Grußwort von Nuntius Eterovic beim Empfang der Bundeskanzlerin für das Diplomatische Corps

Schloß Meseberg, 6. Juli 2018

Grußadresse Seiner Exzellenz,
Erzbischof Dr. Nikola Eterović,
Apostolischer Nuntius und Doyen des Diplomatischen Korps,
an Ihre Exzellenz,
Frau Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel

Schloß Meseberg, 06. Juli 2018

Exzellenz! Verehrte Frau Bundeskanzlerin!

Von Herzen danke ich Ihnen für die Einladung nach Schloss Meseberg, wo Sie auch in diesem Jahr die Mitglieder des Diplomatischen Korps empfangen, die in der Bundesrepublik Deutschland akkreditiert sind, das heißt die 161 Botschafterinnen und Botschafter und die 32 Repräsentanten der Internationalen Organisationen. Es freut mich, Ihnen in besonderer Weise die herzlichen Grüße der 36 neuen Kollegen zu übermitteln, die zum ersten Mal an diesem Empfang teilnehmen, der mittlerweile schon zur Tradition geworden ist. Sie haben die Kollegen ersetzt, die ihre diplomatische Mission in Berlin beendet haben. Besonders erinnern möchte ich an Frau Tswelopele Cornielia Moremi, Botschafterin von Botswana, die am Ende ihrer Tätigkeit in Deutschland verstorben ist. Sie hatte sich auf die Rückkehr in ihr Heimatland vorbereitet, als sie der Tod ereilte. Wir erinnern an sie voller Sympathie und Anteilnahme im Gebet.


Als Dekan des Diplomatischen Korps danke ich Ihnen, Exzellenz, für die hilfreichen Informationen zu einigen wichtigen Linien der Innen- und Außenpolitik der Regierung der Bundesrepublik Deutschland, die von Ihnen nunmehr zum vierten Mal so weise geführt wird. Die Entscheidungen der deutschen Regierung haben erhebliche Bedeutung für den europäischen Kontinent, vor allem für die Länder der Europäischen Union. Sie beeinflussen jedoch auch die übrige Welt, was die immer wichtigere Rolle Deutschlands im Zusammenspiel der Nationen zeigt.

Innenpolitik. Die föderale Struktur Deutschlands macht auch die Mission der Botschafter in diesem Land interessant. Jedes der 16 Länder hat eine eigene geschichtliche, kulturelle Bedeutung und jeweils eine ökonomische und soziale Dynamik. Vom politischen Standpunkt aus betrachtet befindet sich alles in ständiger Entwicklung, nicht zuletzt wegen der Landtagswahlen in den einzelnen Ländern. Seit unserer letzten Begegnung im vergangenen Jahr gab es Wahlen in Niedersachen am 15. Oktober 2017. Für dieses Jahr sind Wahlen in Bayern am 14. Oktober und in Hessen am 28. Oktober vorgesehen. Mit besonderer Aufmerksamkeit haben wir die Bundestagswahl am 24. September 2017 und den daran anschließenden längeren Prozess der Regierungsbildung durch die große Koalition der Parteien CDU/CSU und SPD verfolgt. Das Wahlergebnis hat die Zusammensetzung des Deutschen Bundestages beachtlich verändert. Somit gilt für alle Parlamentarier die Pflicht zum Dialog und zur Suche nach Lösungen für die alten und neuen Herausforderungen. Nicht nur auf deutscher und europäischer Ebene, sondern weltweit sind diese problematischer und komplexer geworden, zuweilen aufgrund einer mangelnden Achtung des internationalen Rechts oder der mit Mühe und Geduld geschlossenen Abkommen.
Ein kurzer Blick auf die innere Verfassung Deutschlands zeigt eine gute ökonomische Entwicklung. Nach dem Statistischen Bundesamt ist das Bruttoinlandsprodukt im ersten Quartal 2018 um 0,3% gestiegen. Im Mai lag die Zahl der Erwerbstätigen bei 44,8 Millionen Menschen. Dies sind 593.000 mehr im Vergleich zum Jahr 2017. Die Arbeitslosenquote ist im Monat Juni auf 5,0% (2,276 Millionen) gesunken und damit auf den niedrigsten Stand seit 1990.
Außenpolitik. Es sei mir erlaubt, auf folgende Punkte hinzuweisen, die auch die Innenpolitik des Landes widerspiegelt:

