heiligen Vaters Franziskus als sein Vertreter in der Bundesrepublik Deutschland zu übermitteln. In diesem Zusammenhang ist die tiefe Verbundenheit des Altöttinger Heiligtums mit mehreren Päpsten erwähnenswert. Viele Menschen erinnern sich noch an die apostolischen Besuche des Heiligen Johannes Paul II. am 18. November 1980 und des emeritierten Papstes Benedikt XVI. am 11. September 2006, dem edlen Sohn dieses gesegneten Landes. Als Zeichen der tiefen Einheit des Glaubens, der Hoffnung und der Nächstenliebe mit dem Heiligen Vater Franziskus werde ich am Ende der Heiligen Messe allen Anwesenden den Apostolischen Segen erteilen, ebenso wie allen Ihren Angehörigen und insbesondere denjenigen, die aus verschiedenen Gründen, vor allem wegen Krankheit, nicht teilnehmen konnten.

2) „Herr, du Freund des Lebens“ (Weish 11,26)

Die selige Jungfrau Maria war sehr vertraut mit der Heiligen Schrift, also mit den heiligen Büchern des Volkes Israel. Das können wir aus den marianischen Bezügen in den Schriften des Neuen Testaments schließen, insbesondere aus dem Magnifikat, einem Hymnus an den allmächtigen und guten Gott. Sie dankt Gott, denn „Er nimmt sich seines Knechtes Israel an / und denkt an sein Erbarmen, das er unsern Vätern verheißen hat, / Abraham und seinen Nachkommen auf ewig." (Lk 1,54-55). Es waren nicht nur abstrakte Zitate, sondern das Wort Gottes, das in Maria zum Wort des Lebens wurde, zum Licht, das ihren täglichen Weg, ihre Beziehung zu Gott und zu ihrem Nächsten erhellte. Deshalb kannte die Jungfrau von Nazareth auch den Abschnitt aus dem Buch der Weisheit, der uns das Geheimnis Gottes offenbart, damit wir Gott nicht nur richtig erkennen, sondern auch mit ihm in Berührung kommen, durch das Wort Gottes. Es ist in der Bibel niedergeschrieben und in die Schöpfung der Welt und des Menschen eingeprägt. In dem kurzen Abschnitt aus der ersten Lesung stellt sich Gott zunächst als der Schöpfer vor, der alles liebt, was er geschaffen hat: „Du liebst alles, was ist, / und verabscheust nichts von dem, was du gemacht hast; / denn hättest du etwas gehasst, so hättest du es nicht geschaffen“ (Weish 11,24). Darüber hinaus sorgt Gott in seiner Güte für den Fortbestand der Schöpfung: „Wie könnte etwas ohne deinen Willen Bestand haben / oder wie könnte etwas erhalten bleiben, das nicht von dir ins Dasein gerufen wäre?“ (Weish 11,25). Eine weitere wichtige Eigenschaft unseres Gottes ist die Barmherzigkeit. Gott hat Erbarmen mit allen Menschen, denn er kann alles tun, und er sieht die Sünden der Menschen nicht an, wenn sie Buße tun (vgl. Weish 11,23). In seiner Barmherzigkeit ist Gott geduldig und wartet auf die Bekehrung der Sünder. Der vom Heiligen Geist inspirierte Autor schreibt: „Darum bestrafst du die Sünder nur nach und nach; / du mahnst sie und erinnerst sie an ihre Sünden, / damit sie sich von der Schlechtigkeit abwenden und an dich glauben, Herr.“ (Weish 12,2). Es sei darauf hingewiesen, dass Gottes Handeln durch seine Gegenwart in seinem Schöpfungswerk beeinflusst wird. Deshalb sieht er nicht das Böse im Menschen, sondern den Wunsch nach Glück und Ewigkeit, den er selbst in ihn hineingelegt hat. Gott ist geduldig und straft die Welt und die Menschen nicht hart, denn sein unvergänglicher Geist „in allem“ (Weish 12,1).

3) „Denn der Menschensohn ist gekommen, um zu suchen und zu retten, was verloren ist.“ (Lk 19,10)

Jesus Christus zeigt Gottes Barmherzigkeit in seiner Begegnung mit dem Zöllner Zachäus. Die Zöllner wurden vom Volk Israel verachtet, sie wurden als öffentliche Sünder betrachtet, weil sie Steuern für die fremde Macht, das Römische Reich, eintrieben. Zudem erhöhten sie die Beträge, willkürlich, um sich zu bereichern. Zachäus muss noch unbeliebter als die anderen Zöllner gewesen sein, denn im Lukasevangelium lesen wir, dass er ihr Anführer in Jericho und sehr reich war. Dieser Abscheu blieb auch bestehen, nachdem Jesus das Haus des Zachäus betreten hatte: „Und alle, die das sahen, empörten sich und sagten: Er ist bei einem Sünder eingekehrt.“ (Lk 19,7). Jesus kannte jedoch das Herz von Zachäus, das bereit war, sich zu ändern. Er nahm Jesus freudig in seinem Haus, in der Mitte seiner Familie auf. Das war in der damaligen Kultur von großer Bedeutung: In das Haus eines anderen einzutreten bedeutete, eine dauerhafte Freundschaft zu begründen. Ohne besondere Aufforderung durch Jesus sprach allein Zachäus die Worte der Umkehr und Wiedergutmachung: „Herr, die Hälfte meines Vermögens gebe ich den Armen, und wenn ich von jemandem zu viel gefordert habe, gebe ich ihm das Vierfache zurück.“ (Lk 19,8). Die Freude des Zachäus wird durch die Freude Jesu ergänzt, die in den Worten zum Ausdruck kommt: „Heute ist diesem Haus Heil geschenkt worden, weil auch dieser Mann ein Sohn Abrahams ist.“ (Lk 19,9). Es folgt die Schlussfolgerung, die uns mit großer Hoffnung erfüllt und unsere eigene Bekehrung wie auch die Bekehrung aller Sünder anmahnt: „Denn der Menschensohn ist gekommen, um zu suchen und zu retten, was verloren ist.“ (Lk 19,10).

