Predigt von Nuntius Eterovic zur Vesper aus Anlass des 70-jährigen Bestehens der Theologischen Fakultät Trier

Jesuitenkirche zu Trier, 25. September 2021

(Jak 3,17-18)

Exzellenzen,
verehrter Magnus Cancelarius Bischof Dr. Stephan Ackermann,
hochwürdiger Herr Rektor Prof. Dr. Brantl,
sehr geehrte Damen und Herren Professoren,
liebe Studentinnen und Studenten, Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter,
Schwestern und Brüder!

Wenn wir heute des 70-jährigen Bestehens der Theologischen Fakultät gedenken und dies in der Vesper in das Lob des dreieinen Gottes münden lassen, so stellt sich die Geschichte dieser ehrwürdigen Einrichtung in das helle Licht des lebendigen Gottes, das alles überstrahlt und jedes Menschenherz und alle Verstandeskraft zu erhellen sucht. Mehr noch ist es unser Verlangen, dass der Geschichte Eurer Fakultät eine von Gott gesegnete Zukunft folgen möge.

Als am 30. September 1950 das neue Kapitel der trierischen Theologischen Fakultät begann, wurde Ihres Patrons gedacht, des Heiligen Hieronymus, der bis heute der Schutzheilige dieser Fakultät ist. Als Landsmann dieses großen Heiligen und Kirchenlehrers erinnere ich daran, dass auch die Theologische Fakultät im dalmatischen Split in Koratien unter seinem Patronat steht und dort ein eigenes Institut in besonderer Weise das reiche Erbe des Hieronymus bewahrt und studiert wird.

Als Vertreter des Heiligen Vaters Franziskus, den ich die Ehre habe, in der Bundesrepublik Deutschland vertrete, übermittle ich seine besten Wünsche und herzlichen Glückwünsche zum 70-jährigen Bestehens Eurer Fakultät und danke allen, die in diesen Jahrzehnten hier gelehrt, studiert und gearbeitet haben. Die bereits Verstorbenen seien der Barmherzigkeit Gottes empfohlen und den Lebenden ein herzliches „Vergelt’s Gott“ gesagt. An das Leben und Wirken des Heiligen Hieronymus erinnert der Bischof von Rom und Hirte der Universalkirche in seinem Apostolischen Schreiben Scripturae sacrae affectus vom 30. September 2020 aus Anlass des 1.600 Todestages Eures Patrons, der im Jahr 420 in Bethlehem seinen irdischen Lebenslauf vollendet hatte. Der Papst skizziert die verschiedenen Stadien und Orte seines Lebens und verweilt bei seiner glühenden Liebe zu Gottes Wort, das er geradezu zärtlich umfasste, bedachte, übersetzte und kommentierte. Hierzu war eine große Kenntnis der biblischen Sprachen und der Kultur, wie auch eine Sprachmächtigkeit und Kenntnis der eigenen römischen Kultur notwendig. Und so stellt der Heilige Vater Franziskus fest: „Wenn, wie geschrieben wurde, »die Grenzen meiner Sprache die Grenzen meiner Welt bedeuten«, dann können wir sagen, dass wir der Vielsprachigkeit des heiligen Hieronymus ein universaleres Verständnis des Christentums verdanken, das gleichzeitig seinen Quellen besser entspricht“ (a.a.o). Jeder, der die biblischen Sprachen an dieser Fakultät studiert, möge sich den Satz des Hieronymus vor Augen halten: „Ich preise Gott für die süßen Früchte, die mir das bittere Sprachenstudium gebracht hat“ (Ep 125,12 und auch Ep 52,3). Die Sprachen sind hierbei so etwas wie das Rüstzeug für eine Theologie, für die mit Papst Franziskus festzuhalten ist: Wenn „die Bibel gleichsam die Seele der heiligen Theologie und sozusagen das geistliche Rückgrat der christlichen Religionsausübung ist, dann muss sich die Auslegung der Bibel unbedingt auf besondere Sachkenntnis stützen“ (a.a.O.). Ob wir dabei „ins Gehäuse“ müssen oder die Wüste brauchen, in die sich Euer verehrter Patron zurückgezogen hat, ist dabei nicht entscheidend, doch braucht jeder einen ihm geeigneten „Ort grundlegender existentieller Entscheidungen, der Vertrautheit und der Begegnung mit Gott, wo er durch Betrachtung, innere Prüfungen, geistlichen Kampf zur Erkenntnis der Schwäche gelangt, mit einem größeren Bewusstsein um die eigenen Grenzen und die Grenzen anderer; er erkennt die große Bedeutung der Tränen. So spürt er in der Wüste die konkrete Gegenwart Gottes, die Notwendigkeit der Beziehung des Menschen zu ihm und seinen barmherzigen Trost“ (a.a.O).