Die von Ihrer Exzellenz geführte Bundesregierung zeigt eine beachtliche ökologische Sensibilität. Das beweist der gute Ausgang der Weltklimakonferenz der Vereinten Nationen COP 23, die vom 6. bis 17. November 2017 in Bonn stattgefunden hat. Ziel war es, die Beschlüsse von COP 21 in Paris weiterzuführen und konkrete Schritte der Umsetzung zu vereinbaren. Mit Blick auf die 24. Weltklimakonferenz vom 3. bis 14. Dezember 2018 im polnischen Kattowitz war der 9. Petersberger Klimadialog in Berlin wichtig, der am 18. und 19. Juni unter dem Thema Changing together for a just transition unter deutsch-polnischer Leitung mit Repräsentanten aus etwa 35 Ländern stattgefunden hat.

Die Flüchtlingsfrage bleibt eine der großen internationalen politischen Herausforderungen aller Staaten, hält man sich die große Zahl von Menschen vor Augen, die vor allem aufgrund von Gewalt oder Krieg gezwungen sind, ihre Länder zu verlassen. Nach der jüngsten Erklärung des Hochkommissars der Vereinten Nationen für die Flüchtlinge sind 68,4 Millionen Menschen weltweit aufgrund von Konflikten in verschiedenen Ländern auf der Flucht. Neun von zehn Flüchtlingen finden im Heimatland oder in den benachbarten Staaten Zuflucht. Um angemessen dieser großen und globalen Herausforderung begegnen zu können, ist der Abschluss eines weltweiten Paktes für Flüchtlinge von großer Wichtigkeit. Der Global Compact könnte noch in diesem Jahr von den Vereinten Nationen geschlossen werden, „um zu einer sicheren, geordneten und geregelten Migration“ zu kommen (Papst Franziskus, Angelus am 17. Juni 2018). Diesbezüglich haben Ihre Exzellenz das Ziel einer solchen Initiative aufgezeigt, nämlich „die Erstaufnahmestaaten zu entlasten und Lösungen in Drittstaaten zu ermöglichen. Es geht immer darum, Verantwortung zu teilen. Wir wissen, dass dabei noch unendlich viel zu tun ist. Aber bei allem dürfen wir nie vergessen …, dass es immer um Menschen geht; um Menschen, die sehr häufig unverschuldet in Not geraten sind“ (Bundeskanzlerin Angela Merkel in der Rede zum Gedenktag für die Opfer von Flucht und Vertreibung am 20. Juni 2018 in Berlin). In diesem Zusammenhang erscheint es angebracht, nach einer europäischen Lösung bei der Flüchtlingsfrage zu suchen.

