Grußwort von Nuntius Eterovic beim Neujahrsempfang des Bundespräsidenten für das Diplomatische Corps
Schloss Bellevue zu Berlin, 11. Januar 2024
Grußadresse
Seiner Exzellenz, des Apostolischen Nuntius Erzbischof Dr. Nikola Eterović, Doyen des Diplomatischen Corps,
an Seine Exzellenz ,den Herrn Bundespräsidenten der Bundesrepublik Deutschland Dr. Frank-Walter Steinmeier
Sehr geehrter Herr Bundespräsident!
Zu Beginn des Jahres 2024 habe ich die Ehre, Eurer Exzellenz im Namen der Kolleginnen und Kollegen des Diplomatischen Corps sowie der Vertreter der Internationalen Organisationen, die ihre Mission in Deutschland wahrnehmen, herzliche Grüße zu übermitteln. Vielen Dank, dass Sie uns der guten Tradition entsprechend nach Schloss Bellevue eingeladen haben, um die guten Wünsche für das neue Jahr auszutauschen. Einen besonderen Dank überbringe ich im Namen der 38 Botschafterinnen und Botschafter, die ihre Mission im Jahre 2023 begonnen haben und heute erstmals an dieser bedeutenden Zeremonie teilnehmen. Ich nutze die Gelegenheit, Ihnen für die Einladung zu danken, Sie bei der Reise am 26. Juni 2023 nach Nordrhein-Westfalen zu begleiten, in das bevölkerungsreichste Bundesland, das unter den Ländern der Bundesrepublik Deutschland eine besondere Rolle einnimmt.
Verehrter Herr Bundespräsident, bei diesem ersten Treffen im Jahr 2024 ist das drängendste Thema der Frieden, verbunden mit der Ablehnung von Gewalt, Terrorismus und Krieg, die leider das vergangene Jahr bestimmten, wie auch die ersten Tage dieses Jahres. Nach einigen statistischen Daten sind aktuell bis zu 70 Staaten an kriegerischen Handlungen weltweit beteiligt, davon 31 Staaten in Afrika, 16 in Asien, 7 im Nahen Osten, 9 in Europa und 7 in Amerika. Es gibt 891 aktive Kriegsmilizen und terroristisch-separatistisch-anarchistische Gruppen, 295 in Afrika, 202 in Asien, 266 im Nahen Osten, 90 in Europa und 38 in Amerika.
In Ihrer Weihnachtsansprache 2023 haben Eure Exzellenz von der dunklen Seite unserer Welt gesprochen und auf zwei Ereignisse hingewiesen, die uns besonders nahegehen: „Der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine geht nun schon in den zweiten Winter. Und seit Herbst sehen wir mit Entsetzen die Gräueltaten der Hamas und die Opfer des Krieges im Nahen Osten“ . Es ist zu beklagen, dass es erneut „zu Akten der Barbarei (kommt), die das Gewissen der Menschheit mit Empörung erfüllen“, wie es in der Präambel der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte heißt, die vor 75 Jahren am 10. Dezember 1948 verabschiedet wurde. Trotz dieser dramatischen Situation haben wir alle „Sehnsucht nach einer friedlicheren Welt“, die wir auch nie aufgeben dürfen . Und so hoffen die Menschen guten Willens, dass die Kriege ein Ende finden und ein Dialog in gutem Glauben beginnt, um friedliche Lösungen unter Achtung des Völkerrechts und der Identität der jeweiligen Völker zu finden.
Kriege verursachen nicht nur eine hohe Zahl materieller Schäden, sondern vor allem viele Tote und Verletzte, worunter vor allem auch die Kinder leiden. Nach Angaben eines Berichtes von Save the Children lebte im Jahr 2022 weltweit jedes sechste Kind, also etwa 468 Millionen Kinder in Konfliktgebieten. 8.647 Kinder wurden getötet oder verstümmelt, davon 1.386 in der Ukraine. Diese Zahl wird leider in den Jahren 2023 und 2024 weiter besorgniserregend steigen, derzeit auch unter den Palästinensern im Gaza-Streifen. Hinzu kommen die schwerwiegenden Verbrechen der Rekrutierung und des Einsatzes von Kindern bei Konflikten. Hier wurden im Jahr 2022 7.610 Fälle belegt.