Auch wenn wir die Mahnung des Kohelet hören: „Es nimmt kein Ende mit dem vielen Bücherschreiben und viel Studieren ermüdet den Leib“ (Koh 12,12), so ist das Studieren an der Hand des Heiligen Hieronymus nicht einfach ein Selbstzweck, „sondern eine Übung des geistlichen Lebens, ein Mittel, um zu Gott zu gelangen“ (a.a.O.) Die erworbene Bildung soll dem Nächsten und der Gemeinschaft der Kirche dienen. Im Siegel dieser Fakultät sitzt Hieronymus auf der Kathedra und unterweist einen Löwen, den er der Überlieferung nach von einem Dorn in seiner Tatze befreit und somit zu einem treuen Gefährten machte. Zuweilen erscheint es uns heute, dass auch wir von mächtigen Löwen umringt sind, die angestachelt danach trachten, uns, den Glauben und die Lehre der Kirche zu zerreißen oder wenigstens lächerlich zu machen. Unser eigenes Versagen oder die Schuld von Vertretern der Kirche verdunkeln das Zeugnis, das wir als glaubwürdige Zeugen und eifrige Missionare Jesu Christi und Seines Evangeliums ablegen sollen. Wir können das nur sein, wenn wir uns immer wieder umkehren und auf den Ton zu hören bereit sind, der uns aus der Heiligen Schrift entgegentönt. Mit den Worten von Papst Benedikt heißt das: „Für Hieronymus mußte eine authentische Auslegung der Bibel immer in harmonischer Übereinstimmung mit dem Glauben der katholischen Kirche stehen. Es handelt sich nicht um eine Forderung, die diesem Buch von außen auferlegt würde; die Bibel ist die Stimme des pilgernden Gottesvolkes, und nur im Glauben dieses Volkes befinden wir uns sozusagen in der richtigen Tonart, um die Heilige Schrift zu verstehen“ (Generalaudienz am 14. November 2007).

Mir ist ein Wort des über diese Fakultät hinaus bekannten Liturgiewissenschaftlers Balthasar Fischer (1912-2001) zu Ohren gekommen, der immer wieder sinngemäß sagte: In Trier wurde der Heilige Ambrosius geboren, in Trier hat der Heilige Hieronymus studiert, Trier gewährte dem Heiligen Athanasius Herberge und von Trier aus wurde der Heilige Augustinus bekehrt. Hieronymus soll nach seiner Taufe etwa um das Jahr 370 seine Studien der Grammatik, Rhetorik und Philosophie, die er in Rom begonnen hatte, in Trier fortgesetzt haben, bevor er weiter nach Aquileja zog. Hier in Trier sei ihm das mönchische Klosterleben wohl zum ersten Mal begegnet. Ob er tatsächlich in der Hieronymushöhle auf der anderen Moselseite in Pallien lebte und erste Erfahrungen als Einsiedler machte, bleibt fraglich. Ich möchte Euch aber vielmehr ermutigen, hier in Trier anzukommen und geboren zu werden, um die theologischen Wissenschaft eifrig zu studieren und dieses Asyl zu nutzen, im Glauben an den guten und barmherzigen Gott bekehrt zu werden. Wir alle sollen als Christen erkannt werden und müssen daher Christus kennen. Die Kenntnis des Wortes Gottes und die Erkenntnis Jesu Christi erschöpfen sich nicht in einer theoretischen Betrachtung, sondern fließen über in ein christliches Tun. Das Aneignen des christlichen Erbes durch das Studium befähigt dazu, in der Liebe konkret zu werden und nicht abstrakt „mit vollem Bauch über das Fasten“ zu reden (Ep 52,7). Zurecht wird die Unterweisung und Anleitung zum geistlichen Leben, zum Verständnis der Schrift und der theologischen Wissenschaft in ihrer diakonalen Dimension gesehen, denn nur in der Hinwendung zum menschgewordenen Hermeneuten Jesus Christus ist jemand fähig, ebenso liebevoll und leidenschaftlich dem Nächsten zum Ausleger Gottes zu werden. Und so sind die Werke der Barmherzigkeit nichts anderes, als das ins Tun gewandte Wort oder jene Weisheit von oben, die „reich an guten Früchten“ macht (Jak 3,17).

Möge die selige Jungfrau und Gottesmutter Maria, der Sitz der Weisheit, die alles in ihrem Herzen erwogen hat (vgl. Lk 2,19), für alle an dieser Theologischen Fakultät Trier eintreten und mit dem Heiligen Hieronymus den Urquell der Weisheit anflehen, auf dass der dreieine Gott die Gnade gebe, in die Tiefe der Schrift zu hören, den Sinn zu betrachten und Seinen Willen zu tun. Amen.

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