In Deutschland haben im vergangenen Jahr 123 895 Menschen Asyl erhalten. Das sind nach den Daten des Europäischen Unterstützungsbüros für Asylfragen (EASO) 53% aller Anträge auf Asyl in den Ländern der Europäischen Union, die positiv beschieden wurden. In den ersten fünf Monaten des Jahres 2018 haben 78.026 Menschen in Deutschland Asyl beantragt.
Eines der großen Felder der deutschen Bundesregierung ist der Friede in der Welt und die Achtung des internationalen Rechts. In diesem Jahr begehen wir den 100. Jahrestag des Endes des 1. Weltkrieges (1914-1918), der unzählige Opfer an Menschen gekostet hat und große Zerstörung wie beachtliche Umwälzungen in den europäischen Staaten brachte. Es entstanden neue Staaten in Mittel- und Osteuropa, woran die betroffenen Kollegen mit verschiedenen Veranstaltungen erinnern. Leider dauerte der Friede nicht lange. Und nach dem ersten kam der 2. Weltkrieg mit noch tragischeren Folgen an Menschenleben, Zerstörungen von Dörfern und Städten, mit Konzentrationslagern und der Teilung der Welt in zwei Blöcke, verbunden mit dem Auslöschen einiger unabhängiger Staaten. Erst mit dem Fall der Berliner Mauer am 9. November 1989 konnten diese tragischen Folgen überwunden werden. Die betroffenen Staaten erlangten erneut ihre Souveränität und wurden nach und nach Mitglieder der Europäischen Union. Andere Länder, besonders jene im Westbalkan, bereiten sich darauf vor, in diese Union aufgenommen zu werden. Das ist ein Beweis dafür, daß trotz nicht weniger Schwierigkeiten die Europäische Union für andere Länder attraktiv bleibt. Zurecht sehen sie in ihr ein Umfeld, wo die Völker der unterschiedlichen Nationen in Frieden leben und bereit sind zum Dialog, zur ökonomischen, kulturellen und sozialen Entwicklung in Achtung der Rechte und Pflichten, die sich aus den gemeinsamen Werten ergeben. Diese Werte sind nicht nur europäisch, sondern universal, insofern sie mehr oder weniger in der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte enthalten sind, die vor 70 Jahren am 10. Dezember 1948 von der Vollversammlung der Vereinten Nationen verkündet worden ist. Im Prozess der Umsetzung dieser Rechte hat sich die Europäische Union einen eigenen Ruf mit universeller Dimension erworben. Sie fördert den Frieden in der heutigen Welt, wo viel Gewalt, Terrorismus und Kriege herrschen. Darüber hinaus spielt die Europäische Union eine immer wichtiger werdende Rolle bei der Bewahrung und, wenn nötig, der Verteidigung des internationalen Rechts angesichts der verschiedenen Verstöße, auch jener durch militärisch und ökonomisch mächtige Länder. Ein Aspekt dieser Verteidigung ist die Achtung der internationalen Abkommen gemäß der bekannten Norm: Pacta sunt servanda – Verträge müssen eingehalten werden. Da dieses Recht universelle Gültigkeit hat, gilt es für alle gleich, für klein und groß. Die internationale Politik muß sich auf die Stärke des Rechts gründen und nicht auf das Recht des Stärkeren. Auf diesem Gebiet ist die Europäische Union aufgerufen, eine neue und wichtige Aufgabe zum Wohl aller Länder zu verfolgen, vor allem für jene, die klein und wehrlos sind. Als nichtständiges Mitglied im UN-Sicherheitsrat möge Deutschland in den zwei Jahren von 2019-2021 in diesem Sinne handeln.

Verehrte Frau Bundeskanzlerin, im Namen der Mitglieder des Diplomatischen Corps wünsche ich Ihnen Erfolg bei der verantwortungsvollen Aufgabe, die Regierung der Bundesrepublik Deutschland zu führen und in der Zusammenarbeit der Parteien der Koalition, wie auch der übrigen Parteien und mit den Repräsentanten in der Gemeinschaft der deutschen Nation, einschließlich der Vertreter der unterschiedlichen religiösen Bekenntnisse. Unser Wunsch mit Blick auf die internationale Politik ist, daß Deutschland in enger Zusammenarbeit mit den übrigen Staaten der Europäischen Union den Dialog mit den Politikern und Menschen guten Willens weltweit fördert. Dies ist nötig angesichts der großen Herausforderungen dieser Zeit und notwendig bei der Suche nach angemessenen Lösungen, die der Würde der menschlichen Person und der Völker entsprechen müssen. Über Sie, Frau Bundeskanzlerin, grüßen wir herzlich nicht nur die Mitglieder der deutschen Bundesregierung, sondern vor allem auch alle Bewohner dieses großen Landes, dem wir materiellen und geistigen Wohlstand wünschen. Über alle Menschen, die in Deutschland leben, sei der Segen des Allmächtigen herabgerufen.

 

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