Grußwort von Nuntius Eterovic an den Bundespräsidenten Frank-Walter Steimeier

Schloss Bellevue zu Berlin, 13. Januar 2020

Grußadresse
Seiner Exzellenz, des Apostolischen Nuntius
Erzbischof Dr. Nikola Eterović,
Doyen des Diplomatischen Corps,
an Seine Exzellenz,
den Herrn Bundespräsidenten der Bundesrepublik Deutschland
Frank-Walter Steinmeier

Berlin, 13. Januar 2020

Sehr geehrter Herr Bundespräsident!

Im Namen der Kolleginnen und Kollegen des Diplomatischen Corps sowie der Repräsentanten der Internationalen Organisationen, die Ihrer Mission in Deutschland folgen, habe ich die Ehre, Eurer Exzellenz für die Einladung zum Neujahrsempfang ins Schloss Bellevue zu danken. Es handelt sich dabei um eine schöne Tradition, die uns erlaubt, Ihnen und Ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern sowie allen Menschen in Deutschland die besten Wünsche für das Jahr 2020 zu übermitteln.

Besondere Grüße entbiete ich Eurer Exzellenz namens der 36 Botschafterinnen und Botschaftern, die zum ersten Mal an diesem feierlichen Anlass teilnehmen. Gleichzeitig spreche ich für alle, wenn ich Ihnen erneut für die Einladung zur Begegnungs- und Informationsreise am 18. September 2019 danke, wo wir mit Ihnen den Nationalpark Hunsrück-Hochwald und malerische Orte an der Mosel besucht haben, insbesondere Bernkastel-Kues, den Geburtsort des bedeutenden Philosophen Nikolaus von Kues, in dessen Werk sich gleichsam christliches, europäisches und humanes Denken bündelt. Diese erlebnisreiche Reise hat geholfen, daß wir nunmehr dieses schöne Land, wie auch die geschichtliche, kulturelle und politische Bedeutung von Rheinland-Pfalz besser kennen.

Sehr geehrter Herr Bundespräsident, diese Begegnung am Beginn eines neuen Jahres erfüllt uns mit der Zuversicht, die Menschen guten Willens auf der ganzen Welt eigen ist. Dennoch bleibt sich diese Zuversicht der Probleme und Schwierigkeiten bewußt, die wir aus dem alten Jahr übernommen haben und die beachtliche Anstrengungen aller Kräfte benötigen, um eine angemessene Lösung zu finden. Je größer die Probleme werden, umso mehr braucht es die gemeinsame Anstrengung der Völker, Staaten, Institutionen und Religionen, mit einem Wort: der ganzen internationalen Gemeinschaft.

Die grundlegende Herausforderung bleibt der Friede. Die Zahl der Kriege und die Zahl terroristischer Gruppen weltweit ist erschreckend. Im Jahr 2019 waren 69 Staaten in Kriege verwickelt, unter Beteiligung von 829 Guerillamilizen und terroristischen, separatistischen oder anarchistischen Gruppen (vgl. Guerre nel mondo, aktualisiert am 18. Dezember 2019). Wir erinnern, daß allein im Mittleren Osten sieben Staaten in kriegerischen Auseinandersetzungen stehen und hierin 261 Milizen beteiligt sind; in Afrika gibt es in 30 Staaten Konflikte, die von 269 terroristischen Gruppen provoziert werden. Papst Franziskus hat dieses trostlose Bild den „dritten Weltkrieg ‚in Stücken‘ mit Verbrechen, Massakern und Zerstörung“ genannt (Predigt in Redipuglia 13. September 2014).

Der Klimawandel wird immer mehr zu einem der drängendsten Probleme der Menschheit. Leider entsprechen die Reaktionen der internationalen Gemeinschaft nicht den Erwartungen und dem offensichtlich Notwendigen. Nach den vielversprechenden Beschlüssen von COP 21 in Paris im Jahr 2015 hat die Kehrtwende von Madrid vom 02. bis 15. Dezember 2019 enttäuscht. Bleibt zu hoffen, daß sich diese Haltung ändert und sich schon im Laufe dieses Jahres 2020 alle Staaten – auch die bevölkerungsreichsten, nämlich die Vereinigten Staaten von Amerika, China, Indien und Russland – dafür einsetzen, bis zum Jahr 2050 die Klimaneutralität von Kohlestoffemissionen zu erreichen und somit die Erderwärmung auf nicht mehr als 2,0 Grad Celsius zu begrenzen. Es steht zu hoffen, dass bei der Versammlung von COP 26, die vom 09. bis 19. November im schottischen Glasgow stattfinden wird, darüber erneut verhandelt wird und mutigere Beschlüssen kommt am Ende stehen.