Liebe Brüder und Schwestern, die selige Jungfrau Maria lädt die Kirche auch heute ein, der Weise des Herrn Jesus bei der Evangelisierung zu folgen. Die Kirche muss für alle offen sein, sie muss bereit sein, jede und jeden mit Sympathie und Liebe aufzunehmen. Wie im Fall des Zöllners Zachäus ist diese Haltung jedoch auf die Bekehrung von Menschen ausgerichtet, die sich von Gott und seinem Gesetz der Liebe abgewandt haben. Mit Gott, dem Vater, dem Sohn und dem Heiligen Geist, durch die Kirche in Kontakt zu kommen, bedeutet auch, die Wahrheit über die eigene Person, die eigenen Fehler und Sünden zu erkennen, um den entscheidenden Schritt der Bekehrung tun zu können. Um es mit den Worten des heiligen Paulus auszudrücken: legen wir den alten Menschen mit seinen sündigen Taten ab und ziehen wir den neuen Menschen an, „der nach dem Bild seines Schöpfers erneuert wird, um ihn zu erkennen.“ (Kol 3,10).

„Was er euch sagt, das tut!“ (Joh 2,5). Die selige Jungfrau Maria, die wir jetzt im Oktober als Unsere Liebe Frau vom Rosenkranz in besonderer Weise verehren, lädt uns ein, nach dem Wort Gottes, das wir gehört haben, Gott als Schöpfer wiederzuentdecken. Dies ist eine anspruchsvolle Wahrheit, denn sie fordert uns auf, sein Werk, die Schöpfung, die Erde, „unser gemeinsames Haus“ (Papst Franziskus, Enzyklika Laudato sì 1) zu achten und unseren christlichen Beitrag zur Ökologie zu leisten. Diese Wahrheit verlangt, dass wir auch die menschliche Ökologie akzeptieren und respektieren, d. h. das Wesen des von Gott geschaffenen Menschen, wie es am Anfang der Bibel beschrieben wird: „Gott erschuf den Menschen als sein Bild, als Bild Gottes erschuf er ihn. Männlich und weiblich erschuf er sie.“ (Gen 1,27). Ein solcher Gott ist mächtig und daher Schöpfer. Aber er ist auch barmherzig und wartet geduldig auf unsere Bekehrung, die der Herr Jesus allen Menschen vorschlägt: „Die Zeit ist erfüllt, das Reich Gottes ist nahe. Kehrt um und glaubt an das Evangelium!“ (Mk 1,15).

Voller Zuversicht wenden wir uns in diesem bedeutenden Heiligtum, dem geistlichen Zentrum des katholischen Bayerns, an die Jungfrau Maria und bitten sie um die Gabe des Glaubens an Gott, den Schöpfer, den guten und barmherzigen Vater, wobei wir auch die Fürsprache des heiligen Bruders Konrad von Parzham erbitten. Möge die „Begnadete“ (Lk 1,28) uns immer zu Jesus, unserem Retter und Erlöser, führen, damit wir seine Jünger und Verkünder seines Evangeliums bleiben. Möge sie uns die Gabe des Heiligen Geistes erflehen, damit wir die Kraft haben, unseren katholischen Glauben auf persönlicher, familiärer und gesellschaftlicher Ebene zu bekennen. Wir beten insbesondere um die Gabe der Einheit in der Kirche und um den Frieden in der Welt.

In diesem dunklen Moment der Geschichte, der von zahlreichen Gewalttaten und Kriegen in der Welt gekennzeichnet ist, und mit Blick auf Ukraine, die Opfer der tragischen Aggression der Russischen Föderation geworden ist, wollen wir uns das Gebet zu eigen machen, das Papst Johannes Paul II. an diesem heiligen Ort gesprochen hat und das nach wie vor sehr aktuell ist: „Dir, Mutter, vertraue ich die Zukunft des Glaubens in diesem alten christlichen Land an; und eingedenk der Bedrängnisse des letzten furchtbaren Krieges, der besonders den Völkern Europas so tiefe Wunden zugefügt hat, vertraue ich Dir den Frieden in der Welt an. Unter diesen Völkern möge eine neue Ordnung entstehen, die sich auf die volle Achtung der Rechte einer jeden Nation und eines jeden Menschen in seiner Nation gründet, eine wahrhaft sittliche Ordnung, in der die Völker zusammenleben können wie in einer Familie durch den gebührenden Ausgleich von Gerechtigkeit und Freiheit.“ Amen.

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