Kriege sind eine der Hauptursachen von Migration. Nach Angaben des UNHCR gab es Mitte des Jahres 2023 weltweit etwa 110 Millionen gewaltsam vertriebene Menschen, davon 36,4 Millionen Geflüchtete und 62,5 Millionen Binnenvertriebene, mehr als sechs Millionen Menschen suchten weltweit Asyl. Allein im ersten Halbjahr 2023 beantragten 1,6 Millionen Menschen Asyl, davon 540.600 in den USA, 150.200 in Deutschland, 87.100 in Spanien, 74.800 in Mexiko und 60.400 in Frankreich. Die Zahl der Asylanträge in Deutschland von Januar bis November 2023 betrug nach Angaben des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge 325.801.
Ein anderes Thema, das die Verantwortlichen der Staaten und Nationen besonders beschäftigt, ist der Klimawandel. Hierzu wurde in Dubai, in den Vereinigten Arabischen Emiraten, am Ende der UN-Klimakonferenz COP 28, die vom 30. November bis 12. Dezember 2023 stattfand, eine Kompromissvereinbarung getroffen. Ziel ist, am Pariser Abkommen festzuhalten und die globale Erhöhung der Durchschnittstemperatur auf 1,5 Grad im Vergleich zum vorindustriellen Zeitalter zu begrenzen. In dem genannten Dokument verpflichten sich die Teilnehmerländer für den „Übergang von fossilen Brennstoffen in den Energiesystemen auf geordnete und gerechte Weise und die Beschleunigung der Maßnahmen in diesem kritischen Jahrzehnt, um im Einklang mit der Wissenschaft bis 2050 den Netto-Nullpunkt zu erreichen“ . Bei dieser bedeutenden Vereinbarung verpflichten sich die Unterzeichner neben dem Verzicht auf fossile Brennstoffe auch dazu, die erneuerbaren Energien zu verdreifachen und den Hilfsfonds für „Schäden und Verluste“ durch den Klimawandel für die Schwächsten zu erhöhen.
Die Vertreterinnen und Vertreter Deutschlands haben vieles zum positiven Ausgang von COP 28 beigetragen. Das steht im Einklang mit der von deutschen Behörden seit langem verfolgten Umweltpolitik. Wir, die Angehörigen des Diplomatischen Corps, konnten uns davon ein Bild machen bei der Besichtigung des Industriekomplexes Zeche Zollverein in Essen, des „Eiffelturms des Ruhrgebietes“, der 2001 von der UNESCO zum Welterbe erklärt wurde. Neben seinem ökologischen Wert ist der Komplex ein gelungenes Beispiel für den Wandel von der Industriestruktur zur Industriekultur.
Im Zusammenhang mit der Reise nach Nordrhein-Westfalen dürfen wir den Besuch des Deutschen Fußballmuseums in Dortmund nicht vergessen, der uns deutlich machte, wie populär dieser Sport in Deutschland ist. Das Museum dürfte in naher Zukunft noch bereichert werden, denn in diesem Jahr findet vom 14. Juni bis 14. Juli die Fußball-Europameisterschaft in Deutschland statt. Es werden 24 Nationalmannschaften beteiligt sein, die um den Pokalsieg oder zumindest um das bestmögliche Ergebnis konkurrieren. Es gibt keinen Zweifel daran, dass dieses großartige Sportereignis mehr Verständnis, Toleranz, Brüderlichkeit und Freundschaft bei den Spielern und ihren zahlreichen Anhängern verbreiten wird. Diese Meisterschaft findet im Jubiläumsjahr des 75-jährigen Bestehens der Bundesrepublik Deutschland statt und erinnert nachdrücklich daran, dass die Demokratie und das Grundgesetz als deutsche Verfassung Errungenschaften sind, auf die man stolz sein darf.
Verehrter Herr Bundespräsident, zu Beginn des Jahres 2024 spreche ich im Namen meiner Kolleginnen und Kollegen meine herzlichsten Wünsche aus, auf das erreicht werden möge, was Eure Exzellenz in der Weihnachtsansprache ausgesprochen haben: „Machen wir uns doch öfter bewusst: Deutschland ist und bleibt ein gutes Land“ . Wir, die Mitglieder des Diplomatischen Corps in Deutschland, teilen diese Hoffnung in dem Bewusstsein, dass der von Eurer Exzellenz gezeigte Weg Deutschland in Europa, der Europäischen Union und in der Welt noch größer machen wird. Damit wünsche ich Ihnen, verehrter Herr Bundespräsident, und durch Sie auch Ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern und allen Bewohnern der Bundesrepublik Deutschland alles Gute für das neue Jahr 2024 und rufe auf Sie alle den Segen Gottes herab.