Die Frage der internationalen Migration ist eng verbunden mit dem fehlenden Frieden, also mit den andauernden unterschiedlichen Konflikten, wie auch mit dem Klimawandel. Nach Angaben der Vereinten Nationen gab es 2019 weltweit 272 Millionen Migranten, das sind 3,2 Prozent der Weltbevölkerung. Mit 82 Millionen ist Europa der Kontinent, der die meisten Migranten aufgenommen hat, gefolgt von Nord-Amerika mit 59 Millionen und Nord- und Westafrika mit 49 Millionen. Auf nationaler Ebene wurden etwa 19 Prozent oder 51 Millionen Menschen der weltweiten Migranten von den Vereinigten Staaten von Amerika aufgenommen. An zweiter Stelle ist Deutschland und an dritter Saudi-Arabien zu nennen, beide mit 13 Millionen (vgl. United Nations, Department of Economic and Social Affairs, 17. September 2019). Im vergangenen Jahr haben 142.509 Menschen in Deutschland Asyl beantragt (vgl. Bundesamt für Migration und Flüchtlinge).
Verehrter Herr Bundespräsident, angesichts dieser weltweit drängenden Probleme nimmt die Bundesrepublik Deutschland einen wichtigen Platz ein. Dies wird dadurch verstärkt, dass Deutschland derzeit eines der nicht-ständigen Mitglieder des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen ist. Außerdem wird Deutschland nach der Republik Kroatien am 1. Juli 2020 den halbjährigen Ratsvorsitz der Europäischen Union übernehmen. Diese Positionen, wie auch die wichtige Mitgliedschaft in der NATO, bieten günstige Gelegenheiten, die Initiativen vor allem zur Förderung des Friedens auf der Ebene der Vereinten Nationen wie der Europäischen Union zu verstärken. Hervorzuheben ist in diesem Zusammenhang der Einsatz von circa 3.200 Soldatinnen und Soldaten und von 172 Frauen und Männern der Polizei bei 13 Friedenseinsätzen weltweit.
Was den Kampf gegen den Klimawandel angeht, so gibt Deutschland ein gutes Beispiel. Mit dem 01. Januar 2020 trat das Gesetzespaket in Kraft, das die Anstrengungen, die Klimaschutzziele und somit die Reduzierung der Treibhausgase zu erreichen, verstärken soll. Zum Klimaschutz gibt es einen nationalen Konsens, was hilfreich sein dürfte, die Gasemissionen bis zum Jahr 2030 um 55 Prozent im Vergleich zu 1990 zu reduzieren.

Diese Entscheidungen sind im Einklang mit der Erklärung des Europäischen Parlaments vom 30. November 2019, mit der die Europäische Kommission aufgefordert wird, restriktivere Programme mit Blick auf die Zielmarken von 2030 und 2050 einzuleiten. Die neue Präsidentin der EU-Kommission, Frau Dr. Ursula von der Leyen, hat einen Green Deal angekündigt, mit strengeren Parametern zur Reduktion der Emissionen bis 2030 und mit dem Ziel der Klimaneutralität bis 2050. Die Förderung des Friedens und der Kampf gegen den Klimawandel könnten nachdrücklich dazu beitragen, die Zahl der Migranten und Flüchtlinge zu verringern. Solange aber die Migrationsströme andauern, ist die internationale Gemeinschaft aufgerufen, auf menschliche Weise dieser Herausforderung zu begegnen. Jeder der Migranten ist ein Mensch, eine Person, die Respekt verdient. Daher muss das Mögliche getan werden, Migranten aus den Flüchtlingslagern zu befreien, in denen sie nicht selten unter unmenschlichen Umständen leben, sie vor Gewalt zu schützen und den Spekulationen von sogenannten Flüchtlingshelfern zu entreißen, die sie über Land durch die Wüste und über das Meer bringen. Besonders das Mittelmeer ist dabei für viele zum Friedhof geworden. Auf diesem weiten Feld spielen Deutschland und allgemein die Europäische Union eine besondere Rolle.

Um Migration zu vermindern, ist dem Marshallplan mit Afrika, der von Deutschland unter dem Dach der G 20 initiiert worden ist, Erfolg zu wünschen. Natürlich sind darüber hinaus andere Initiativen notwendig, insbesondere Investitionen in andere Länder und Kontinente, um vor Ort die Wirtschaft zu entwickeln und Bedingungen für Ausbildung, Arbeitsplätze und ein würdiges Leben vor allem für die junge Generation zu schaffen. Auf diese Weise trägt man zur Verminderung der großen Ungleichheit von reichen und armen Ländern und zur Schaffung von mehr Gerechtigkeit in der Welt bei. Eine globalisierte Welt drängt vor allem nach einer Globalisierung der Solidarität.

Exzellenz, zu Beginn des Jahres 2020 übermittle ich Ihnen die herzlichen Wünsche namens der Kolleginnen und Kollegen, damit die Bundesrepublik Deutschland ihre bedeutende Rolle im Schoß der Europäischen Union wie auf der Ebene der internationalen Gemeinschaft stärker dazu nutze, die Achtung des Internationalen Rechts mit Nachdruck zur Geltung zu bringen. Die Beziehungen zwischen den Staaten müssen von der Kraft des Rechts und nicht von der Macht der Gewalt bestimmt sein. Einmal geschlossene Abkommen müssen nach dem bekannten Prinzip Pacta sunt servanda eingehalten werden.

Trotz der erwähnten großen Herausforderungen bleibt das Herz des Menschen von Natur aus offen für die Hoffnung. Für die Gläubigen hat sie ihr Fundament im Glauben an Gott, der alle Menschen nach seinem Abbild, also mit gleicher Würde, geschaffen hat. Somit sind wir alle Schwestern und Brüder. Auf dieser Grundlage haben Papst Franziskus und der Großimam von Al-Azhar Ahmad Al-Tayyeb am 04. Februar 2019 in der Hauptstadt der Vereinigten Arabischen Emirate Abu Dhabi das Dokument über die Brüderlichkeit aller Menschen für ein friedliches Zusammenleben in der Welt unterzeichnet. Wir hoffen, daß dieses Dokument Verbreitung findet und vor allem zum Wohl aller Bewohner unseres Planeten, der unser gemeinsames Haus ist (vgl. Franziskus Laudato si‘), in die Tat umgesetzt wird.

Verehrter Herr Bundespräsident, ich entbiete Ihnen erneut die besten Wünsche und durch Sie, Exzellenz, sei allen Bewohnern der Bundesrepublik Deutschland alles Gute in diesem Jahr 2020 gewünscht, wofür ich auf alle den Segen des Allmächtigen herabrufe.

Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.

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